Dachkompetenz

Retention mit Gründächern

Flachdach
30.03.2022

Der Begriff Retention steht eng in Zusammenhang mit der Entwässerung von Dachflächen. Auf natürliche Weise geschieht dieser Wasserrückhalt bei begrünten Dächern. Für ein höheres Wasserspeichervolumen kann die Begrünung mit zusätzlichen Retentionsmitteln kombiniert werden.
Gründächer sorgen für natürliche Retention.
Gründächer sorgen für natürliche Retention.

Retention umschreibt den Wasserrückhalt auf Flächen wie beispielsweise Dächern. Dieses Wassermanagement wird aufgrund des Klimawandels und der damit verbundenen Starkregenfälle immer bedeutender. Retentionsvolumen werden von Seiten der Behörde vorgeschrieben, um ein kommunales Kanalsystem bei kräftigen Gewittern oder Platzregen so weit zu entlasten, dass es zu keiner Rückstauung im Kanalsystem, in Folge auch des Abwasseranschlusses, und dadurch zu Überflutungen und Rückstauungen bis aufs Dach kommt. Um die Niederschlagsspitzen, speziell im ersten Moment eines Gewitters, abzufedern, werden Retentionsmaßnahmen geplant und vorgeschrieben. Diese können durch auf dem Grundstück verbaute Rückhaltebecken erfolgen, die das Niederschlagswasser gedrosselt abgeben, oder indem dem Niederschlagswasser möglichst gleich am Ort des Auftreffens – auf dem Dach – ein Rückhaltevolumen zur Verfügung gestellt wird. Grundsätzlich kann dies in verschiedenen Varianten erfolgen: 

Gründächer als Wasserspeicher

Gründächer können unterschiedlich viel Wasser aufnehmen. Dies richtet sich nach der Art und Dicke der Begrünung. Einfache extensive Gründächer haben ein Wasseraufnahmevolumen zwischen 20 l/m² und 35 l/m². Dickere Gründachaufbauten und intensive Gründächer bewegen sich bei einem Speichervolumen ab 50 l/m² bis hin zu mehreren Hundert Litern pro Quadratmeter, je nachdem, wie stark die Vegetationsschicht ist. Technisch ist das der einfachste Wasserrückhalt auf dem Dach und die zu empfehlende Variante. Ein besonderer Vorteil ist, dass das Wasser dort gespeichert wird, wo es auch in der Folge von den Pflanzen gebraucht wird, und nicht auf der Dachabdichtung angestaut wird.

Praxistipp

Ein einfaches Gründach speichert mindestens 20 Liter Wasser pro Quadratmeter. Bei einer Dachfläche von 500 m² sind das bereits 10.000 Liter oder 10 m³ Wasser. Das reicht oft schon aus, um die behördlich vorgeschriebene Retention zu erreichen.

Leichte Begrünung mit einem Wasserspeicher aus Steinwolle (statt Substrat) mit ca. 40 liter pro m² Wasserspeichervolumen.

Retention mit Anstauung und Drossel

Retention mit Anstauring bei Dachwasserablauf.

Durch Einsetzen von Anstauringen wird Niederschlagswasser bewusst auf der Dachfläche aufgestaut. Um ein Überstauen zu verhindern, sind diese Elemente in der Regel oberhalb der Retentionshöhe offen, sodass überschüssiges Wasser abfließen kann. Der Drosseleffekt wird oftmals auch durch kleine Bohrungen ermöglicht, die dann in der Folge ein langsames Abfließen des Wassers ermöglichen, sodass dieses nicht längerfristig auf dem Dach steht. Besonders bei Nacktdächern kann es durch angeschwemmten Schmutz wie Blätter aber schnell zu einem Verschließen der Drosselöffnungen kommen, wodurch dann in diesem Bereich das Wasser steht.
Die Drosselung kann ebenso mit einem Gründach kombiniert werden. Wichtig ist dann darauf zu achten, dass das stehende Wasser nicht bis zur Unterkante der Dachbegrünung bzw. des Gründachsubstrats reicht. Die trockenliebenden Gründachpflanzen vertragen keine Staunässe. Daher sind bei der Kombination Wasseranstau und Dachbegrünung in der Regel dickere Drainageelemente oder spezielle Spacer-Elemente und ein Abstand (Freibord) zur Begrünung einzuplanen.
Wenn das Wasser dauerhaft angestaut wird, dann ist die dampfsperrende Wirkung des stehenden Wassers unbedingt zu berücksichtigen. Als diffusionshemmende Schicht (Dampfsperre) soll eine mit dem Untergrund vollflächig verklebte 5 mm dicke Dampfsperre verbaut werden.

Praxistipp

Stehendes Wasser gilt als Dampfsperre. Daher muss bei einem Wasseranstau am Dach zwingend eine dichte Dampfsperre mit einem sd-Wert > 1.000 m eingebaut werden.

