Im Überblick
EU-Vorgaben für Nachhaltigkeit am Bau
Basis für die verschiedenen EU-Vorgaben im Bereich der Nachhaltigkeit ist der sogenannte Europäische „Green Deal“, der von der Europäischen Kommission im Jahr 2019 ins Leben gerufen wurde. Dabei handelt es sich um ein umfangreiches Paket politischer Initiativen, mit dem die EU bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden will. Als Zwischenschritt haben sich die EU und ihre Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55% gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. Nachfolgend werden einige der anstehenden Nachhaltigkeitsvorgaben beleuchtet, die speziell für die Bauwirtschaft relevant sein werden.
EU-Gebäuderichtlinie (EPBD)
Die Neufassung der EPBD soll EU-weit alle Gebäude bis 2050 an die Nachhaltigkeitsziele des beschriebenen Europäischen „Green Deals“ anpassen. Das Ziel der neuen EPBD ist die vollständige Dekarbonisierung des Gebäudesektors in der EU in den nächsten 26 Jahren.
Für die Umsetzung der Dekarbonisierung des Gebäudesektors sieht die EPBD folgende Hebel vor:
- neue nationale Minimumeffizienzstandards
- ausreichende Finanzierung
- umfassende technische Beratung für die Renovierung
Die EPBD sieht vor, dass alle EU-Mitgliedstaaten bis Ende 2025 einen Entwurf für einen „Nationalen Gebäuderenovierungsplan“ (als Ersatz der bisherigen Renovierungsstrategie) vorlegen müssen, der am 1.1.2027 in Kraft treten soll. Als weitere Eckpunkte der neuen EPBD sind folgende Vorgaben zu beachten:
- ab 2030 sind alle neuen Gebäude (ab 2028 alle neuen öffentlichen Gebäude) als „Nullemissionsgebäude“ zu errichten
- ab 2030 soll dieser Standard auch für umfassende Sanierungen (mit Schwerpunkt Energieeffizienz) gelten
- ab 2050 sollen grundsätzlich alle Gebäude den Status eines Nullenergiegebäudes erlangt haben
- Renovierungen sind nur durchzuführen, wenn sie technisch, funktionell und ökonomisch machbar sind
- die EU-Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass die sozialen Auswirkungen der Kosten für die Renovierungen begrenzt werden (z.B. durch finanzielle Unterstützungen)
- weitere Vorgaben der neuen EPBD betreffen Solarenergie und Maßnahmen für E-Mobilität (Anzahl Ladestationen in Gebäuden) sowie Fahrradabstellplätze
Die großen Chancen der EPBD liegen im enormen Marktpotenzial für Sanierungen und Sanierungsberatungen. Es werden sich aber auch viele Fragen der technischen Umsetzung in Bestandsgebäuden (z.B. Gründerzeithäuser) stellen. Ebenso wird die Verfügbarkeit alternativer bzw. erneuerbarer Energiesysteme eine große Herausforderung werden. Das zentrale Thema werden aber zweifelsohne die enormen Kosten für die Sanierungs- und Umrüstungsmaßnahmen sein.
Umsetzung in OIB-Richtlinien
Eine Reihe von Vorgaben der neuen EPBD werden ab 2027 in der OIB-Richtlinie 6 (Energieeinsparung und Wärmeschutz) und der künftigen OIB-Richtlinie 7 umzusetzen sein. Als kurzer Ausblick auf die Inhalte der künftigen OIB-Richtlinie 7 zur Nachhaltigkeit sind nachfolgend die Schwerpunkte des Grundlagenpapiers (Stand Mai 2023) zusammengefasst:
0. Einleitung, Grundlagen, Europäische Richtlinien und Verordnungen:
Definition der 7. Grundanforderung „Nachhaltige Nutzung an Bauwerke“ der EU-Bauproduktenverordnung (Möglichkeit des Recyclings nach Bauwerksabriss, Dauerhaftigkeit von Bauwerken, Umweltverträglichkeit der Baustoffe)
1. Treibhauspotenzial im Lebenszyklus eines Bauwerkes:
Berechnung der Treibhausgasemissionen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerkes anhand des GWP (Global Warming Potential)
2. Dokumentation von Materialien und Ressourcen:
Dokumentation der verwendeten Materialien über den gesamten Lebenszyklus des Bauwerkes
3. Bauabfälle und Abbruchmaterialien:
Entwurf, Errichtung und Rückbau von Gebäuden derart, dass die natürlichen Ressourcen nachhaltig genutzt werden
4. Nutzungsdauer, Anpassungsfähigkeit und Dauerhaftigkeit:
Planung und Ausführung von Bauwerken derart, dass sie dauerhaft und ohne vorgesehene Beschränkung der Lebensdauer bestehen bleiben
5. Rückbau:
Erstellung eines Rückbaukonzeptes schon in der Planungsphase eines Bauwerkes, damit sparsam mit Ressourcen (Materialien und Energie) umgegangen wird
Die Bundesinnung Bau wird den Einarbeitungsprozess der EPBD in die OIB-Richtlinien konstruktiv begleiten und dabei – wie bisher - auf eine praxisorientierte und kostenadäquate Umsetzung der EU-Vorgaben Bedacht nehmen.
