Interview

"Ein Booster für BIM"

BIM
24.01.2024

Peter Krammer, Vorstandsvorsitzender der Swietelsky AG, und Robert Schedler, Geschäftsführender Gesellschafter des Wiener Ingenieurbüros FCP, sprechen im Interview mit der Bauzeitung über BIM-Modelle – und warum deren Einsatz am Bau demnächst einen kräftigen Schub erfahren könnte.
Peter Krammer und Robert Schedler mit BZ-Chefredakteur Martin Hehemann.
Peter Krammer und Robert Schedler mit BZ-Chefredakteur Martin Hehemann nach vollbrachtem Interview. 

Wie gut funktioniert der Einsatz von BIM-Modellen bei Ihren Bauprojekten?
Peter Krammer:
Dort, wo wir konzentriert darauf eingehen und vertraglich mit unseren Partnern ein gemeinsames Projekt aufsetzen, funktioniert es gut. Die einzelnen Gewerke – vom Rohbau über den Ausbau bis zur Haustechnik – verwenden ein gemeinsames BIM-Modell und können die Vorteile nutzen, die sich daraus ergeben.

Welche Vorteile sind das?  
Robert
Schedler: Ein BIM-Modell sorgt dafür, dass in den einzelnen Phasen eines Bauprojekts und beim Übergang von einer auf die andere Phase die Datenqualität erhalten bleibt und keine relevanten Informationen verloren gehen. Und das gilt nicht nur für Planung und Ausführung, sondern auch für den Betrieb. Der Nutzer findet hier sämtliche Informationen, die er benötigt.

Das klingt gut. Dennoch wird BIM zehn Jahre nach seiner Einführung von vielen Bauunternehmen nicht eingesetzt. Warum ist das so?  
Schedler:
Weil es in der Praxis einige Hindernisse gibt. Ein großes besteht darin, dass die einzelnen Akteure ihre eigenen Programme und Systeme verwenden, die einander nicht verstehen. Ich nenne ihnen ein Beispiel: Was bei FCP im System als „Beton“ bezeichnet wird, heißt bei Swietelsky „Concrete“. Es gibt bei der Bezeichnung dieser Attribute oder Merkmale bislang keine Vereinheitlichung.
Krammer: Das führt dazu, dass wir das BIM-Modell, das wir von einem Planer erhalten, in der Regel selbst noch einmal nachbauen müssen.
Schedler: Wir müssen sogar darauf achten, dass wir bei uns im Haus in jeder Abteilung immer die gleiche Sprache verwenden.
Krammer: Wir auch. Aber das wird sich ja bald ändern, wenn endlich das Merkmalservice der ÖBV – also der Österreichischen Bautechnikvereinigung – zur Verfügung steht.

„Endlich?“ Ist der ÖBV Ihnen zu langsam? Sie könnten ja ein wenig Druck machen. 
Schedler:
Der Vorstandsvorsitzende des ÖBV sitzt Ihnen gerade gegenüber, direkt neben mir.
Krammer: Und neben mir sitzt ein weiteres Vorstandsmitglied. Nein, mit „endlich“ habe ich gemeint, dass es ein komplexes Projekt war, das Tool zu entwickeln. Jetzt ist es aber fertig.  Es funktioniert. Und wir werden es am Baukongress im April präsentieren.

Was kann das „Merkmalservice“?
Krammer: Es ermöglicht die Kommunikation zwischen den einzelnen Unternehmen mit ihren unterschiedlichen BIM-Modellen und Softwarelösungen.
Schedler: Das Merkmalservice arbeitet wie ein Übersetzer. Wenn wir von Swietelsky ein BIM-Modell erhalten, in dem von „Concrete“ die Rede ist, wandelt es diesen Begriff in „Beton“ um.
Krammer: Sie werden sich jetzt sicher fragen: Wozu das Merkmalservice, und warum machen wir das nicht über die IFC-Standards?

Gute Frage.  
Schedler:
Ich beantworte sie gerne. IFC steht für Industry Foundation Classes. Das ist ein Industriestandard, der definiert, wie Softwareprogramme miteinander kommunizieren. IFCs sind durchaus nützlich. Sie haben aber einen Nachteil: Die Datenübergabe ist im Detail nicht standardisiert, was zu Inkompatibilitäten zwischen Projektteilnehmern führt.
Krammer: Und das bedeutet: Wenn wir bislang von FCP ein BIM-Modell mit IFCs erhalten haben, mussten wir es dennoch nachbauen. Warum? In unseren Prozessen sind Informationen notwendig, die in genau dieser Form nicht am Modell vorhanden sind. Damit müssten wir die Prozesse an die Eingangsdaten anpassen, bei jedem Projekt erneut. Da ist es für uns effizienter die Modelle nachzubauen. Das Merkmalservice löst dieses Problem: Es modifiziert die IFCs, sodass die Daten in der notwendigen Struktur übernommen werden können.

Eine neue Form der Kooperation

Wenn ich Sie richtig verstehe, dann sollte das Merkmalservice der Verbreitung von BIM am Bau einen kräftigen Schub geben. 
Schedler:
Ja, das wird ein Booster für BIM. Die Software allein ist aber nicht die Lösung: Es braucht auch eine neue Form der Kooperation bei Bauprojekten.

Wie darf ich mir das vorstellen?
Schedler: Bislang werden Bauprojekte in der Regel noch sequenziell umgesetzt. Das bedeutet: Der Planer entwirft ein Modell. Das dienst als Basis für das Leistungsverzeichnis und die Ausschreibung. Die ausführenden Unternehmen werden beauftragt. Sie sollen nun die Planung umsetzen. Dabei stellen sie oftmals fest, dass das, was geplant wurde, so gar nicht umsetzbar ist oder es eine bessere Lösung gegeben hätte. Um diese zu finden, hätte man die Spezialisten aber früher einbinden müssen.
Krammer: Ohne diese neue Form der Zusammenarbeit bringt auch BIM wenig. Sie erfordert aber eine deutliche Veränderung des Verhaltens. Es geht darum, nicht mehr stur auf den eigenen Vorteil zu schauen, sondern gemeinsam das Projekt erfolgreich umzusetzen.

Gibt es diese neue Form der Zusammenarbeit schon in der Praxis?
Krammer:
Ja, wir leben das seit einiger Zeit in Form der „Allianzverträge“. Zum Beispiel beim Bau der Gäubahn, einer Bahnstrecke in Süddeutschland zwischen Stuttgart und Singen. Dort haben die Projektpartner eine Allianz gebildet – bestehend aus Bauherrn, Planern, Generalunternehmen und den wichtigsten Spezialgewerken. Alle Mitglieder haben ein gemeinsames Interesse, da es einen gemeinsamen Risikotopf gibt: Wenn die Allianz ihr Ziel erreicht, also die Bauzeit bei der vereinbarten Qualität einhält, dann kann sich der Gewinn erhöhen.

Verwenden wir die Bahnstrecke als Metapher: Wo stehen wir Ihrer Meinung auf der Reise zur vollständigen Umsetzung von BIM in der Bauwirtschaft?
Krammer:
Wenn die gesamte Strecke aus 100 Schritten besteht, dann haben wir in den vergangenen Jahren 40 Schritte gemacht.
Schedler: Mit dem Merkmal Service gehen wir die nächsten 20.

Fehlen noch 40.
Schedler: Theoretisch ja. Aber die Welt bleibt ja nicht stehen. Wenn wir die ersten 100 Schritte geschafft haben, kommen die nächsten 100.

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