Lehre: Ist Geld wirklich alles?
Das Tischler Journal fragt nach, warum sich Jugendliche und junge Erwachsene für einen Beruf entscheiden, welche Rolle die Bezahlung spielt und welche weiteren Faktoren die Generation Z in Sachen Arbeit besonders schätzt.
Laut einer deutschen Jugend-Studie, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde, ist Geld das einzig wahre Motiv, das „die Jungen“ überhaupt zum Arbeiten bewegen kann. Die Ergebnisse einer Mitarbeitenden-Befragung von Great Place To Work im Zeitraum November 2022 bis November 2023 sind nicht ganz so drastisch: Hier kristallisiert sich bei der jüngsten Altersgruppe am Arbeitsmarkt – den 13- bis 24-Jährigen, auch als Generation Z bekannt – neben fairer Bezahlung die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit als entscheidendes Motiv für die Berufswahl und einen langen Verbleib bei einem Arbeitgebenden heraus. Jetzt sind Studien das eine – das „echte Leben“ ist das andere. Das Tischler Journal fragt daher in der Praxis nach, warum sich Jugendliche und junge Erwachsene für einen Beruf entscheiden, welche Rolle die Bezahlung dabei spielt bzw. welche anderen Faktoren ausschlaggebend sind. Ebenso im Fokus stehen die Fragen, wie sich die Sicht auf die Entscheidungsgründe im Laufe des Berufslebens ändert und wie das Tischlerhandwerk in Sachen Gehalt im Vergleich mit anderen Berufen da steht.
Hohe Erwartungen
Ein zentrales Ergebnis der Studie „Das erwarten sich Young Talents von ihren Arbeitgebenden“ von Autorin Conny Grill für Great Place To Work lässt den „Geld ist alles“-Gedanken außen vor, denn: Bedeutung und Sinn im Job zu erfahren, macht den entscheidenden Unterschied aus. Laut der Umfrage legt die Generation Z zwar großen Wert auf eine angemessene Entlohnung, genauso wichtig ist eine glaubwürdige und wertschätzendes Führung. Klarer ausgedrückt: Die Vorbildwirkung und authentisches Vorleben von Unternehmenswerten durch das Management spielen eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus ist es den jungen Mitarbeitenden besonders wichtig, ihre Fähigkeiten und Stärken optimal ins Unternehmen einbringen zu können. Zudem essentiell sind Spaß bei der Arbeit, ein guter Teamgeist, Gesundheitsangebote sowie Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. „Der Berufseinstieg der Generation Z erfordert eine neue Betrachtungsweise der Arbeitswelt, wie wir sie kennen. Unternehmen, die ihre Arbeitsbedingungen an die Bedürfnisse dieser jungen Talente anpassen, werden nicht nur erfolgreich rekrutieren, sondern auch langfristig binden können“, so das Fazit von Jörg Spreitzer, Geschäftsführer von Great Place To Work Österreich.
Findet die Generation Z einen Sinn in ihrer Tätigkeit, möchte sie mit einer höheren Wahrscheinlichkeit noch lange bei ihrem Arbeitgeber bleiben.
Der Sinn dahinter
Wenn es um den Sinn und den Spaß geht, kann das Tischlerhandwerk durchaus mithalten. Auf der Plusseite stehen die Arbeit mit einem nachhaltigen Werkstoff, das Erschaffen bleibender Produkte, zudem sind Kreativität und Technikaffinität gefragt. Das Klischee eines „verstaubten“ Berufs ist in vielen Köpfen leider immer noch verankert – daher gilt es, in der Öffentlichkeitsarbeit weiterhin kontinuierlich aufzuklären. Hier „ziehen“ Beispiele aus der Praxis besonders gut, die zeigen, welche Möglichkeiten der Beruf zu bieten hat. Darauf setzt z. B. die steierische Landesinnung mit ihrer Kampagne „Werde Tischler“, für die man Wolfgang Ramminger und Katharina Petritsch, beide u.a. erfolgreiche Teilnehmende an Berufswettbewerben, als Botschafter*innen gewinnen konnten. „Die beste Werbung für unseren Beruf sind gute Testimonials, die das Positive nach außen tragen und das Handwerk mit Begeisterung leben“, bestätigt auch Claudia Hindinger, die sich in diesem Sinne für die Zukunft auch eine bundesweite Kampagne wünscht.
