Baukongress 2024
Big Bang für BIM
Am 25. April 2024 um exakt 15 Uhr ist es soweit: Dann wird die Österreichische Bautechnikvereinigung (ÖBV) am Baukongress das Zwischenergebnis eines ambitionierten FFG-Forschungsprojekts präsentieren, in das die heimische Bauwirtschaft große Hoffnungen setzt. Der Name des Projekts: „BIM-Merkmalservice“.
Das Merkmalservice soll BIM – die Kurzform für „Building Information Modeling“ – in Österreich endlich zum Durchbruch verhelfen. Bislang hat BIM die Erwartungen, die man bei seiner Einführung vor rund zehn Jahren geweckt hatte, nicht erfüllt. Laut einer Studie der Baumanagement-Plattform PlanRadar aus dem Jahr 2021 in acht europäischen Ländern setzen nur 20 Prozent der heimischen Bauunternehmen BIM ein. Experten vermuten, dass sich daran bis heute nicht viel geändert hat. Damit liegt Österreich auf einem Level mit der Schweiz und Kroatien aber hinter Polen und Deutschland. Spitzenreiter bei der BIM-Nutzung in Europa ist Großbritannien mit einer Quote von 80 Prozent.
Bestechende Idee
Die Idee hinter BIM ist an sich bestechend: Sie sieht vor, dass ein dreidimensionales digitales Modell von dem geplanten Bauwerk erstellt wird. Auf dieses Modell, dem sogenannten „Digital Twin“, haben alle beteiligten Projekt-Partner Zugriff. Und sie arbeiten konsequent mit ihm – vom Planer über die ausführenden Bauunternehmen bis hin zu den Betreibern. Das BIM-Modell verschafft ihnen Zugang zu allen relevanten Informationen. Das bedeutet am Beispiel einer Betonwand: Man sieht nicht nur, wo diese steht, sondern auch, welche exakten Abmessungen sie hat, dass sie aus Beton ist und welche Eigenschaften der Beton oder auch die Wand hat.
Mit Hilfe des dreidimensionalen BIM-Modells sind Planer oder Ausführende jederzeit am gleichen Wissensstand und die Informationen der gelieferten Dokumente sind konsistent. Teure Fehler lassen sich vermeiden. Der Stahlträger, der genau dort steht, wo der Lüftungsschacht verlaufen soll, wird im BIM rasch entdeckt. Das Modell lässt sich mit Bauzeitplänen ebenso verknüpfen wie mit Kosten und Ressourcen – egal ob Baumaterialien, Maschinen, Fahrzeugen oder Personal. Logistische Prozesse können so geplant und gesteuert, Kosten kalkuliert und Abrechnungen durchgeführt werden. Um es zusammenzufassen: „Mit Hilfe der Digitalisierung lassen sich die Projekte besser steuern und Prozesse deutlich effizienter gestalten“, meint René Holzer vom Planungsbüro FCP. Holzer, Leiter der Product Owner und des IT-Entwicklungsteams im BIM-Merkmalservice-Projekt, weiter: „Heute kann es noch passieren, dass in einem Projekt das Volumen einer Betonwand ein Dutzendmal berechnet wird. Die Betonwand bleibt aber immer dieselbe mit denselben Eigenschaften. Derartige nicht wertschöpfende Tätigkeiten lassen sich vermeiden.“
So bestechend das Konzept in der Theorie ist – in der Praxis gibt es ein großes Problem: Die einzelnen Unternehmen verwenden beim Einsatz von BIM-Modellen unterschiedliche Systematiken und Prozesse. Die Folge: Sie verstehen einander nicht. Da kann es durchaus um Kleinigkeiten gehen, die aber gravierende Folgen haben. Holzer beschreibt das Problem anhand der erwähnten Betonwand: „Die Informationsanforderungen und Angaben, die es zu dieser Wand gibt, sind in allen Unternehmen etwas anders.“ Was bei Unternehmen A „Betongüte“ heißt, wird bei B „Betonguete“ geschrieben. Das Ergebnis: „Die Systeme verstehen einander nicht. Das ist wie bei Excel oder Word: Wenn die Schreibweise nicht exakt ident ist, funktioniert der Befehl ‚suchen und ersetzen‘ nicht.“
Und hier setzt das Merkmalservice an. „Es arbeitet vereinfacht gesagt wie ein Übersetzungstool“, erläutert Holzer. Das Merkmalservice verwendet sogenannte IFC-Dateien, die auf einem internationalen normierten ISO-Standard basieren, der in der Bauwirtschaft weit verbreitet ist. In diesen IFC-Dateien werden die Elemente eines Bauwerks, deren Eigenschaften und Ausprägungen erfasst: also beispielsweise besagte Betonwand, ihre Abmessungen und ihre Eigenschaften – von der Betongüte über den Bewehrungsgehalt bis zur Oberflächenbeschaffenheit.
In der Praxis könnte das zukünftige Tool folgendermaßen zum Einsatz kommen: Das Unternehmen B möchte Auftraggeber A ein Angebot stellen. A stellt ihm dafür seine IFC-Datei zur Verfügung. B gleicht nun seine IFC-Systematik mit A ab und erstellt in einem sogenannten „Mapping“ die notwendigen Übersetzungen. „Der Wert für die Betonfestigkeit, der bei A ‚C25/30‘ heißt, wird bei B ‚C25_30‘ geschrieben. Nach dem Mapping verstehen beide Systeme einander“, erklärt Holzer. „Danach können sie reibungslos miteinander Daten austauschen und diesen Vorteil für weitere Kooperationen nutzen.“ Dies ist aber nur einer der zahlreichen Anwendungsfälle des Merkmalservice.
Bis es soweit ist, liegt aber noch eine Menge Arbeit vor den Entwicklern. Das Forschungsprojekt läuft noch bis August 2024. „Bis dahin werden wir noch einiges an IT-Entwicklungsarbeiten zu leisten haben“, erläutert ÖBV-Geschäftsführer Michael Pauser. Nachsatz: „Dann sind wir aber immer noch auf dem Niveau von Grundlagenforschung. Es wäre vermessen zu behaupten, dass wir dann schon ein fertiges Produkt entwickelt haben.“ Pauser rechnet damit, dass die Produktentwicklung noch rund ein weiteres Jahr in Anspruch nehmen wird. „Wenn alles gut läuft, haben wir im August 2025 ein marktfähiges Produkt.“
Einen Namen für das Produkt gibt es bereits: „Bim-t.“ Es soll so einfach zu bedienen sein, „dass man dafür kein IT-Techniker oder BIM Spezialist sein muss“, meint FCP-Mann Holzer. ÖBV-Geschäftsführer Pauser rechnet damit, dass Bim-t nicht nur bei größeren Bauunternehmen zum Einsatz kommen wird, sondern auch für „kleine und mittelständische Unternehmen aus dem Baugewerbe mit einem Jahresumsatz ab einer Million Euro interessant ist“. Die Nachfrage nach dem Tool sei jedenfalls groß. Pauser: „Wir sind in einem ersten Market Sounding bei Planungsbüros und Bauunternehmen auf großes Interesse gestoßen.“ Ein zweites, umfassenderes Feedback will die ÖBV nun auf dem Baukongress einholen. Dort wird das Merkmalservice an einem eigenen Bim-t-Stand präsentiert.