Innovation

Es werde Licht im Tunnel

Projekt
03.09.2024

Aktualisiert am 05.09.2024
Mit dem "Welcome to Yourself"-Tunnel für den Biogena-Flagshipstore in der Salzburger Altstadt setzte die oberösterreichische Tischlerei Roither ein spannendes Projekt um, das es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat - und wurde dafür mit dem oberösterreichischen Handwerkspreis ausgezeichnet.
Biogena Tunnel
Der multisensorische Tunnel ist mit Edelstahl verkleidet und ausgestattet mit Licht, gebogenen Bildschirmen, Spiegeln, Lautsprechern, Nebelmaschinen und Glasflächen. Dieses Projekt verlangte vom Team der Tischlerei Roither eine präzise Fertigungsplanung sowie höchste Handwerkskunst und Genauigkeit.

Diesmal ist er dezidiert erwünscht, der – ansonsten nicht unbedingt positiv konnotierte – Tunnelblick. Oder vielmehr der Blick in den Tunnel, dessen Planung und Herstellung von den beteiligten Gewerken einen weiten Blick über den Tellerrand erforderte.

Acht Meter Herausforderung

Biogena Tunnel
Perfekte Abstimmung der Gewerke: Der Aufbau wurde in der Lagerhalle der Tischlerei geprobt – so gab es beim Zusammenbau vor Ort auf engstem Raum keine unliebsamen Überraschungen.

Die Tischlerei Roither mit Sitz in Gampern im Bezirk Vöcklabruck stellte sich der Herausforderung, einen acht Meter langen Holztunnel anzufertigen, den es in dieser Ausführung noch nicht gegeben hat. Mit einer präzisen Planung und Berechnung der Statik sowie der Anfertigung eines Prototypen schuf man eine gute Startbasis für den nach Plänen des Designstudios Riebenbauer und unter der Projektleitung der Firma Attraktion umgesetzten Auf trag. Den multisensorischen Holzdurch gang, ausgestattet mit Licht, Bildschirmen, Spiegeln, Lautsprecherboxen und Nebelmaschine beauftragte der österreichische Hersteller von Nahrungsmittelergänzungsprodukten und Vitaminpräparaten Biogena für den "Brandbase Store 01" in der Stadt Salzburg. Der Tunnel wurde in der Tischlerei gefertigt, aufgebaut, getestet und schließlich – wieder in seine Einzelteile zerlegt – in die Getreidegasse geliefert und zusammengebaut. Soweit die Kurzversion der Geschichte. Aber wie kam es genau zu diesem Projekt? Wo lagen die Besonderheiten bei Planung und Umsetzung? Und wer steckt hinter dem Betrieb, der sich an diese Neuheit wagte?

Volle Identifikation

Tischlerei Roither
"Der Handwerkspreis wiegt für uns wie ein Kitzbühel Sieg für einen Schifahrer – das kann uns keiner mehr nehmen. Die erfolgreiche Umsetzung dieses spannenden Projekts und Auszeichnungen wie diese bestätigen uns in unserem Weg", sagt Hermann Roither (links im Bild), der den Familienbetrieb in Gampern gemeinsam mit seinem Bruder Christian Roither seit 2016 führt.