EU-Bauproduktenverordnung
Die EU-Bauproduktenverordnung regelt das Inverkehrbringen von Bauprodukten auf dem Europäischen Markt sowie die verpflichtende Kennzeichnung von Bauprodukten (CE-Zeichen). Im April 2024 wurde vom Europäischen Parlament eine neue Fassung der Verordnung beschlossen. Das Inkrafttreten der neuen Verordnung wird nach Annahme durch den Europäischen Rat noch im Jahr 2024 erwartet. Mit der neuen Bauproduktenverordnung wird im Sinne der EU-Ökodesign-Verordnung auch auf internationaler Normungsebene ein digitaler Produktpass eingeführt.
EU-Taxonomie-Verordnung
Die EU-Taxonomie-Verordnung ist ein Klassifizierungssystem für nachhaltiges Wirtschaften. Ziel der Verordnung ist die Lenkung von Kapitalströmen hin zu nachhaltigen Investitionen. Mit der Verordnung werden Akteure am Finanzmarkt und große Unternehmen verpflichtet, taxonomierelevante Umsätze und Investitionen offenzulegen. Die Verordnung ist seit dem Jahr 2021 in Kraft. Ab 2026 sind auch kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen (ausgenommen Kleinstunternehmen) von der Verordnung betroffen.
Nachhaltigkeitsberichte
In der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) wird eine EU-weite Informationspflicht von Unternehmen über Nachhaltigkeitsaspekte vorgeschrieben.
Betroffen sind Unternehmen, wenn mindestens zwei der folgenden drei Grenzwerte überschritten werden:
Nettoumsatz von 50 Millionen Euro (vorher 40 Millionen Euro)
Bilanzsumme von 25 Millionen Euro (vorher 20 Millionen Euro)
250 Beschäftigte im Durchschnitt des Geschäftsjahrs (keine Anpassung)
Die CSRD-Richtlinie wird in Österreich mit dem Nachhaltigkeitsberichtsgesetz 2024 umgesetzt. Die CSRD kommt zeitlich gestaffelt je nach Unternehmensgröße ab dem Jahr 2025 zur Anwendung.
Kreislaufwirtschaft
Die Forcierung der Kreislaufwirtschaft ist ein essenzielles Element des „Green Deals“. Im März 2020 präsentierte die Europäische Kommission einen neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Bauwesen und Gebäude werden - neben anderen Bereichen wie Verpackungen, Lebensmittel oder Textilien - explizit als Zielsektoren genannt. Möglichkeiten zur Forcierung der Kreislaufwirtschaft sind im Baubereich z.B. die Vorgabe von praxisgerechten Recyclingquoten oder Regelungen, die das Abfall-Ende von Baurestmassen ermöglichen.
Speziell bei der Kreislaufwirtschaft ist es unabdingbar, dass die Wiederverwertung von Materialien (z.B. Baurestmassen, Bodenaushub) rechtssicher und praxisgerecht ermöglicht wird. Wenn hier zu strenge Qualitätskriterien und Formalismen an Recyclingmaterial angelegt werden, kann dies für die Kreislaufwirtschaft kontraproduktiv sein. Als aktuelles Negativ-Beispiel ist an dieser Stelle die geplante Einbeziehung von recyclierten Gesteinskörnungen in das EU-Chemikalien-Regelwerk REACH zu nennen.
Grundlagenstudie
Die Bundesinnung Bau hat bei ihrer letzten Verbandstagung beschlossen, alle baurelevante Nachhaltigkeitsthemen inklusive der potenziellen Betroffenheit der Bauwirtschaft im Rahmen einer Grundlagenstudie bzw. einer Roadmap analysieren zu lassen. Mit dieser Studie soll eine Entscheidungsgrundlage für weitere Detail-Projekte geschaffen werden, um die komplexen Herausforderungen der Nachhaltigkeit für die Bauwirtschaft praxisgerecht und lebbar zu gestalten. Neben der Ausarbeitung von praktischen Hilfsmitteln für Baubetriebe sind auch entsprechende Aus- und Weiterbildungen an den BAUAkademien geplant.
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