Der geschätzte Auftragswert im Vergabeverfahren

28.05.2018

Der Auftragswert ist ein zentrales Element von Vergabeverfahren nach dem ­Bundesvergabe­gesetz (BVergG), an dem eine Vielzahl von Rechtsfolgen hängen.

Der Auftraggeber hat vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Wert seiner Beschaffung zu schätzen, und zwar wie folgt:

• Der Auftragswert ist fachkundig zu schätzen. Wenn der Auftraggeber das selbst nicht kann, muss er sich entsprechender Sach­verständiger (Ziviltechniker o. a.) bedienen.

• Alle „funktional“ zum gleichen Vorhaben gehörenden Leistungen sind zu inkludieren (insbesondere sämtliche Gewerke, die zur Fertigstellung und Nutzung des gleichen Bauwerks dienen; auch sämtliche Optionen – z. B. Eventualpositionen – und Beistellungen des Auftraggebers). Ob diese Leistungen dann gleichzeitig oder – als getrennte Lose oder Gewerke – zeitlich abfolgend ausgeschrieben werden, ist irrelevant.

Der Auftraggeber hat den Spielraum, dass er sich – aus technischen, rechtlichen oder sonstigen sachlichen Gründen – dafür entscheiden kann, ob er alle Leistungen gemeinsam ausschreibt oder nicht, aber für jede getrennte Ausschreibung gilt der geschätzte Auftragswert des Gesamtvorhabens.

Von diesem Grundsatz machen die sogenannten „Losregeln“ folgende Ausnahmen:

• Wenn der Gesamtauftragswert im Unterschwellenbereich (also unterhalb der Anwendbarkeit der EU-Vergaberichtlinien) liegt, ist für jede Einzelausschreibung nur der jeweilige Losauftragswert ausschlaggebend.

• Wenn der Gesamtauftragswert im Oberschwellenbereich liegt, dürfen Lose bis zu 20 Prozent des Gesamtauftragswerts, sofern das einzelne Los nicht über eine Million Euro liegt, nach den Regeln des Unterschwellenbereichs vergeben werden.

Die Rechtsfolgen

Nach der Höhe des geschätzten Auftragswerts (ohne Umsatzsteuer) entscheidet sich, welche Verfahrensarten zulässig sind. An diesen Verfahrensarten hängen wiederum die entsprechenden Mindestangebotsfristen und eine Vielzahl anderer Bestimmungen über den Inhalt und Ablauf des Vergabeverfahrens.

Sektorenauftraggeber genießen demgegenüber die Erleichterung, dass sie das Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung immer wählen dürfen und im Unterschwellenbereich alle Verfahrensarten (ausgenommen Direktvergabe), sofern „ein angemessener Grad von Öffentlichkeit“ gewährleistet wird.

Angebote über dem geschätzten Auftragswert

Wenn alle Angebote wesentlich über dem geschätzten Auftragswert liegen, darf der Auftraggeber das Vergabeverfahren wider­rufen. Wenn das daran liegt, dass der Auftragswert nicht fach­kundig geschätzt wurde, darf er trotzdem widerrufen, wird aber unter Umständen den Bietern für die Kosten der Angebotserstellung schadenersatzpflichtig.

Eine Auswirkung auf die vom Auftraggeber gewählte Verfahrensart tritt grundsätzlich nicht ein, da die Bieter die Wahl der Verfahrensart bereits vor Angebotsabgabe anfechten müssen, wenn sie diese für rechtswidrig halten.

Die aktuellen Schwellenwerte für Bauaufträge lauten wie folgt:

Schwellenwert zulässige Verfahrensarten („Regelverfahren“)
≥ EUR 5.548.000,– (Oberschwellen­bereich) offenes Verfahren, nichtoffenes 

Verfahren mit Bekanntmachung 

(jeweils EU-weite Bekanntmachung)
< EUR 5.548.000,– offenes Verfahren, nichtoffenes Verfahren 

mit Bekanntmachung
< EUR 1.000.000,– zusätzlich: Verhandlungsverfahren mit 

Bekanntmachung, nichtoffenes Verfahren 

ohne Bekanntmachung
< EUR 500.000,– zusätzlich: Direktvergabe mit Bekanntmachung
< EUR 100.000,– zusätzlich: Verhandlungsverfahren ohne 

Bekanntmachung, Direktvergabe

Branchen

Bau

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