Bürokratieabbau

Kampf gegen die Bürokratie

11.02.2025

Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO, kämpft gegen die Bürokratie. Ihre Forderung: Mehr Mut zur Eigenverantwortung der Unternehmer.

Frau Scheichelbauer-Schuster, Sie fordern von der neuen Regierung eine „richtige Balance aus Konsolidierung und Wachstum“. Wie sollte diese Balance ausschauen? Was sind hier die wichtigen Schlagworte?

Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKO.
Renate Scheichelbauer-Schuster: Weniger Bürokratie. Copyright: WeinwurmFotografie

Wir haben eine einzigartige Serie schwerwiegender Krisen erlebt: Corona, Lieferketten­probleme, Ukraine-Krieg, Energie-Krise, Hochinflation. Jede Unternehmerin und jeder Unternehmer hat Verständnis dafür, dass die öffentliche Hand sparen muss. Gleichzeitig stecken wir aber in der längsten Rezession der Nachkriegszeit. Es braucht daher einen intelligenten Mix aus Konsolidierung und gezielten Wachstumsimpulsen. Bürokratie-Abbau ist dafür ideal, weil er Freiräume schafft und nichts kostet.

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430 Millionen Entlastung

Über weniger Bürokratie würde sich kein Baumeister beschweren. Aber was bringt weniger Bürokratie wirklich für Effekte? Können Sie das in Zahlen ausdrücken?
Ja, KMU Forschung Austria hat das für das Gewerbe und Handwerk in Österreich berechnet: Ein Zurückfahren des bürokratischen Mehraufwandes um nur 10 Prozent könnte unsere Betriebe um 430 Mio. Euro pro Jahr entlasten und 4.200 Vollzeitbeschäftige für produktive Tätigkeiten freispielen. Ein effektiveres und günstigeres Konjunkturpaket ist nicht vorstellbar!

Sie haben kürzlich gesagt, dass sie bei der EU-Kommission konkrete Maßnahmen einmahnen werden. Was wünschen Sie sich von der EU? Wo sollte sie ansetzen?
In der vergangenen Periode sind von der EU viele Belastungen gekommen, beispielsweise Lieferkettenrichtlinie, Entwaldung, Green Claims oder Ökodesign. Dabei wurde der Bogen überspannt. Die Berichte von Mario Draghi und Enrico Letta, die Europas Schwächeln analysieren, haben viele in Brüssel und Straßburg aufgerüttelt. Erst vor wenigen Tagen hat die Kommission den EU-Wettbewerbskompass präsentiert. Ich sehe da ein ehrliches Bemühen, die Stimme der Wirtschaft zu hören. Ein „Omnibus-Gesetzespaket“ soll die ärgsten Fehlentwicklungen bereinigen, die Berichtspflichten sollen um 25 Prozent, für KMU um 35 Prozent sinken. Das ist ein guter Anfang.

Kein Gold-Plating

Die EU spielt sicher eine wichtige Rolle bei diesem Thema. Aber Bürokratie können wir in Österreich auch ganz alleine ganz gut. Wo wünsche sie sich hier Reformen?
Unsere Betriebe leiden massiv unter Überregulierung. 62 Prozent sehen Bürokratie und regulatorische Anforderungen als Wachstumsbremse. Das ist gerade jetzt, wo wir im Gewerbe und Handwerk seit fünf Jahren ein reales Umsatzminus verzeichnen, inakzeptabel. Gold-Plating, also die Übererfüllung europäischer Vorgaben, muss vermieden und österreichische Rechtsvorschriften auf Vereinfachung durchforstet werden.

Was kann man auf Ebene von Bund, Ländern und Gemeinden vereinfachen und vereinheitlichen?
Österreichs Föderalismus hat seine Stärken, wo Subsidiarität wirklich gelebt wird – es gibt aber Mehrgleisigkeiten und viele Regelungen sind zu komplex. Mein Gefühl ist: Es kommt etwas in Bewegung. In den Regierungsverhandlungen sind Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit dominierende Themen. Bürokratie-Abbau ist natürlich eine Querschnittsmaterie – wie und mit welchen Ressourcen man diese in Angriff nimmt, muss politisch entschieden werden.

Was hielten Sie beispielsweise von einer bundesweiten Bauordnung?
Genau das wäre ein wichtiges Thema: Wo sind unterschiedliche Bau- und Raumplanungsgesetze in den Bundesländern sachlich gerechtfertigt und wo nicht?

Können Sie mir einige Beispiele nennen, wo die Bürokratie besonders ärgerlich ist und relativ einfach zu reduzieren wäre?
Drei für den Bau relevante Beispiele: Bei der Aufzeichnung der Abfallströme ließe sich das Online-System EDM sicher verschlanken und deutlich nutzerfreundlicher gestalten. Das würde die Bauwirtschaft entlasten, ohne die Kreislaufwirtschaft zu gefährden. Die Subschwellenwerte für vereinfachte Vergabeverfahren werden jetzt immer nur befristet festgelegt, dadurch fehlt Planungssicherheit und entsteht administrativer Mehraufwand. Eine dauerhafte Implementierung und laufende Valorisierung würden einfach Abhilfe schaffen. Und: Dass für die Sachbezugsbefreiung von Montage- und Spezialfahrzeugen extra ein Fahrtenbuch geführt werden muss, ist ein unverhältnismäßiger Aufwand. Auf EU-Ebene: Bei den Green-Deal-Gesetzen wäre es leicht, zur früher üblichen Praxis zurückzukehren. Da war jenes Unternehmen, das Rohstoffe oder Waren als Erstes in der EU in Umlauf brachte, dafür verantwortlich, die Gesetzmäßigkeit zu prüfen und dokumentieren. Alle weiterverarbeitenden Unternehmen konnten sich darauf verlassen. Jetzt muss jeder Betrieb aufs Neue alles dokumentieren. Das ist völlig unverhältnismäßig.

Gibt es internationale Best-Practise-Beispiele, wo es gelungen ist, die Bürokratie mit relativ einfachen Maßnahmen zu bändigen?
Es gibt gute Ansätze wie „one in, two out“, wo für jede neue Belastung zwei alte abgeschafft werden. Oder Regelungen mit Ablaufdatum. Italien hat zum Beispiel 2015 auf einen Schlag 200.000 Regulierungen entsorgt. Auch die Digitalisierung bietet mit One-stop-Shop-Lösungen Entlastungspotenzial. Gerade in der elektronischen Verwaltung war Österreich lange ein Vorreiter. Und mir gefällt der EU-Vorschlag von „Reality Checks“:  Alle Gesetzesregelungen sollten aus Sicht von KMU formuliert werden. Schließlich sind mehr als 99 Prozent der Unternehmen in der EU und in Österreich Klein- und Mittelbetriebe! Wir werden diese Ideen der EU-Kommission im März 2025 bei der European Craft Conference in München gemeinsam mit Handwerksverbänden aus acht weiteren Ländern vorlegen.

Gibt es einen Aspekt, der ihnen besonders wichtig ist?
Ja! Mir ist der Hinweis wichtig, dass Dokumentations- und Berichtspflichten wichtige Funktionen haben können und sich nie auf null reduzieren lassen. Aber ich hätte gerne wieder mehr Mut zu Eigenverantwortung, anstatt jedem Unternehmer vorsorglich das Schlimmste zu unterstellen. Ein Klima des generellen Misstrauens erstickt jede Innovation. Papierkram darf nie zum Selbstzweck werden. Wir möchten unsere Arbeit machen und uns um Menschen kümmern, nicht um Formulare!

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