Hermann Roither führt gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Christian Roither in fünfter Generation die Möbeltischlerei, die die beiden 2016 von ihren Eltern Berta und Hermann Roither sen. übernommen haben. Beide Brüder absolvierten die HTL für Innenarchitektur und Holzgestaltungen in Hallstatt, danach trennten sich die Ausbildungswege: Hermann studierte an der Fachhochschule (FH) in Kuchl Design- und Produktmanagement, Christian zog es nach Wien an die Technische Universität (TU) zum Architekturstudium. Beide sammelten nach den Abschlüssen praktische Berufserfahrung im In- und Ausland. "Als mein Vater darüber nachdachte, die Leitung des Betriebs weiterzugeben, entschieden wir uns gemeinsam, die Führung zu übernehmen und das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Wir sind mit der Tischlerei aufgewachsen und konnten uns damit immer voll identifizieren. Druck in Richtung Übernahme gab es von unseren Eltern definitiv nie", erinnert sich Hermann Roither. Die Seniorchefs sind nach wie vor im Betrieb aktiv, wenn die "Juniors" ihr Ding durchziehen, mischen sie sich allerdings nicht ein. In der Geschäftsführung des 14-Mitarbeiter*innen starken Unternehmens sind die Rollen klar verteilt: Christian, der eben falls im Verkauf tätig ist, trägt die Hauptverantwortung für die Gestaltung und koordiniert die Planungsarbeiten gemeinsam mit der angestellten Innenarchitektin. Hermann hingegen ist für den Ein- und Verkauf zuständig, pflegt die Kundenbeziehungen und stellt sicher, dass der Betrieb reibungslos läuft.

Eigene Identität

Das Unternehmen war bei der Übernahme gut aufgestellt, eines der ersten Ziele war es, den Maschinenpark weiterzuentwickeln und auf das nächste Level zu bringen. "Wir haben massiv in die Fertigung investiert, den ganzen Maschinenpark erneuert bzw. ergänzt, u.a. in zwei Schritten zwei CNC Bearbeitungszentren angeschafft. In weiterer Folge haben wir eine Lagerhalle dazu gebaut, letztes Jahr folgte ein Aufenthalts raum für die Mitarbeiter*innen, heuer steht noch der Umbau des Schauraums und eine Umstrukturierung des Lagers an" berichtet Hermann Roither. Als "begleitende Maßnahme" definierte man die Werte neu, für den Außenauftritt wurde das Logo geändert. "Wir bauen uns sukzessive eine eigene Identität auf. Dafür setzen wir auf Synergien zwischen Handwerk und Architektur und legen Wert auf höchste Qualität in Planung und Fertigung“, beschreibt der 41-Jährige die Ansprüche, die sich auch im adaptierten Firmennamen „Roither Tischlerei – Architektur“ widerspiegeln.

Raus aus der Komfortzone

Umgesetzt werden zu 80 Prozent Projekte im klassischen Innenausbau in der Region, aber auch in den angrenzenden Bundesländern, die sich aus dem umfangreichen Netzwerk ergeben. So kam man auch zu dem Auftrag für den Biogena-Tunnel: "Wir haben mit der Welser Firma Attraktion, die sich auf die Gestaltung von Raumerlebnissen spezialisiert hat, schon einiges umgesetzt. Und über diesen Kontakt kam auch der Auftrag für Biogena zustande", so Hermann Roither. Beim Projekt "Welcome to Yourself"-Tunnel brachte man das bestehende Know-how ein, wagte sich aber auch "heraus aus der Komfortzone". Dieser Mut, neues Terrain zu beschreiten, wurde 2023 mit dem OÖ Handwerkspreis im Bereich Innovation & Digitalisierung belohnt. "Die Riesenherausforderung war, dass wir keine Erfahrungswerte hatten. Aber genau das machte auch den speziellen Reiz aus. Das gesamte Team stand mit viel Herzblut dahinter, das hat großen Spaß gemacht", ist Roither stolz auf den gemeinsamen Erfolg.

Gesundheit erleben

Biogena Tunnel
Technik inside: gebogene Bildschirme, ein leuchtender Glasboden

Mit einem klassischen Tunnel-Bau hat das Projekt nichts am Hut. Vielmehr geht es um ein "ganzheitliches Gesundheitserlebnis", wie es Auftraggeber Biogena auf der Firmenwebseite beschreibt: "Das Highlight des neuen Standorts ist die "Welcome-to Yourself-Tube", die beim Durchschreiten die bewusste multisensorische Auseinandersetzung mit der Zukunft der eigenen Gesundheit und des Wohlbefindens ermöglicht. Kundinnen und Kunden sollen ihren persönlichen Stress sowie das Getümmel der Getreidegasse hinter sich lassen und sich in einer besonderen Atmosphäre auf ihr Wohlbefinden fokussieren."

