Berufung Tischlerin

Das Beste aus beiden Welten

Porträt
14.12.2023

Mit viel Hands-on-Mentalität und Leidenschaft realisiert Tischlerin Marlene Schöninkle ihre Projekte – vom klassischen Möbelstück bis hin zum imposanten Kulissenbau.
Marlene Schöninkle

Von der gelernten Kindergärtnerin über Eröffnungs-Koordinatorin für Shops im Einzelhandel hin zur Tischlerin: Wenn ein Werdegang bunt ist, dann ist es der von Marlene Schöninkle. Schon früh merkt sie, dass ihr Schaffensdrang groß ist, baut und werkt in ihrer Freizeit und legt auch in ihrem privaten Umfeld gerne Hand an. Gepaart mit einer großen Portion Leidenschaft und dem Blick für individuelle und praxisnahe Lösungen war irgendwann klar: Ein Handwerksberuf muss her. „Ich war immer diejenige, die ein Problem als schöne und spannende Herausforderung gesehen hat“, erzählt sie. Und nach vielen Jahren im Einzelhandel und zahlreichen Jahren im Ausland beschließt sie, ihrer Leidenschaft vollen Raum zu geben und beginnt 2012 mit Anfang Dreißig eine Tischlerlehre. „Ich hatte das große Glück, in einem der besten Betriebe das Tischlerhandwerk zu erlernen“, so Schöninkle über ihre Zeit in einer Tischlerei in Perchtoldsdorf. In einem etablierten Traditionsbetrieb im Süden Wiens erlernt sie das Handwerk mit all seinen Facetten: „Der Betrieb hat perfekt zu mir gepasst – von der Restauration von antiken Möbeln über die Anfertigung von Designermöbel bis hin zum Bautischlern durfte ich in sieben Jahren alles lernen, was man als Tischlerin können soll.“ Der perfekte Start in eine Branche, in der sie sich voll und ganz ausleben kann.  

Im Co-Working-Space Werksalon im 22. Wiener Gemeindebezirk
Im Co-Working-Space Werksalon im 22. Wiener Gemeindebezirk realisiert die Tischlerin ihre Stücke und profitiert von der Zusammenarbeit mit anderen Kreativen.

Voll gelandet

„Tischlerin zu sein ist für mich eher Berufung als Beruf und braucht ein hohes Maß an Intelligenz und Leidenschaft“, so Schöninkle weiter. Und es ist für sie einer, der sehr vielseitig ist: „Man muss viel auf dem Kasten haben und es braucht weitaus mehr als ‚nur‘ das Wissen um die klassische Bearbeitung von Holz.“ Schließlich bedarf es eines Grundverständnisses von Physik und Chemie, viel technisches Verständnis, Wissen rund um Statik sowie Proportionen und vieles mehr, damit ein Raumkonzept oder Möbel nachhaltig Freude macht. Als Lehrling mit viel Lebens- und Berufserfahrung merkt sie, dass es auch ihre innere Haltung ist, von der sie enorm profitiert: „Ich habe meine Ausbildung genutzt, um so viel Wissen und Erfahrung wie möglich zu gewinnen und war mit vollem Einsatz dabei.“
Ihren Platz als Frau hat sie rasch gefunden – auch das für die mittlerweile 42-Jährige Einstellungssache: „Ich war sehr willkommen und von den Kolleginnen und Kollegen sehr geschätzt – gleichzeitig habe ich als Schwester von drei Brüdern schon als Kind gelernt, mich durchzusetzen und meine Frau zu stehen. Und durch meine Jahre im Einzelhandel mit zahlreichen Auslandsaufenthalten war ich es gewohnt, autonom zu arbeiten – die Selbständigkeit war für mich deshalb irgendwann der Schritt in die richtige Richtung.“

