Graue und schwarze Schafe

21.11.2018

Als schwarze Schafe werden Bieter bezeichnet, die nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG) wegen mangelhafter Ausführung früherer ­Aufträge aus einem Vergabeverfahren auszuschließen sind.

Ob ein echtes Schaf schwarz ist, kann in der Natur (außer in der Nacht) schnell erkannt werden. Ob ein Bieter auszuschließen ist, ist zu keiner Tageszeit leicht zu erkennen. Aus Sicht mancher Auftraggeber sind alle Bieter mindestens dunkelgrau – und „weiße Schafe“ bereits ausgestorben. Die Sichtweise der Bieterseite ist natürlich anders.

Die gesetzliche Regelung

Als schwarzes Schaf gilt, wer „bei der Erfüllung einer wesentlichen Anforderung im Rahmen eines früheren Auftrages erhebliche oder dauerhafte Mängel erkennen lassen hat, die die vorzeitige Beendigung dieses früheren Auftrages, Schadenersatz oder andere vergleichbare Sanktionen nach sich gezogen haben“ (§ 78 Abs 1 Z 9 BVergG bzw § 249 Abs 2 Z 8 BVergG im Sektorenbereich).

So weit, so unklar. Was ist eine „wesentliche Anforderung“, was sind „erhebliche“ oder „dauerhafte“ Mängel, und was sind „vergleichbare Sanktionen“ im Verhältnis zur vorzeitigen Vertragsbeendigung oder zum Schadenersatz?

Klar ist eines: Diese Begriffe kommen aus den EU-Vergabericht­linien und sind unabhängig von Bedeutungen der nationalen Rechtsordnungen auszulegen. „Mängel“ heißt nicht, dass es nur um Mängel nach österreichischem Gewährleistungsrecht geht (das wäre zu eng). „Schadenersatz“ wiederum kann nicht alles sein, was nach österreichischem Zivilrecht Schadenersatz ist, da fast jeder Baumangel auch vom Ausführenden verschuldet wurde, was hier aber nicht gemeint sein kann.

Die praktische Bedeutung

Wie weit diese Regelung ausgelegt wird, kann gravierende Auswirkungen auf die Praxis haben: Bei sehr weiter Auslegung hätte ein Auftraggeber eine weitgehende Möglichkeit, Bieter auszuschließen, mit deren Tätigkeit er – oder andere Auftraggeber – in der Vergangenheit „unzufrieden“ war. Bei sehr enger Auslegung käme ein vom Auftraggeber durchsetzbarer Ausschluss kaum in Betracht.

Von zentraler Bedeutung dafür ist auch die Frage, welche Beweislast der Auftraggeber in diesen Fällen hat. Die Formulierung des Gesetzestextes legt nahe, dass er das Vorliegen des Ausschlusstatbestands tatsächlich nachweisen muss. Die Diskussion darüber ist in Deutschland (wo die EU-Vergaberichtlinien rechtzeitig, also schon vor zwei Jahren, umgesetzt wurden und daher bereits einige Gerichtsentscheidungen dafür vorhanden sind) bereits weit fort­geschritten. So wird dort auch eine Meinung vertreten, dass es ausreichen sollte, wenn der Auftraggeber „Indiztatsachen“ vorbringt, die seine Ausschlussentscheidung nachvollziehbar erscheinen lassen. Das wäre aber mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren.

Wirklich geklärt werden diese Unsicherheiten bezüglich des Gesetzes­inhalts voraussichtlich erst dann, wenn und soweit der Europäische Gerichtshof selbst die EU-Richtlinien auslegt.

Ein Beispielfall

Eine Entscheidung in Deutschland (OLG Düsseldorf 28.3.2018, VII-Verg 49/17) hat einen solchen Ausschluss eines Bieters als richtig bestätigt. Im Anlassfall war der Auftraggeber von einem früheren Vertrag mit diesem Bieter (damals Auftragnehmer) zurückgetreten, weil dieser wesentliche Leistungen trotz mehrfacher Aufforderung nicht rechtzeitig erbracht hatte. Der damalige Auftragnehmer hatte zwar auch angezeigt, dass er bei der Erbringung dieser Leistungen durch Gründe aus der Sphäre des Auftraggebers behindert wäre, hatte aber nach dieser Behinderungsanzeige selbst einen neuen ­Termin für diese Leistungen vorgeschlagen, den er dann nicht ­eingehalten hat. Die Wesentlichkeit der „Mängel“ war offenbar klar, da mit den nichterbrachten Leistungen und den Ver­zögerungen ein hoher Schaden für den Auftraggeber verbunden war.

Da die frühzeitige Beendigung des Auftrags ausdrücklich im Gesetz genannt ist, ist diese Entscheidung wohl richtig – und die Sache würde voraussichtlich auch in Österreich genauso beurteilt.

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