Bundesinnung Bau
Materialpreise und Lieferengpässe am Bau
Mit Herbst 2021 schien sich die exorbitante Entwicklung der Beschaffungskosten maßgeblicher Baumaterialien vorläufig wieder zu entspannen. Der Baukostenindex für Wohnhaus- und Siedlungsbau ist im vierten Quartal 2021 sogar um etwa ein Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum war der Großhandelspreisindex für Betonstahl, der sich zwischen November 2020 und Jahresmitte 2021 nahezu verdoppelt hatte, um etwa 13 Prozent rückläufig. Ab März 2022 war die Welt aber plötzlich eine andere. Mit dem Kriegsbeginn in der Ukraine schnellten die Preise vieler preisrelevanter Baurohstoffe unerwartet und dynamisch in die Höhe. Gleichzeitig war die Verfügbarkeit bei vielen Materialien eingeschränkt oder überhaupt ausgesetzt. Betonstahl z. B. ist seit Jahresbeginn erneut um mehr als 50 Prozent teurer geworden. Die nachstehenden Grafiken spiegeln die extreme Dynamik der Preisanstiege ausgewählter Baumaterialien wider.
Abkehr von Festpreisen
Diese nicht prognostizierbaren, massiven Kostenerhöhungen konnten in den Angebotspreisen der ausführenden Bauwirtschaft nicht im Entferntesten einkalkuliert werden. Bei bestehenden Verträgen mit Festpreisvereinbarungen resultieren daraus unzumutbare Fehlvergütungen. Die mittelfristige Entwicklung ist derzeit nur schwer zu prognostizieren, da sich die Preisanstiege im Vergleich zu 2021 auf wesentlich breitere Marktbereiche ausgedehnt haben. Die größte Unsicherheit besteht aktuell bei der Energiepreisentwicklung, die wiederum mittelbar die Preise zahlreicher Baumaterialien beeinflusst. So liegt der Österreichische Gaspreisindex (ÖGPI) gegenüber Mai 2021 um 474,5 Prozent höher.
Damit wird aber auch die Kalkulation künftiger Bauprojekte zu einem gefährlichen Glücksspiel. Besonders prekär ist die Lage zurzeit im sozialen Wohnbau: Nicht abschätzbare Preisentwicklungen führen dazu, dass für Bauunternehmen die Abgabe eines Angebots für Verträge mit festen Preisen derzeit ein unkalkulierbares Risiko darstellt. Aufgrund der rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten (Fördervorgaben bzw. Mietpreiskalkulationen) besteht jedoch kaum Spielraum zur Anpassung der Kostengrenzen. Einzelne Wohnbaugesellschaften reduzieren ihre Neuausschreibungen daher bereits erheblich.
Insbesondere Verträge mit öffentlichen Auftraggebern müssten in dieser Situation aufgrund des Bundesvergabegesetzes zu veränderlichen Preisen ausgeschrieben werden. Zumindest für volatile und preisbestimmende Kostenbestandteile. Die Unabhängige Schiedskommission im BMDW hat auf Antrag der Geschäftsstelle Bau eine Empfehlung zur Preisgleitung preissensibler Materialien (Betonstahl, Bitumen, Zement etc.) bei bestehenden und künftigen Verträgen mit öffentlichen Auftraggebern veröffentlicht. Auch für den bereits 2021 von Auftraggeber- und Auftragnehmer-Vertretern bei der Österreichischen Bautechnikvereinigung gemeinsam erarbeiteten Leitfaden zu Preisveränderungen und Lieferengpässen wurde der Empfehlungszeitraum aufgrund der aktuellen Situation erneut bis 31. Oktober 2022 verlängert.
Preisanpassung: zwei Varianten
Bei Anpassung von Angebotspreisen werden in der Regel zwei Fälle unterschieden. Bei reiner Valorisierung eines früher abgegebenen Angebotspreises wird lediglich die Veränderung eines vereinbarten Index zugerechnet. Die damit valorisierten Einheitspreise bleiben dann über den Leistungszeitraum unverändert.
Bei veränderlichen Preisen werden Angebotspreise auf Basis einer vereinbarten Preisumrechnungsgrundlage (Index, Warenkorb etc.) laufend angepasst. Aufgrund allfällig vereinbarter Schwellenwerte (laut ÖNorm B 2111 aktuell z. B. zwei Prozent) ergeben sich Phasen konstanter Preise (Preisperioden). Nur jeweils die in einer Preisperiode erbrachte Leistung wird zu dem zugehörigen Preisniveau abgerechnet.
Aber selbst die Vereinbarung veränderlicher Preise beinhaltet ein erhebliches Risiko für Fehlvergütungen, wenn die dem Vertrag zugrunde liegende Preisumrechnungsgrundlage (Index etc.) inhaltlich nicht zutrifft oder aus unterschiedlichen Gründen die tatsächliche Kostenentwicklung qualitativ nicht abbildet. In diesem Zusammenhang ist die Zusammensetzung (Art und Gewichtung der Pegelstoffe) der jeweiligen zugrunde liegenden Indexwarenkörbe wesentlich. Bei umfangreichen Baumaßnahmen ist der Werteverzehr (unterschiedliche Materialien und Einbaumengen) der einzelnen Bauphasen in der Regel stark unterschiedlich. Bei Erdarbeiten am Beginn des Projekts sind andere Kostenbestandteile relevant (z. B. Dieselpreis etc.) als bei späteren Stahlbauarbeiten. Die ÖNorm B 2111 (1. 5. 2007) "Umrechnung veränderlicher Preise von Bauleistungen" regelt dazu die Preisumrechnung nach Leistungsteilen. Mit den Baukostenindizes für Straßen-, Brücken- und Siedlungswasserbau stehen dazu entsprechende Subindizes, die inhaltlich den Leistungsgruppen der LB-VI angepasst sind, zur Verfügung.
Für die Umrechnung veränderlicher Preise auf Basis der Baukostenveränderungen des BMDW bietet die Geschäftsstelle Bau unter www.preisumrechnung.at eine praktikable Online-Plattform an.
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