Hinter den Kulissen

Marlene Schöninkle blickt dabei nicht nur auf viel Erfahrung im Ladenbau zurück, sondern auch auf ein umfangreiches Know-how im Bereich Kulissenbau: Für die Filmstudios Babelsberg realisiert sie große und herausfordernde Projekte, nimmt schnell eine führende Position ein und bringt ihre Erfahrung im Bereich Montagetischlerei ein: „Die Zeit dort war fantastisch – dieser Bereich ist wie ein Spielplatz für Große. Da prallen tatsächlich Welten aufeinander: Das bedeutet viel Kompetenz und Leidenschaft, aber auch eine enorme Belastung.“ Bevor sie in diesem schnelllebigen Umfeld ausbrennt, zieht sie die Notbremse. Und weil ihr Leben schon immer sehr abwechslungsreich und bunt war, wagt sie schließlich 2021 den Schritt in die Selbständigkeit. Eine eigene Tischlerei ist für die Wienerin allerdings kein Thema, zu groß sind die räumlichen und finanziellen Herausforderungen, die dieser Schritt mit sich gebracht hätte. „Ich habe mich Schritt für Schritt herangetastet und ausgelotet, wo meine Möglichkeiten liegen – und schließlich bin ich im Werksalon Wien gelandet. Ein Co-Working-Space im 22. Wiener Gemeindebezirk, der mir nicht nur genug Raum gibt, sondern auch die wunderbare Möglichkeit, mich mit vielen kreativen Köpfen zu vernetzen.“

Kreative Konstellation

Genau dort arbeitet sie, plant ihre Projekte und setzt von der individuellen Maßanfertigung bis hin zum gesamten Wohnkonzept vieles um: „Solange ich meine handwerklichen Fähigkeiten als Professionistin umsetzen kann, mache ich eigentlich alles, worauf ich Lust habe.“ Und das ist gar nicht wenig: Schöninkle betreut Ausstellungen, ist weiterhin im Kulissen- und Ladenbau tätig, realisiert Innenräume und Einzelmöbel. „Erst kürzlich habe ich ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Filmuniversität in Stuttgart abgeschlossen, das hat auch unglaublichen Spaß gemacht.“ Nicht nur ihre eigene Leidenschaft steht dabei im Fokus, sondern auch die Tatsache, dass der Tischlerberuf an sich weiterleben soll: „Mir ist es wichtig, diesen großartigen Handwerksberuf in all seinen Facetten an die Frau und an den Mann zu bringen.“ Dabei ist sie manchmal unkonventionell und in jedem Fall lösungsorientiert: „In vielen Fällen kann ich meinen Erfahrungsschatz dazu nutzen, um Pläne zu realisieren, die im Vergleich zu einer konventionellen Planung kostengünstig und dennoch qualitativ hochwertig sind. Hauptsache, ich kann meinen Kund*innen mit meinen Konzepten eine Freude machen.“

Hohe Ansprüche

In Sachen Material hat Schöninkle ganz klare Favoriten: „Ich bin ein großer Fan von Obsthölzern“, erzählt sie. Aber auch die Kombination von unterschiedlichen Materialien ist für sie spannend. „Mein persönlicher Stil lässt sich unter dem Motto ‚Epochen anders und modern interpretieren‘ zusammenfassen – aber letztendlich geht es immer darum, die passende Lösung für und mit dem Kunden zu finden. Die Technik des Furnierens hat für mich vor diesem Hintergrund großes Potenzial. Ich furniere für mein Leben gern, weil es in der Regel auch viel weniger Ressourcen verbraucht und damit eine nachhaltige Herstellungsmethode ist.“
Ein schönes Muster ließe sich damit besser vervielfältigen, darüber hinaus trifft sie damit den Geschmack ihrer Kund*innen. „Mein Ziel ist es, das klassische Handwerk brutal in die Moderne zu überführen“, so Schöninkle weiter. „Und glücklicherweise erlauben mir meine Aufträge genau das, in vielen Fällen wird mir komplett freie Hand gelassen.“ Ganz egal, ob es um den Kulissenbau geht oder die Realisierung vom individuellen Maßmöbel: Marlene Schöninkle ist angekommen, ohne stehenzubleiben und bringt mit viel Energie und Schwung neue Facetten in die Projekte ein. „Genau das ist es, was ich am Beruf der Tischlerin so liebe – mit viel Erfahrung und hoher Kompetenz etwas zu schaffen, das langlebig und formschön ist.“

 Mein Ziel ist es, das klassische Handwerk brutal in die Moderne zu überführen.

Marlene Schöninkle, Tischlerin
Branchen
Tischlerei