OGH Urteil

Warnpflicht verletzt: Tiefbaubetrieb bleibt im Regen stehen

Roman Gietler
20.03.2025

Ein Tiefbauunternehmen saniert einen Kanal, dessen grundsätzliche Entwässerungsleistung einem Starkregenereignis nicht gewachsen ist. Laut OGH hätte er den Auftraggeber darüber informieren müssen.

Der Auftragnehmer hat bei Errichtung eines Werks den Auftraggeber zu warnen, wenn der beigestellte Stoff offenbar untauglich oder eine Anweisung des Auftraggebers offenbar unrichtig ist. Diese Warnpflicht erstreckt sich laut jüngster OGH-Judikatur bei beauftragter Teilsanierung eines Kanals auch darauf, den Auftraggeber darauf hinzuweisen, dass eine Teilsanierung des Kanals für die Herbeiführung der erforderlichen Entwässerungsleistung nicht ausreicht. Im Anlassfall beauftragte die klagende Auftraggeberin die Beklagte mit der Teilsanierung eines etwa 60 Jahre alten Mischkanals, über den sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser abgeleitet werden soll. Der Kanal hat und sollte auch weiterhin für eine Entwässerung eines 2.000 m² großen Parkplatzes dienen. Die Auftragnehmerin führte die Teilsanierung durch Austausch eines defekten Kanalteilstücks durch.

Dann kam der Regen

Der Kanal war jedoch aufgrund seines geringen Durchmessers auch nach Teilsanierung durch die Auftragnehmerin nicht für die Entwässerung des Parkplatzes geeignet. Es wäre ein Komplettaustausch der bestehenden und teilsanierten Kanalrohre mit einem Durchmesser von 150 Millimetern und die Neuverlegung von Kanalrohren mit einem Durchmesser von zumindest 300 Millimetern erforderlich gewesen. Sowohl vor als auch nach Teilsanierung war die erforderliche Entwässerungsleistung nicht gegeben.
Aufgrund eines Starkregenereignisses kam es zu einer Überflutung des Parkplatzes.

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Unterschiedliche Urteile

Die Klägerin begehrte die Rückerstattung des bereits bezahlten Werklohns von der beklagten Auftragnehmerin. In erster Instanz ging das Handelsgericht Wien von einer Warnpflichtverletzung der beklagten Auftragnehmerin aus und gab dem Klagebegehren auf Rückzahlung des Werklohns statt. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und führte aus, dass die Auftragnehmerin nicht verpflichtet gewesen sei, die bisherige Dimension des Kanals auf ihre Eignung zur Entwässerung des 2.000 m² großen Parkplatzes zu prüfen. Die Auftragnehmerin habe ihre Warnpflicht nicht verletzt, weil die Entwässerungsleistung des gesamten Kanals außerhalb der Leistungspflicht der Auftragnehmerin liege.

Am Ende entschied der OGH

Der OGH hob das Berufungsurteil auf und sprach aus, dass eine Warnpflichtverletzung der Auftragnehmerin sehr wohl vorliegt.
Laut OGH ist es zwar richtig, dass die Warnpflicht nur im Rahmen der eigenen Leistungspflicht des Unternehmers und der damit verbundenen Schutz- und Sorgfaltspflichten besteht. Der Auftragnehmerin war jedoch erkennbar, dass es sich um einen Mischwasserkanal handelte, der neben der Beseitigung von Schmutzwasser auch der Oberflächenentwässerung des Parkplatzes diente. Bei den bestehenden Kanalrohren mit einem 150-Millimeter-Durchmesser handelt es sich um einen von der Auftraggeberin beigestellten Stoff. Diesen beigestellten Stoff hätte die Auftragnehmerin prüfen müssen.

Hinweis hätte erfolgen müssen

Die Auftragnehmerin hätte als Tiefbauunternehmern davor warnen müssen, dass für die Herstellung eines tauglichen Mischkanals die geplante Teilsanierung nicht ausreicht und ein Austausch des Kanals unter Verwendung von Rohren mit einem mindestens 300-Millimeter-Durchmesser über die gesamte Länge erforderlich gewesen wäre. Auch wenn die Auftragnehmerin mit einem Komplettaustausch des Kanals nicht beauftragt war, hätte sie die Auftraggeberin auf diesen Umstand hinweisen müssen.
Durch diese Warnpflichtverletzung verliert die Auftragnehmerin den Werklohnanspruch und kann darüber hinaus für verursachte Schäden haften. Die Auftragnehmerin musste den bereits erhaltenen Werklohn zurückzahlen.

Warnpflicht auch bei Teilsanierung

Die Entscheidung des OGH unterstreicht die zentrale Bedeutung der Warnpflicht für Auftragnehmer. Den Auftragnehmer trifft auch dann eine Warnpflicht, wenn er lediglich mit einer Teilsanierung beauftragt ist und mit dieser Teilsanierung das dem Auftragnehmer bekannte Sanierungsziel wegen der offenbaren Untauglichkeit des beigestellten Stoffes nicht erreicht werden kann. Hätte der Auftragnehmer dies erkennen können, wird er dem Auftraggeber schadenersatzpflichtig und verliert seinen Werklohnanspruch.

AUTOR

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MMag. Roman Gietler ist Partner bei Müller Partner Rechtsanwälte, Rockhgasse 6, A-1010 Wien

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