Möglichkeiten ausloten

"Es gab Wünsche und Vorstellungen, wie das Endergebnis aussehen soll. Den Weg dorthin haben wir gemeinsam erarbeitet. Unter anderem mit einem Kickoff-Meeting bei uns und einer Begutachtung der Gegebenheiten vor Ort in Salzburg", berichtet Hermann Roither. Im Rahmen des rund halbjährigen Vorlaufs baute man Prototypen, um die Materialmöglichkeiten auszuloten und die Auswirkungen diverser Kombination abzutesten. Im Endeffekt wählte man für die Grundkonstruktion aus Holz biegsames und stabiles MDF Plattenmaterial. In der Mitte ist ein Glasboden auf die Metallkonstruktion eingeständert, am Plafond ist eine Spiegeldecke eingebaut.

Biogena Tunnel
Die gebogenen Wandelemente sind aus stabilen MDF Platten gefertigt.

Zusammenarbeit der Gewerke

Biogena Tunnel
Beim Projekt war ein perfektes Zusammenspiel der Gewerke gefragt.

"Der Testaufbau in unserer Lagerhalle war sehr hilfreich. Hier hatten wir genug Platz und die anderen Gewerke konnten schon einige Komponenten wie z. B. den Glasboden oder die Beleuchtung fix einbauen", berichtet der Geschäftsführer. Auch konnten noch Anpassungsarbeiten u.a. für die Stromanschlüsse und Revisionsöffnungen für die Technik-Wartung ergänzt werden – in der Lagerhalle kein großes Ding, direkt vor Ort hätten die Adaptionen wohl mehr Aufwand erfordert. Alle Beteiligten hatten so bereits ein Bild im Kopf, als man den Tunnel – quasi wie ein Puzzle - im Store wieder zusammenfügte.

Edel ummantelt

Der "Überzug" der Holzkonstruktion stellte die Planenden vor eine eigene Herausforderung: „An der Hülle – gewünscht war eine Ummantelung ohne sichtbare Stöße – haben wir eine Zeit lang getüftelt. Die Überlegungen zu Folieren, einen Schichtstoff aufzubringen oder zu lackieren waren allesamt nicht zufriedenstellend. Im Salzburger Schlosser Gregor Joham haben wir dann den perfekten Partner für diese heikle Aufgabe gefunden, er hat für uns die Edel stahlhaut hergestellt und den Tunnel damit überzogen", sagt Hermann Roither. Nachdem die Materialität geklärt war, galt es, die Produktion zu planen: "Wir hatten zum Glück kurz zuvor eine Nestingmaschine angeschafft. So konnten wir die Bögen effizient und qualitativ hochwertig fertigen", so Roither, für den sich mit dem Projekt gleichzeitig eine gute Gelegenheit ergab, die Möglichkeiten der Maschinen auszuloten: "Durch solche nicht alltäglichen Projekte lernt man unglaublich viel, die Erfahrungen helfen, für neue Aufgaben schneller Lösungen parat zu haben."

Exaktes Zeitmanagement

Nicht nur der Bau, sondern auch der Transport und der Aufbau waren "eine Sache für sich". In die Salzburger Getreidegasse ist eine Zufahrt mit einem großen Lkw nicht möglich, der schmale Eingangsbereich und die begrenzte Raumhöhe in dem historischen Gebäude schlossen eine Anlieferung im Ganzen aus. So wurde der Tunnel in Einzelteilen geliefert und vor Ort, auf engstem Raum, durch das Team Roither gemeinsam mit Elektrikern, Schlossern und Glasern zusammengebaut. Damit auch wirklich alles glatt läuft, gab es einen Probeaufbau und eine erste Inbetriebnahme in der Werkstatt der Tischlerei – unter den wachsamen Augen aller Projektbeteiligten. Auch beim Zeitmanagement durften keine Fehler unterlaufen, "wir mussten die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt vor Ort haben".

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