Judikatur-Update: Mitverschulden des AG wegen beigezogener Gehilfen?
Nicht in jedem Fall führen untaugliche Vorgaben eines fachkundigen Gehilfen des Auftraggebers zu einem Mitverschulden, so eine neue OGH-Entscheidung.
Der OGH musste sich in einer jüngsten Entscheidung mit der Frage auseinandersetzen, ob sich der Auftraggeber (AG) bei einer Prüf- und Warnpflichtverletzung eines seiner Auftragnehmer (AN) das Fehlverhalten eines anderen fachkundigen Gehilfen als Mitverschulden anrechnen lassen muss.
OGH-Entscheidung vom 20. 2. 2018, 4 Ob 246/17f
Der beklagte Architekt war beim gegenständlichen Bauvorhaben, welches die Aufstockung eines Betriebsgebäudes des AG zum Gegenstand hatte, u. a. mit der Erstellung der Polierpläne beauftragt. Laut dem im Verfahren festgestellten Sachverhalt wusste der Architekt, dass die für den Erweiterungsbau erstellte Statik mit einer Trägerhöhe des bestehenden Leimbinders fälschlicherweise mit 1,70 m statt mit 1,25 m berechnet worden war. Die statischen Berechnungen wurden im Auftrag des AG von einem Statiker beigestellt. Der Architekt legte die (unrichtigen) Berechnungen seiner Planung zugrunde.
Im Wissen um die falsche Berechnungsprämisse des Statikers in einem entscheidenden Punkt (Höhe des Bestandsträgers) durfte sich der Architekt nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht mehr ohne weiteres auf die Richtigkeit der Statik verlassen, die Grundlage für seine planerische Tätigkeit war. Das Berufungsgericht bejahte eine schuldhafte Verletzung der Warnpflicht nach § 1168a ABGB durch den Architekten, der in dieser unklaren Situation die statischen Belange unreflektiert übernommen hatte, ohne Rücksprache mit dem Statiker zu halten oder seine Bedenken dem AG mitzuteilen. In der Berufung monierte der Architekt, dass das Erstgericht die Versäumnisse des Statikers dem AG nicht als Mitverschulden zugerechnet hatte.
Zum Mitverschulden
Im Allgemeinen wird der Schadenersatzanspruch des Geschädigten, den ein Mitverschulden trifft, um den Anteil seiner eigenen Verantwortung gekürzt. Im gegenständlichen Verfahren machte der Architekt geltend, dass die mangelhafte Leistung des Gehilfen (Statikers) dem AG zuzurechnen sei, was zu einer Kürzung des Schadenersatzanspruches hätte führen müssen. Grundsätzlich werden Erfüllungsgehilfen dem Werkbesteller bzw. dem AG gemäß § 1313a ABGB umfassend zugerechnet. Nach der jüngeren Rechtsprechung muss sich der AG aber nicht jedes Verschulden eines von ihm beigezogenen sachverständigen Gehilfen anrechnen lassen. Ein Mitverschulden kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn der AG Pflichten oder Obliegenheiten verletzt, die aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung oder nach der Verkehrsübung den AG selbst treffen oder die er nachträglich übernommen hat.
Die Beiziehung eines fachkundigen Gehilfen per se führt allein deshalb also noch nicht zum Entstehen weiterer Pflichten oder Obliegenheiten des AG. Entscheidend ist, ob den AG diese Pflichten oder Obliegenheiten persönlich, also unabhängig vom Beiziehen des Gehilfen, getroffen haben. Nach Meinung des OGH ist dies vor allem dann der Fall, wenn der AG die Herstellungsmethode oder die Art der Ausführung vorgibt, ohne dass er an der fachlichen Ansicht oder Kritik der Ausführungsart durch den AN interessiert wäre. Im Verfahren konnte der Architekt jedenfalls nicht nachweisen, dass der AG die Art der Ausführung auf eine solche Weise vorgegeben hatte, wie dies für eine Zurechnung des Mitverschuldens notwendig gewesen wäre. Damit verneinte auch der OGH ein Mitverschulden des AG aufgrund der unrichtigen Vorgaben des Statikers. Im Ergebnis exkulpiert dies den Gehilfen des AG (Statiker) freilich nicht. Leistet der AN bzw. im vorliegenden Fall der Architekt für den gesamten Schaden Ersatz, steht diesem ein Regressanspruch gegen den Statiker zu, dessen Höhe sich nach der Schadensverursachung und dem Verschulden des Gehilfen richtet.
Fazit
Aus der jüngsten Entscheidung des OGH (Entscheidung vom 22. 2. 2018, GZ:4 Ob 246/17f) folgt, dass der AN gut beraten ist, die Vorleistungen anderer am Bau Beteiligter genau zu prüfen. Hierbei sollte bereits auf Unklarheiten hingewiesen werden. Denn nur wenn der AG erkennbar kein Interesse an der Mitwirkung des Werkunternehmers hat, wenn z. B. die Ausführungsplanung exakt vorgegeben ist und für den AN keine Änderungs- bzw. Ergänzungsmöglichkeiten bestehen, muss sich der AG ein Fehlverhalten seiner Gehilfen zurechnen lassen.