Portrait
In sicherer Hand
Manchmal wird im Leben viel schneller alles anders, als man es ursprünglich geplant hat. Im Fall der Tischlerei Moser war es ein familiärer Schicksalsschlag, der die Zukunft des Traditionsbetriebs auf die Probe stellte. 1987 von Andreas Moser gegründet, ist das Unternehmen im Zillertaler Uderns eine verlässliche Adresse für hochwertige Projekte im Bereich Innenausbau – durch eine lebensbedrohliche Diagnose für den Gründer im Jahr 2013 steht die Familie und damit auch die Zukunft des Betriebs vor ganz neuen Herausforderungen. Für Carina Moser, die seit jungen Jahren immer wieder im Büro aushilft, ist schnell klar, dass sie das Erbe ihres Vaters antreten wird. Und so ist es dann auch gekommen: Nach dem Tod von Andreas Moser im Jahr 2016 übernimmt die gelernte Tourismuskauffrau und Dolmetscherin den Betrieb. „Für die gesamte Familie war einfach klar, dass wir das, was mein Vater aufgebaut hat, am Leben erhalten wollen“, erzählt die heute 28-Jährige.
Learning by Doing
Für sie war das ein veritabler Sprung ins kalte Wasser, schließlich war eigentlich ein ganz anderer beruflicher Werdegang in Planung. Mit tatkräftiger Unterstützung von Mutter Romy Moser, ihrem Partner Patrick und dem gesamten Team steigt die Tirolerin quasi von heute auf morgen als Jungunternehmerin in den Betrieb ein. „Dabei ging es uns neben dem Fortbestand des Unternehmens auch um die Erhaltung von Arbeitsplätzen unserer fünf Mitarbeiter“, erzählt Moser im Gespräch mit dem Tischler Journal. Zwei Facharbeiter, ein Hilfsarbeiter und zwei Lehrlinge sind derzeit im Betrieb beschäftigt. „Einer unserer Mitarbeiter ist seit dem ersten Tag im Haus – er war und ist mir nach wie vor eine unglaubliche Stütze.“ Mittlerweile hat sich Carina Moser nicht nur in ihre Rolle eingefunden, sie fühlt sich auch so richtig wohl darin: „Als ich mit Anfang 20 den Betrieb übernommen habe, war ich natürlich in vielen Dingen nicht so erprobt“, lacht sie. „Aber man wächst einfach rein, Schritt für Schritt habe ich mir viele Dinge angeeignet, um die Tischlerei im Sinne meines Vaters weiterzuführen. Er ist dabei auch ein gutes Beispiel für mich – schließlich hat auch er schon in sehr jungen Jahren mit 18 den Betrieb gegründet.“ Mittlerweile sitzt Carina Moser auch selbst vor dem Reißbrett oder plant über CAD neue Projekte für ihre Kund*innen, die Produktion läuft wie am Schnürchen. „Natürlich passieren dabei auch Hoppalas im Laufe der Zeit – sonst lernt man ja nichts, oder?“, schmunzelt sie. Neben dem Miteinander im Betrieb war für sie auch die Unterstützung der umliegenden Betriebe in der Region ein großes Geschenk. „Der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Betrieben war und ist nach wie vor eine große Hilfe.“
Neue Wege gehen
In Sachen Arbeitsweise hat sich im Haus nicht viel geändert, gleichzeitig hat Carina Moser natürlich auch frischen Wind ins Unternehmen gebracht. „Mir ist es wichtig, das Erbe meines Vaters respektvoll weiterzuführen und meinen eigenen Führungsstil zu leben.“ Beständigkeit und Individualität im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden stehen so nach wie vor im Fokus. Die Tirolerin liebt es, für ihre Kunden zu planen und individuellen Wohnträumen neues Leben einzuhauchen – mittlerweile ist der Betrieb auch auf Social Media vertreten, damit Kunden und potenzielle Neukunden die schönen Stücke bestaunen können. Zu Beginn sei es dabei schon eine Herausforderung gewesen, als komplette Neueinsteigerin das Vertrauen zu gewinnen – nach anfänglichem Zögern hat sich aber auch das vollkommen normalisiert. „Unsere Kunden haben einfach erlebt, dass sie voll und ganz auf unsere gewachsene Kompetenz und unsere Arbeit vertrauen können und dass auch in den vergangenen sechs Jahren alles gut weitergelaufen ist“, freut sich Moser. „Das spürt man auch am Lob der Kunden – und das ist letztlich die schönste Motivation.“ Apropos Motivation: Die individuelle Kundenbetreuung und die Arbeit mit einem langlebigen, massiven und robusten Material treiben die 28-Jährige an. „Im Optimalfall hat man ein von Hand gefertigtes Möbelstück ein Leben lang. Und wenn man dieses Gefühl von Verlässlichkeit für jemanden schaffen kann, ist das ein großes Geschenk.“
Das Gute erhalten
Für die Zukunft schmiedet die Powerfrau aus dem Zillertal bescheidene, aber keineswegs unwichtige Pläne: „Unser Ziel ist es, die Stabilität des Betriebs zu erhalten – und damit Arbeitsplätze in der Region zu sichern“, erzählt sie. Eine Erweiterung sei durch die zentrale Lage in der Ortsmitte von Uderns ohnehin nicht möglich, außerdem habe ein kleinerer Betrieb auch viele Vorteile – gerade, wenn es um die Ausbildung junger Fachkräfte geht: „Wir haben vielleicht nicht den allerneuesten Maschinenpark“, so Moser, „dafür haben unsere Lehrlinge Einblick in viele unterschiedliche Unternehmensbereiche.“ Was ihr am meisten Spaß macht, ist übrigens die Planung von Wohnräumen: „Ich liebe es, Räume zu gestalten, wo Leben stattfindet – von der Küche bis zum Wohnzimmer.“ Dabei kombiniert sie gerne unterschiedliche Materialien, die Palette reicht von Holz-Glas-Kombinationen über die Integration neuer und innovativer Materialien und unterschiedlicher Holzarten. Ob sie den Schritt, ins Unternehmen einzusteigen, jemals bereut hat? „Keine Sekunde“, so Moser. „Ich bin mit den Herausforderungen gewachsen und habe enorm in meiner Entwicklung profitiert.“ Dabei war der schwere Schicksalsschlag für die Familie übrigens auch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. „Wir haben uns nie gefragt: ‚Warum wir?‘ Wir haben einfach immer weitergemacht.“