Bauleistungen im EU-Ausland
Der EU-Binnenmarkt ist seit mehr als 20 Jahren auch für österreichische Unternehmen Realität.
Aber welchen Einfluss hat dies auf Bauaufträge durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber? Einige der wesentlichen Grundregeln werden in der Folge skizziert.
Kein Vergaberecht ohne EU-Binnenmarkt
Einleitend ist festzustellen, dass es ohne den EU-Binnenmarkt kein Vergaberecht in Österreich gäbe, das mit dem vorliegenden Bundesvergabegesetz vergleichbar wäre. Freilich ist dieses nicht annähernd perfekt, aber es bietet den beteiligten Unternehmen zumindest teilweise einen effizienten Rechtsschutz, wenn ein Auftraggeber bei seinen Beschaffungen wesentliche Grundsätze verletzt.
Teilnahme an Ausschreibungen im EU-Ausland
Die Frage, welches Unternehmen wo welche Leistungen anbieten und ausführen darf, wird nicht im Vergaberecht geregelt, sondern im Gewerberecht und in sonstigen Gesetzen (Ziviltechnikergesetz etc.). Auch im grenzüberschreitenden Bereich übernimmt das BVergG lediglich die berufsrechtlichen Regelungen, die EU-weit festgelegt werden.
Hier ist die Liberalisierung bereits so weit fortgeschritten, dass es nur mehr wenige „sensible“ Gewerbe (wie z. B. Baumeister) gibt, bei denen man für eine grenzüberschreitende Tätigkeit innerhalb der EU noch eine Genehmigung der am Ausführungsort zuständigen Behörde benötigt.
Wer wissen will, welche ausländischen Unternehmen in Österreich tätig sein dürfen, kann sich kostenfrei im Internet im Dienstleisterregister des BMWFJ informieren.
Übrigens ist die EU-weite Bekanntmachung einer Ausschreibung nicht Voraussetzung dafür, dass ausländische Unternehmen die Ausschreibungsunterlagen beheben und anbieten dürfen. Im Grenzbereich zu Deutschland etwa nehmen deutsche Unternehmen fallweise an kleineren österreichischen Ausschreibungen teil, weil sie auch die österreichischen Vergabebekanntmachungen verfolgen. Ebenso ist dies jedem österreichischen Unternehmen erlaubt, wenn Interesse an Aufträgen im Ausland besteht.
Anwendbarkeit des EU-Rechts
Die Grundfreiheiten der EU, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit, verbieten unsachliche Diskriminierungen ausländischer oder Bevorzugung inländischer Unternehmen.
Im Vergaberecht ist das grundsätzlich ebenfalls zu beachten. Zwar wurde auf EU-Ebene die Grenze des „Oberschwellenbereichs“ eingezogen, sodass die EU-Vergaberichtlinien nur bei Bauaufträgen oberhalb von (derzeit) einem geschätzten Auftragswert von 5,225 Millionen Euro (ohne USt) anwendbar sind (wobei bei gewerksweisen Ausschreibungen grundsätzlich der Auftragswert des gesamten Bauvorhabens entscheidend ist).
Aber die EU-Grundfreiheiten gelten auch im Unterschwellenbereich. Wenn also bei einer „kleinen“ Bauausschreibung eindeutig ausländische Unternehmen – z. B. durch Bevorzugung inländischer Produkte, Niederlassungen o. Ä. – diskriminiert werden, kann sich ein ausländisches Unternehmen bei der EU-Kommission beschweren.
Das geschieht auch immer wieder, und es kommt auch zu Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Interessant ist in diesem Zusammenhang die Entscheidung des EuGH vom 6. 10. 2016, C-318/15, in der er ausgeführt hat, wann eine solche Diskriminierung doch nicht relevant ist; also in welchen Fällen der EuGH gar nicht zuständig ist.
Im konkreten Fall hatte ein italienischer Auftraggeber Leistungen in einer Entfernung von weniger als 200 Kilometer von der französischen Grenze ausgeschrieben. Es langten 101 Angebote ein (für österreichische Auftraggeber ein Traum oder Albtraum, je nach Sichtweise), darunter auch von italienischen Unternehmen, die 600 bis 800 Kilometer vom Auftragsort entfernt ansässig sind. Das könnte man als Indiz für das Vorliegen des sogenannten „grenzüberschreitenden Interesses“ ansehen, das Voraussetzung für die Anwendbarkeit des EU-Rechts ist.
Dennoch hat der EuGH dieses „grenzüberschreitende Interesse“ verneint, weil er sagte, dass ein rein hypothetisches Interesse – etwa wie hier aufgrund der Entfernungen – nicht ausreicht. Es muss ein konkretes Interesse ausländischer Unternehmen dokumentiert sein. Das war im vorliegenden Fall offenbar nicht so, weil sämtliche Angebote von italienischen Unternehmen stammten (also kein einziges französisches Unternehmen dabei war) und auch sonst offenbar keine Anfragen aus dem Ausland vorlagen.