Vergaberecht

Über (gescheiterte) Fluchtversuche

18.05.2021

Das Vergaberecht ist nicht unbedingt beliebt. Die Versuche, ihm zu entkommen, sind daher zahlreich und mehr oder minder originell sowie erfolgreich.

Das Vergaberecht zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass es bei (fast) allen Beteiligten unbeliebt ist. Regelmäßig werden daher mehr oder weniger originelle Versuche unternommen, dem Vergaberecht zu entgehen (fallweise mit derart großem Aufwand, dass das Vergabeverfahren selbst einfacher gewesen wäre). Dem Vergaberecht zu entfliehen ist aber nicht einfach:

◼ Es gibt viele vergaberechtliche Bestimmungen, die im Wesentlichen dem Zweck dienen, Umgehungen zu verhindern. Beispiel: Bei der Schätzung des Auftragswerts, die zentral für die vergaberechtliche Kategorisierung nach Ober- oder Unterschwellenbereich und für die Wahl der zulässigen Verfahrensarten ist, sind Beistellungen und Optionen einzurechnen. Ansonsten wäre es für einen Auftraggeber nicht besonders schwer, durch entsprechende Maßnahmen den geschätzten Auftragswert massiv zu senken und weniger strengen vergaberechtlichen Bestimmungen zu unterliegen.

◼ Bei der Einordnung des Sachverhalts ist grundsätzlich der wahre wirtschaftliche Hintergrund zu betrachten (ähnlich dem Wettbewerbsrecht) und nicht die nach außen erkennbare (rechtliche) Konstruktion.

Beispiel: Ob eine Bauleistung, die nach Vorgaben des Auftraggebers errichtet wird, von diesem nach zivilrechtlicher Einordnung mit einem Werk-, Kauf-, Miet- oder Leasingvertrag zur Benützung erworben wird, ist irrelevant. Vergaberechtlich liegt ein Bauauftrag vor.

◼ Ausnahmetatbestände sind einschränkend auszulegen. Ein Beispiel für Letzteres zeigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) vom 4. 5. 2020, Ra 2018/04/0152 (Miterledigung: Ra 2018/04/0153): Ein Auftraggeber hatte vor Jahren Hygieneartikel samt den (fix montierten) Spendersystemen beschafft. Als dieser Vertrag auslief, wurde neu ausgeschrieben, allerdings als Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung mit nur einem Unternehmer (was im Wesentlichen einer Direktvergabe entspricht, bei der keinerlei Wettbewerb stattfindet).

Für solche „erleichterten“ Vergaben gibt es insbesondere eine vergaberechtliche Ausnahmebestimmung, nämlich (grob gesagt), wenn es aus technischen Gründen oder wegen ausschließlichen Rechten keinen Wettbewerb gibt; also wenn nur ein Unternehmer technisch oder rechtlich betrachtet in der Lage ist, das Beschaffungsziel überhaupt zu erreichen.

Der Auftraggeber bzw. das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) meinten zunächst, dass dieser Ausnahmetatbestand erfüllt wäre, weil der „alte“ Auftragnehmer nach wie vor Eigentümer der montierten Spendersysteme sei und der Eigentumserwerb durch den Auftraggeber außerdem mit zu hohen Kosten verbunden wäre, sodass gar kein anderer Unternehmer infrage gekommen wäre.

Der VwGH, der die Entscheidung des BVwG zu überprüfen hatte, war anderer Ansicht. Der VwGH kam zwar auch zu dem Zwischenergebnis, dass der Auftraggeber in zivilrechtlicher Hinsicht nicht Eigentümer der Spendersysteme war, weil diese durch die Montage nicht untrennbar mit dem Gebäude verbunden wurden (nach Demontage würden sie zwar Schäden – Bohrlöcher – hinterlassen, aber das ist keine ausreichende Beschädigung für eine „Untrennbarkeit“ im zivilrechtlichen Sinne). Aber der Umstand, dass neue Spendersysteme für den Auftraggeber teurer sind als die bloße Beschaffung des Spender­inhalts, begründet weder technisch noch rechtlich betrachtet eine Ausschließlichkeit für die Verwendung der „alten“ Spendersysteme im Sinne der vergaberechtlichen Ausnahmebestimmung.

Daher hätte der Auftraggeber nach Auslaufen des „alten“ Vertrags die Beschaffung auch von neuen Spendersystemen ausschreiben müssen, und zwar in einem Vergabeverfahren, das Wettbewerb zulässt.

Die Entscheidung zeigt, dass Ausschließlichkeitsrechte, die den Zugang zu Aufträgen ohne Konkurrenz ermöglichen, vergaberechtlich nur sehr selten vorliegen. Dazu kommt, dass seit dem BVergG 2018 dieser Ausnahmetatbestand erst dann vorliegt, wenn es für das Beschaffungsziel „keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Anforderungen des Vergabeverfahrens ist“. Mit anderen Worten: Es ist auch unzulässig, den Leistungsumfang so festzulegen, dass dadurch eine Ausschließlichkeit entsteht.

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