Der sogenannte „versteckte Mangel“
Wie lange nach Übergabe kann der Auftraggeber (AG) gegenüber dem Auftragnehmer (AN) Ansprüche aufgrund von Mängeln geltend machen?
Der AN wird vom AG mit Baumeisterarbeiten bei einem Einfamilienhaus beauftragt. Acht Jahre nach Übergabe des Gebäudes treten verschiedene Mängel auf (Fliesen lösen sich; Setzungsschäden etc.). Der AG steht auf dem Standpunkt, dass es sich um versteckte Mängel handelt, die bei Übergabe nicht erkennbar waren. Daher hätte er – trotz Ablauf der Gewährleistungsfrist – noch Anspruch auf Verbesserung.
Gewährleistung
Der AN leistet dafür Gewähr, dass das von ihm hergestellte Werk dem Vertrag entspricht. Die Gewährleistungsfrist für Mängel beginnt – mangels abweichender Vereinbarung – ausnahmslos mit Übergabe der Sache zu laufen. Sie beträgt bei unbeweglichen Sachen gemäß § 933 ABGB drei Jahre. Wird der Mangel erst nach Ablauf der Gewährleistungsfrist erkannt, hat der AG keinen Anspruch mehr auf Gewährleistung.
Es gibt allerdings Mängel, die bei Übergabe schon ihrer Natur nach nicht erkennbar bzw. feststellbar sind. Betreffen diese vertraglich zugesicherte Eigenschaften, von denen die Parteien annehmen müssen, dass ihr Vorhandensein erst einige Zeit nach der Ablieferung festgestellt werden kann, kann im Einzelfall die Gewährleistungsfrist erst mit der Erkennbarkeit des Mangels zu laufen beginnen. Zu denken ist an Vertragsgegenstände, zu deren geschuldeten Eigenschaften die Haltbarkeit über mehrere Jahre gehört wie Baumaterial, Tanks, Dachziegel oder Dachfolien. Aber auch hier gilt: Eine über die Gewährleistungsfrist hinausgehende Verlängerung der Gewährleistung muss gesondert vereinbart worden sein. Ergibt sich eine längere Haltbarkeitsdauer „nur“ aus den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften (oder dem Verwendungszweck), kann noch nicht von einer stillschweigenden Verlängerung der Gewährleistung ausgegangen werden.
Alternativanspruch Schadensersatz
Statt Gewährleistung kann der AG bei Verschulden des AN auch Schadenersatz fordern (§ 933a ABGB). Schadenersatzansprüche verjähren nach drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, maximal aber nach 30 Jahren. In den ersten zehn Jahren nach Übergabe wird das Verschulden bei Nichterfüllung vertraglicher Leistungspflichten gemäß § 1298 ABGB vermutet. In der Praxis bedeutet das, dass der AN in den ersten zehn Jahren nach Übergabe beweisen muss, dass er sein Werk fachgerecht hergestellt hat. Hier kommen in der Praxis sehr oft die Regeln der Technik ins Spiel. Die Einhaltung der Regeln der Technik durch den AN kann nämlich ein Verschulden an der Schlechtleistung ausschließen.
Gemäß § 933a ABGB kann der AG auf Grundlage des Schadenersatzrechts zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch verlangen. Er kann Geldersatz verlangen, wenn sowohl die Verbesserung als auch der Austausch unmöglich ist oder für den AN mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Dasselbe gilt, wenn der AN die Verbesserung oder den Austausch verweigert oder nicht in angemessener Frist vornimmt, wenn diese Abhilfen für den AG mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wären oder wenn sie ihm aus triftigen, in der Person des AN liegenden Gründen unzumutbar sind.
In diesem Zusammenhang ist auf die Besonderheiten bei Vereinbarung der ÖNorm B 2110 hinzuweisen: Gemäß Punkt 12.3.1 ist der Schadenersatz (bei leichter Fahrlässigkeit) bei einer Auftragssumme bis 250.000,00 Euro mit 12.500,00 Euro und bei einer Auftragssumme über 250.000,00 Euro mit fünf Prozent der Auftragssumme, jedoch höchstens 750.000,00 Euro begrenzt. Auch aus diesem Grund empfiehlt sich für AN die Vereinbarung der ÖNorm B 2110 als Vertragsgrundlage.
Fazit
Gewährleistungsansprüche verjähren drei Jahre nach Übergabe, wenn keine anderslautende Vereinbarung getroffen wurde. Durch die weitgehende Angleichung des Schadendersatzrechts an das Gewährleistungsrecht kann der AG über 30 Jahre Schadenersatz für Mängel fordern, sofern die Voraussetzungen für den Schadenersatzanspruch, insbesondere ein Verschulden des AN, vorliegen.
Zum Autor
Dr. Bernhard Kall
ist Partner bei Willheim Müller Rechtsanwälte
Rockhgasse 6, A-1010 Wien
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