Bodenverbrauch
Bodenstrategie mit Hausverstand
Nach Auffassung einiger Umwelt-NGOs sowie einer Regierungspartei ist es zwingend notwendig, die im Frühjahr 2024 von Ländern und Gemeinden beschlossene Bodenschutzstrategie um eine Flächenobergrenze für die Neuinanspruchnahme zu erweitern. Als Zielwert werden 2,5 Hektar pro Tag oder 9 Quadratkilometer pro Jahr genannt. Bei Umsetzung dieser Zielmarke müsste die bislang benötigte Fläche (39,2 km² p. a.) um 77 Prozent verringert werden.
Das könnte allerdings zu massiven gesellschaftspolitischen und ökonomischen Verwerfungen führen. Da nämlich bei einer wohl weiterhin wachsenden Bevölkerung der daraus resultierende zusätzliche Wohnungsbedarf vorrangig durch Neubau gedeckt werden muss, würde die Kürzung vor allem die übrigen Flächenkategorien treffen.
Flächeninanspruchnahme und Bodenverbrauch
Die Staatsfläche Österreichs beträgt rund 83.880 Quadratkilometer. Im Jahr 2023 lag – laut Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) – der Anteil der für bauliche Zwecke beanspruchten Flächen im Bundesdurchschnitt bei 7,0 Prozent der Staatsfläche. Nach Messungen des Umweltbundesamts (UBA) war etwa die Hälfte davon (3,5 Prozent der Staatsfläche) versiegelt, also überbaut, asphaltiert oder betoniert.
Im Vergleich dazu waren knapp 46 Prozent der Staatsfläche beholzt (Wälder, verbuschte Flächen, Krummholzflächen), 29 Prozent wurden landwirtschaftlich genutzt (Äcker, Wiesen, Weiden, Dauerkulturen) und etwas mehr als 16 Prozent entfielen auf die Alpen bzw. auf alpines Ödland.
Der jährliche Zuwachs der beanspruchten Fläche betrug in den letzten drei Jahren durchschnittlich 36,4 Quadratkilometer. Das entsprach 0,04 Prozent der Staatsfläche. Seit Beginn der 2000er-Jahre ist die Neuinanspruchnahme konstant rückläufig. In den Jahren 2000 bis 2005 wurden jährlich im Schnitt noch 81,0 Quadratkilometer benötigt, in den letzten 4 Jahren nicht einmal mehr die Hälfte (s.o. Tabelle „Jährliche Flächenneuinanspruchnahme in km²“).
Einordnung der bisherigen Flächeninanspruchnahme
Ob in Österreich in den letzten Jahren tatsächlich zu viel Fläche neu in Anspruch genommen wurde, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Tatsache ist, dass die in Anspruch genommene Fläche zwischen 2015 und 2023 insgesamt um 5,9 Prozent angestiegen ist. Die Bevölkerung erhöhte sich im Vergleichszeitraum um 5,8 Prozent. Allerdings greift eine Gegenüberstellung des Flächen- mit dem Bevölkerungswachstum zu kurz. Ein aussagekräftiger Vergleich muss auch das Wirtschaftswachstum berücksichtigen: und das reale Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich zwischen 2015 und 2023 um 9,7 Prozent, also um etwa zwei Drittel rascher. Bezogen auf eine „standardisierte Produktionseinheit“ benötigte man damit im Jahr 2023 also weniger Fläche als acht Jahre davor (s.u. Tabelle „Wachstumsvergleich: Flächeninanspruchnahme | Bevölkerung | BIP real“).
Ist Österreich Europameister in der Flächeninanspruchnahme?
Entgegen der Aussage diverser Umwelt-NGOs ist Österreich weder bei der Flächeninanspruchnahme noch bei der Bodenversiegelung Europameister. Vielmehr liegt Österreich EU-weit im Mittelfeld. „Spitzenreiter“ sind Holland und Belgien mit einem beinahe viermal so hohen Versiegelungsgrad. Deutschland folgt auf Platz 3 mit einem rund doppelt so hohen Versiegelungsgrad wie Österreich.
Ökonomische Folgen einer Flächenobergrenze
Laut einer Simulation des Beraternetzwerks Kreutzer Fischer & Partner würde im Falle einer Flächenobergrenze von 2,5 ha pro Tag mit folgenden ökonomischen Auswirkungen zu rechnen sein:
- Gebremstes Wirtschaftswachstum
Eine Obergrenze würde vor allem das Wirtschaftswachstum bremsen, insbesondere in der Industrie. Wenn Flächen zum Ausbau der Produktion fehlen, ist mittelfristig eine Re-Dimensionierung der industriellen Produktion nicht auszuschließen, weil Teile der Fertigung ins Ausland abwandern – mit den entsprechenden Folgewirkungen auf viele andere Wirtschaftssektoren, nicht alleine die Bauwirtschaft. Alles in allem müsste man mit weniger Steuereinnahmen rechnen, wodurch die Dotierung des Sozialetats gehörig unter Druck kommen könnte.
- Behinderung des Ausbaus der öffentlichen Infrastruktur:
Der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur könnte vermutlich nur noch selektiv erfolgen. Selbst wenn man den Neubau von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, Gesundheitseinrichtungen und Mehrzweckhallen priorisiert, ist es schwer vorstellbar, alle notwendigen Projekte umsetzen zu können. Zumal in diesem Fall der Gewerbebau vermutlich nahezu zum Erliegen kommen würde.
- Frontalangriff auf das Einfamilienhaus:
Auf der eine Seite stünden dann die Eigenheimbesitzer und ihre künftigen Erben, auf der anderen Seite diejenigen, denen der Bau eines eigenen Hauses massiv erschwert oder unmöglich gemacht wird. Nach wie vor wünschen sich rund zwei Drittel der Österreicher ein eigenes Haus. Wenn jungen Familien der Weg zum eigenen Haus aus ordnungspolitischen Gründen versperrt wird und diese damit ein Lebensziel aufgeben müssen, könnte die Unzufriedenheit mit den politischen Entscheidungsträgern zunehmen, das Gefühl von sozialer Ungerechtigkeit weiter an Dynamik gewinnen.
- Steigende Bodenpreise:
Eine Beschränkung der Bauflächen würde zweifelsfrei den Preisauftrieb der Grundstückspreise beschleunigen, da nicht davon auszugehen ist, dass die Nachfrage synchron zum dann extrem limitierten Angebot sinkt. Damit rückt nicht alleine das politische Ziel nach „leistbarem Wohnraum“ in weite Ferne.
- Verlust von Arbeitsplätzen:
Infolge der zu erwartenden Redimensionierung der Industrieproduktion und einer sinkenden Neubautätigkeit ist mit einem substanziellen Verlust von Arbeitsplätzen zu rechnen. Berechnungen gehen davon aus, dass mittelfristig zumindest 328.000 Jobs gefährdet wären. Davon entfallen etwa 183.000 auf die Industrie, 72.000 auf die Bauwirtschaft und 73.000 auf andere indirekt betroffene Wirtschaftssektoren.
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