Im oberen Viertel
Dabei könnte man auch auf das sich hartnäckig haltende Vorurteil, dass der Tischlerberuf ein schlecht bezahlter ist, eingehen. „Denn dem ist definitiv nicht mehr so“, sagt die Unternehmerin. Claudia Hindinger leitet die Tischlerei Hindinger in Kirchham in Oberösterreich mit 19 Mitarbeitenden, seit 2019 ist sie Landeslehrlingswart in OÖ. Im Familienbetrieb bildet man regelmäßig Tischlerei- und Tischlereitechnik-Lehrlinge aus. Somit kennt sie die „Lage“ aus mehreren Perspektiven. Hindinger sieht das Geld nicht als das wichtigste Kriterium, warum sich Jugendliche für einen Beruf entscheiden. „Viele schauen sich im Rahmen von Schnuppertagen Unterschiedliches an und bleiben dort, wo sie sich wohlfühlen und sich identifizieren können.“ Leider sind es in vielen Fällen die Eltern und auch die Lehrer*innen, bei denen die Denkweise, „in der Tischlerei ist nichts zu verdienen“, noch weit verbreitet ist. Schaut man sich die Gehaltstabellen an, wird man allerdings schnell eines Besseren belehrt: Im Vergleich der Handwerksberufe liegt die Tischlereitechnik im oberen Viertel, die klassische Tischlerei-Ausbildung im guten Mittelfeld (siehe Info-Kasten).
Kräftige Erhöhung
Wenn „das Leben Einzug hält“, es also ans Selbständig werden geht bzw. sich junge Menschen für einen späteren Berufseinstieg entscheiden, spielt die Entlohnung durchaus eine höhere Rolle. Aber auch hier lässt sich die Branche nicht lumpen: „Die letzte Lohnerhöhung mit fast zehn Prozent tat den Unternehmen zwar weh, die Vorrückung ist allerdings auch ein zusätzliches Argument für unseren Beruf. Und für spätere Einsteiger gibt es viele attraktive Ausbildungsmodelle wie z. B. die Duale Akademie, die auch eine höhere Bezahlung und angepasste Lehrinhalte bieten“, so Claudia Hindinger weiter.
Die „heutige Jugend“
Es scheint, dass die Verständnis-Kluft zwischen „Jung und Alt“ durch den rasanten technischen Fortschritt größer ist als in den Generationen davor und die Arbeitgeber*innen weit stärker auf diese gesellschaftlichen Veränderungen eingehen müsse. „Jein“, sagt dazu Claudia Hindinger. Es gebe wie schon immer zwei „Kategorien“ von Jugendlichen – die einen, die wissen, was sie wollen und ihr Ziel vor Augen konsequent verfolgen. Die anderen, die (noch) wenig Sinn in der Arbeit sehen und dementsprechend unentschlossen in Sachen Berufswahl sind. Merkbar im Abnehmen ist allerdings die allgemeine Flexibilität, was z. B. ein längeres Verbleiben am Arbeitsplatz betrifft – nicht nur bei den Jugendlichen: „Die Freizeit ist meist fix verplant, da sind zum Beispiel längere Montagen, weil etwas fertig werden muss, eher problematisch. Und auch gemeinsame Freizeitaktivitäten – die durchaus geschätzt werden – müssen während der Arbeitszeit stattfinden, denn am Wochenende hat dafür niemand mehr Zeit und Lust. Darauf müssen wir uns als Arbeitgeber einstellen.“ Eine weitere Herausforderung stelle das veränderte Kommunikationsverhalten dar. „Die Unternehmen sind gefordert, Social Media Kanäle zu haben und zu bestücken, sonst sind Jugendliche gar nicht mehr zu erreichen. Hier müssen wir auch offen sein, von den Jungen zu lernen und sie dort abzuholen“, so Hindinger, die hier den Vorteil hat, auf die Expertise ihres Sohnes zurückgreifen zu können, der sie u.a. bei der Instagram-Präsenz unterstützt.
Schluss mit falscher Romantik
„Natürlich ist die Tischlerei ein klassisches Handwerk, aber mit einer verstaubten Meister-Eder-Romantik hat unser Beruf schon lange nichts mehr zu tun“, sagt Claudia Hindinger. „Wir haben in den letzten Jahren riesige Modernisierungs-Schritte gemacht, auch in die kleinen Werkstätten sind EDV, CNC und Robotik eingezogen.“ Die mediale Darstellung – die nach wie vor sehr auf die „alten“ Werte setzt – sei da oft kontraproduktiv, da sich das Berufsbild in der öffentlichen Wahrnehmung so nicht ändere und die Jugend die Tischlerei nicht als attraktiv und zukunftsorientiert wahrnehme.
High-Tech-Beruf
Die vierjährige Ausbildung Tischlereitechnik mit den Schwerpunkten Produktion und Planung ist das beste Beispiel für die Modernisierung auch in der Ausbildung. Als Ergänzung zur klassischen Tischlerei spricht man damit technikaffine Jugendliche an, mit dem Planungszweig erreicht man viele weibliche Lehrlinge besser. Genau für diese Ausbildungsschiene entschied sich Hanna Neuhuber, die in der Tischlerei Hindinger im vierten Lehrjahr Tischlereitechnik Planung tätig ist. Die 19-Jährige präsentierte Ende Jänner ihr Gesellenstück, schloss gerade das letzte Berufsschuljahr mit Auszeichnung ab und dass sie bei der im Herbst anstehenden Lehrabschlussprüfung auch wieder glänzen wird, steht außer Zweifel. Die nächste Zielen sind auch schon am Radar: „Gerne die Meisterprüfung, vielleicht auch noch ein Architekturstudium.“