Ein echter Glücksfall

Frauen im Handwerk
05.06.2024

Johanna Schörkhuber liebt es, zu gestalten. In ihrer Werkstatt im niederöster­reichischen Grünz realisiert sie Möbelstücke mit höchsten Ansprüchen an Design und ­Material – wie das rollende Büro „Die Sekretärin“.
Johanna Schörkhuber

Bild oben:In ihrer Werkstatt legt Johanna Schörkhuber selbst Hand an – von der Planung bis zur Umsetzung.

Offene Augen, ein wacher Geist und ganz viel Neugierde und Leidenschaft für den Werkstoff Holz: Genau so erlebt man Johanna Schörkhuber, wenn man mit ihr über ihre Liebe zum Tischlerberuf spricht. Dabei war gar nicht so klar, dass die versierte Handwerkerin einmal in ihrem eigenen Betrieb werken wird. „Die Idee und der Wunsch war immer da“, erzählt sie. „Gleichzeitig konnte ich mich nicht entscheiden, ob ich Künstlerin oder Tischlerin werden will“, lacht sie. Genau deshalb zog es sie nach der Matura in die Ferne, sie war viel unterwegs und entschied sich schließlich für ein Studium der Malerei an der Kunstuniversität. „Dort wurde schnell klar, dass das nicht meine Welt ist. Zu abgehoben, zu wenig praxisorientiert – genau deshalb habe ich mich schließlich für die Lehre zur Tischlerin entschieden.“

Gar nicht so einfach für die zu dieser Zeit 20-Jährige, denn nur wenige Betriebe wollten damals eine Frau einstellen. Nach langer Suche fand sie einen Betrieb, war aber dort alles andere als happy. „Als mich meine Freunde auf die Frauentischlerei Towanda in Linz aufmerksam machten, wusste ich: Da muss ich hin.“ Genau deshalb machte sie sich eines Nachmittags nach der Berufsschule auf den Weg, klopfte bei Towanda an und ergatterte einen Lehrplatz. Und das, obwohl dort eigentlich zum damaligen Zeitpunkt keine Lehrlinge ausgebildet wurden. „Dort zu landen, war das Beste, was mir passieren konnte“, erzählt sie. „Die Tischlerei war auf Massivholz spezialisiert, ich durfte enorm viel anpacken und ausprobieren und mir wurde viel zugetraut – ein echter Glücksfall.“ 

Johanna Schörkhuber
Während des Lockdowns realisiert Johanna Schörkhuber ein rollendes und hochfunktionales Büro – die Sekretärin ist geboren.    

Von Null auf Leidenschaft

Auch wenn es den Betrieb Towanda heute nicht mehr gibt, mit ihrer ehemaligen Lehrmeisterin Monika Lerchbaum ist Johanna Schörkhuber noch immer eng verbunden: „Als vor zwei Jahren Monikas Werkstatt geschlossen wurde, habe ich sie eingeladen, gemeinsam mit mir in meiner Werkstatt zu arbeiten – so schließt sich der Kreis.“ Den Betrieb, wo die mittlerweile 41-Jährige ihre Stücke realisiert, hat sie sich übrigens von Null weg aufgebaut. „Ich war lange auf der Suche nach einem Objekt und habe schließlich im Nachbarort eine Spenglerei gefunden.“

Perfekt für die alleinerziehende Mutter einer mittlerweile zwölfjährigen Tochter, denn so kann sie Familie und Beruf in Einklang bringen. Allerdings gab es viel einzurichten: „Der Raum war komplett leer und ich auf der Suche nach einer Ausstattung, die mein Budget nicht überschreitet und dennoch die Bearbeitung von Massivholz möglich macht.“ Genau das hat sie auch geschafft, mittlerweile hat sie alles, was sie braucht – von Breitbandschleifmaschine, Fräse und Langlochbohrmaschine bis hin zur großen Kreissäge, Hobel und moderner Absauganlage. 

Johanna Schörkhuber
Im geschlossenen Zustand ein Quader auf acht Rollen – geöffnet (Bild) ein Büro mit allem, was es für einen Arbeitstag braucht. 

