Ausschließlichkeit: Es kann nur einen geben
Das Vergaberecht erlaubt eine Ausnahme. Und zwar dann, wenn ein Auftrag überhaupt nur von einem Unternehmen erbracht werden kann. Doch auch dabei gibt es eine strenge Auslegung, wie folgender Vergabefall zeigt.
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Solch eine Ausschließlichkeit kann technische Gründe haben (nur ein Unternehmen ist in der Lage, einen bestimmten Bedarf des Auftraggebenden zu decken), oder auch rechtliche Gründe (z.B. Patent- oder Urheberrechte).
Die Verfahrensart, die der Auftraggebernde bei Vorliegen einer solchen Ausschließlichkeit wählen darf, heißt „Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung“, gleicht aber im Wesentlichen einer Direktvergabe. Der Europäische Gerichtshofs (EuGH) hatte jüngst über einen solchen Fall zu entscheiden.
Der Ausgangsfall
Ein (tschechisches) Ministerium hatte 1992 einen Vertrag über die Implementierung eines EDV-Systems für die Steuerverwaltung abgeschlossen. Die zuständige Stelle hat sodann 2016 einen umfangreichen Wartungsvertrag für dieses EDV-System vergeben, und zwar in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung an jenen Unternehmer (bzw. an einen damit verbundenen Unternehmer), der das ursprüngliche System implementierte. Begründet wurde dies einerseits mit der notwendigen „technischen Kontinuität“ und andererseits mit den ausschließlichen Urheberrechten dieses Unternehmers am Quellcode des Systems.
Die nationale Vergabekontrollbehörde bezweifelte diese Rechtfertigung und legte den Fall dem EuGH zur Entscheidung vor, da ein möglicher Verstoß gegen die EU-Vergaberichtlinien vorlag und nur der EuGH zu deren Auslegung berechtigt ist.
Die Entscheidung
Auf diesen Fall sind noch die „alten“ EU-Vergaberichtlinien 2004 anzuwenden. Die damalige Ausnahmebestimmung für solche ausschließlichen Rechte enthielt, anders als die neuen Richtlinien, noch keinen ausdrücklichen Verweis darauf, dass der Auftraggebende selbst nicht durch eigenes Verhalten den eingeschränkten Wettbewerb verursacht haben darf.
Der EuGH hielt aber fest, dass dies dennoch auch für diesen Fall gelte. Das Verhalten des Auftraggebers sei auch hier zu berücksichtigen, weil erstens jede Ausnahmebestimmung eng auszulegen sei und weil zweitens ansonsten der zentrale Zweck der Vergaberichtlinien, nämlich der grenzüberschreitende Wettbewerb, gefährdet sei. Daher sei ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, alles zu tun, was vernünftigerweise von ihm erwartet werden kann, um die Anwendung solcher wettbewerbsbeschränkenden Ausnahmen zu vermeiden. Die Erfüllung dieser Verpflichtung muss der Auftraggeber nachweisen.
In der Zwickmühle
Laut EuGH ist der ursprüngliche Vertragsabschluss hier dem Auftraggeber nicht vorzuwerfen, denn er erfolgte 1991, also zu einem Zeitpunkt, als die Tschechische Republik noch nicht EU-Mitglied und daher nicht zur Einhaltung der EU-Vergaberichtlinien verpflichtet war. Aber seit dem 1.5.2004 (EU-Beitritt) war die Tschechische Republik dazu sehr wohl verpflichtet.
Der Auftraggeber argumentierte im Verfahren unter anderem auch, dass er versucht habe, die Ausschließlichkeitssituation zu beenden. Der Unternehmer habe aber die Übertragung der Verwertungsrechte am Quellcode verweigert; wenn der Wartungsauftrag nicht an diesen Unternehmer vergeben worden wäre, wäre das System unbrauchbar geworden, was die Steuerverwaltung an der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gehindert hätte.
Das reichte dem EuGH aber nicht als Rechtfertigung. Er verwies die Sache an das nationale Gericht zurück, um zu prüfen, ob der Auftraggeber zwischen dem 1.5.2004 und der Auftragsvergabe 2016 über tatsächliche und wirtschaftlich vertretbare Mittel verfügte, um die Ausschließlichkeitssituation zu beenden.
Eine Frage des Einzelfalls
Der Auftraggeber muss also aktiv versuchen, einen Wettbewerb zu ermöglichen. Er ist dazu allerdings nicht grenzenlos verpflichtet, sondern nur zum Einsatz „wirtschaftlich vertretbarer Mittel“. Wie weit diese Mittel gehen müssen, ist eine Frage des Einzelfalls.