Baurecht

Kaution, Kündigung, Rücktritt: Wer schützt wen?

Im Bauwesen sind Werkverträge Alltag – aber selten frei von Risiko. Auftraggeber*innen wollen verlässliche Ausführung, Auftragnehmer*innen wollen ihr Geld. Was passiert, wenn eine Seite ins Straucheln gerät? Gesetz und ÖNORM halten für beide Seiten Absicherungsmechanismen bereit – und die können im Ernstfall entscheidend sein.

Der Abschluss eines Werkvertrags bringt für beide Vertragsparteien Unsicherheiten mit sich. Der oder die Auftraggeber*in erwartet eine ordnungsgemäße Leistungserbringung, der oder die Auftragnehmer*in wiederum das vereinbarte Entgelt. Neben individuellen Vertragsklauseln gibt es auch gesetzliche Regelungen, die vor allem den Schutz der Auftragnehmer*in stärken sollen. Die ÖNORM B2110, die faire Vertragsbedingungen anstrebt, sieht im Gegenzug Absicherungen für die Auftraggeberseite vor.

Sicherstellung nach § 1170b ABGB

Seit 2005 haben Auftragnehmer*innen gemäß § 1170b ABGB das Recht, von der Auftraggeber*in ab Vertragsabschluss eine Sicherstellung für das noch ausstehende Entgelt zu verlangen – und zwar bis zur vollständigen Bezahlung, also auch während der Dauer eines etwaigen Haftrücklasses.
Die Regelung wurde eingeführt, weil der oder die Auftragnehmer*in in der Regel vorleistungspflichtig ist und daher ein besonders hohes Insolvenzrisiko der Auftraggeber*in trägt. Das Recht auf Sicherstellung steht nicht nur dem direkten Vertragspartner des Bauherrn zu, sondern auch Subunternehmer*innen gegenüber ihren Auftraggeber*innen. Ausgenommen sind lediglich juristische Personen öffentlichen Rechts sowie Verbraucher*innen.
Die Höhe der Sicherstellung richtet sich grundsätzlich nach dem noch offenen Entgelt, ist aber begrenzt: auf 20 Prozent des vereinbarten Entgelts – und bei Verträgen mit einer Erfüllungsdauer von höchstens drei Monaten auf 40 Prozent. Wird die Sicherstellung nicht rechtzeitig oder nicht in ausreichender Höhe bereitgestellt, darf der oder die Auftragnehmer*in die Arbeit einstellen und – nach Setzung einer Nachfrist – sogar vom Vertrag zurücktreten.

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Kaution für Auftraggeber*innen laut ÖNORM

Das rechtliche „Gegenstück“ zum Sicherstellungsrecht findet sich in Punkt 8.7.1 der ÖNORM B2110: Die Kaution zugunsten der Auftraggeber*in. Diese kann bis zum vertraglich festgelegten Fertigstellungstermin eine Sicherstellung für die zu erbringenden Leistungen in Höhe von bis zu 20 Prozent der Auftragssumme verlangen.
Eine übergebene Kaution darf in Anspruch genommen werden, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Auftragnehmer*in eröffnet wird oder ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, das die besicherte Leistung betrifft. Die Bedeutung dieser Kaution endet jedoch mit der Übernahme der Leistung – danach greifen andere Sicherungsinstrumente wie der Haftrücklass oder ein Zurückbehaltungsrecht.

Zweiseitige Absicherung

Das Zusammenspiel von gesetzlicher Regelung und ÖNORM schafft eine ausgewogene Grundlage zur Risikominderung für beide Seiten. Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen haben durch die jeweiligen Sicherheiten ein wirksames Mittel, um im Streit- oder Insolvenzfall abgesichert zu sein – und damit ein Stück mehr Stabilität in einem oft komplexen Vertragsgefüge.