Neues gestalten

„Ich liebe es, mit meinen Händen und dem Werkstoff Holz etwas zu gestalten und nehme mir viel Zeit für die Planung und das Design meiner Möbelstücke“, so Schörkhuber weiter. Gutes Design muss für sie schlicht und dennoch aussagekräftig sein, den Kundenwünschen entsprechen und eine eigene Formensprache sprechen. Dabei legt sie besonderen Wert auf das verwendete Material: „Ich verarbeite sehr viel Massivholz, aber auch Tischlerplatten, hin und wieder Sperrholz oder Dreischichtplatten.“ Pressspanplatten oder Dekor sieht man bei Johanna Schörkhuber mit Sicherheit nicht: „Holz in seiner Urform ist ein wunderbarer Werkstoff – für mich geht sich die Kombination mit schadstoffbelastetem Material einfach nicht aus.“ Damit lebt sie auch voll und ganz ein nachhaltiges Konzept und verwendet darüber hinaus keine Lacke.

„In erster Linie werden meine Stücke mit Ölen behandelt, so kann man auch unterschiedliche Effekte in der Oberflächenhaptik und -optik erreichen. Und ich mache aus dem schadstoffarmen und hygienischen Naturwerkstoff keinen Sondermüll.“ Zusätzlich lassen sich für die Tischlerin die Stücke auch besser renovieren, wenn sie naturbelassen bleiben.

Johanna Schörkhuber
Johanna Schörkhuber baut gerne Küchen – in diesem Fall eine schlaue Planung mit bündigem Waschtisch, viel Stauraum und einem Rundelement, das die Raumgestaltung perfekt ergänzt. 

Gutes erhalten

Aber nicht nur so natürlich wie möglich, sondern auch so langlebig wie möglich sollen ihre Objekte sein – und hier probiert Schörkhuber gerne auch neue Techniken aus. Wenn ein Möbel strapazierfähiger sein soll, kommt beispielsweise Wachs zum Einsatz. Auch mit Seifenlauge arbeitet die Tischlerin, hier entsteht ein besonders ursprünglicher Effekt. Und hie und da geht es auch heiß her: „Für eine besonders samtige Anmutung des Holzes und eine tiefschwarze Optik liebe ich es, die Oberfläche zu flämmen – eine japanische Technik, die Yakisugi genannt wird.“

Bei aller Versiertheit in der unterschiedlichen Bearbeitung von Hölzern könnte man sagen, dass Johanna Schörkhuber eine Expertin ist, wenn es um die Naturbelassenheit des Werkstoffs geht. Genau deshalb verwendet sie nur heimische Hölzer und überlegt sich genau, wie sie die Hölzer nach ihrer Beschaffenheit, Stabilität und Langlebigkeit einsetzt. Was es dazu braucht? „Viel Vorstellungsvermögen und Lust, Neues auszuprobieren“, schmunzelt Schörkhuber. 

One-Woman-Show

Ganz egal, ob Küche, Einzelmöbel oder Terrassenboden: Für gewöhnlich legt Schörkhuber ganz alleine Hand an. „Bei mir wird von der Planung bis zur Fertigung alles aus einer Hand geliefert – das schätzen auch meine Kundinnen und Kunden.“ Sie selbst liebt die Abwechslung – und wenn sie einmal Hilfe beim Heben braucht, setzt sie auf den Support ihrer Werkstattkollegin. Als Allrounderin mit dem Blick für das Besondere realisiert sie so Stücke, die sowohl in Sachen Design als auch Funktionalität einiges am Kasten haben. 

So entwickelt sie während des Lockdowns eine Neuinterpretation des klassischen Sekretärs und kommt damit den wachsenden Flexibilitätsansprüchen im Arbeitsalltag entgegen. Der traditionelle Sekretär, ein Meisterwerk hochwertiger Verarbeitung, platzsparender Konstruktion und zeitloser Schönheit wurde in die Gegenwart übersetzt und so zur „Die Sekretärin“. Das Möbel ist damit ein rollendes Büro und ein echtes Raumwunder: In geschlossenem Zustand sieht man einen schlichten Quader auf acht Rollen, der sich problemlos von einem Raum in den anderen schieben lässt. Aus weiß geölter Esche gefertigt, wirkt der helle, komplett auf Gehrung verleimte Korpus edel und schlicht.
Nichts lässt vermuten, dass sich in ihrem Inneren ein voll ausgestattetes Büro befindet – öffnet man das Möbel, schwingt ein dreiflügeliges Regalsystem gleich einem Tryptichon auf und gibt den Blick frei auf eine mit Leder bezogene, herausschiebbare Arbeitsfläche. Stromanschlüsse, Schubladen, große Ablageflächen und die intelligente LED-Beleuchtung sorgen dafür, dass dem schlau geplanten Arbeitsplatz nichts fehlt.

Branchen
Tischlerei