Anstau bei einem normgerechten Gefälle

Hält man sich an die Bestimmungen der ÖNorm B 3691, so sind um jeden innenliegenden Entwässerungspunkt der Gefälleanstieg (2 %) und das Absenken des Entwässerungspunktes (um ca. 2 cm) zu berücksichtigen. Allein diese zwei Punkte führen zu einer äußerst geringen Retention bei einem gemäß ÖNorm B 3691 ausgeführten Dachaufbau: Da das Wasser sich nicht parallel zum Untergrund verhält, sondern exakt horizontal anstaut, entsteht rund um das Anstauelement ein Wasserkegel, wie eine umgedrehte Pyramide. Bei einer Höhe des Wasseranstaus von 60 mm und einem Gefälle von 2 % ergibt sich lediglich eine Retentionsfläche im Radius von 3 m um den Gully. Dadurch ergibt sich ein Wasserspeichervolumen von lediglich 0,5 m³ Wasser pro Entwässerungspunkt, bis das Retentionselement überläuft und das Wasser wieder in den Kanal geleitet wird. Bei 500 m² Dachfläche und vier Entwässerungspunkten ergibt das lediglich ein Retentionsvolumen von 2 m³ Wasser. Im Vergleich dazu leisten ein einfaches, dünnes Extensivgründach hier mindestens ein Wasserspeichervolumen von 10 m³ und damit das Fünffache.
Mit einem Wasseranstau kann in der Folge nur ein effektiver Wasserrückhalt geschaffen werden, wenn das Gefälle reduziert wird bzw. sogar das Dach gefällelos ausgeführt wird.   

   Extensivgründach mit 6 cm Substrat und Drainage-bahn mit gesamt 25 Liter/m2 Wasserspeicher.

Gefällelose Dächer als Sonderkonstruktion für Retention

Solche Sonderkonstruktionen sind erlaubt, es muss aber besonders auf die Ausführung und alle Detaillösungen geachtet werden. Eine Dokumentation aller Punkte und der Arbeit ist sinnvoll. Begleitende Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung sollten gemacht werden. Hierzu steht auch ein vom Institut für Flachdachbau und Bauwerksabdichtung (IFB) und dem Verband für Bauwerksbegrünungen (VfB) erstellter Leitfaden zur Verfügung, in dem Ausführungsempfehlungen zu diesen Themen zu finden sind (Downloadlinks siehe Infobox unten).
Bei einem Wasseranstau von zum Beispiel 3 cm über die gesamte Dachfläche von 500 m² ergibt sich ein Retentionsvolumen von 15 m³ Wasser. Es wäre jedoch sinnvoll, zumindest ein leichtes Gefälle von wenigstens 0,5 % einzuplanen, um Gegengefällebereiche aufgrund von Ungenauigkeiten in der Ausführung zu vermeiden und dem Wasser zumindest die Richtung zu den Entwässerungselementen vorzugeben. Dann muss für das gleiche Retentionsvolumen die Anstauung beim Gully etwas erhöht werden.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzu-weisen, dass am Dach angestautes Wasser hohes Schadenspotenzial hat und Beschädigungen an der Dachabdichtung folglich zu einem deutlich stärkeren Wassereintritt führen. Aus diesem Grund sind auch entsprechende Zusatzmaßnahmen zu setzen. 

Standardaufbau einer Dachbegrünung.

Gründach als besserer Wasserrückhalt

Diese Beispiele für den Wasserrückhalt mittels Anstauung bzw. Drossel zeigen im Vergleich, dass sich durch die zusätzlichen Retentionselemente und Anstauelemente keine großen Wassermengen, verglichen zum "normalen" Gründach, rückstauen lassen.
Dass Gründächer bestens als Retentionsmittel geeignet sind, zeigt auch die Tatsache, dass bei der Berechnung und Bemessung der Entwässerung der sogenannte Abflussbeiwert berücksichtigt werden darf.
Der Abflussbeiwert C berücksichtigt die Dachneigung, die Rauigkeit und den Grad des Wasseraufnahmevermögens der Dachfläche. Bei Gründächern ab 8 cm Schichtdicke liegt dieser bei 0,5, bei dickeren Begrünungen reduziert er sich bis auf 0,1. Das heißt, es sind nur noch 10 % des Niederschlagswassers für die Bemessung der Dachentwässerung zu berücksichtigen, wodurch deutlich geringer Abflussquerschnitte notwendig sind. 

Retentionsvolumen nach Substrathöhe – Richtwerte.

Fazit

Lässt man alle Gesichtspunkte in die Entscheidung zwischen Retentionsdach oder ganz normales Gründach miteinfließen, kommt aus ökonomischen und natürlich besonders aus ökologischen Gesichtspunkten in den meisten Fällen nur das Gründach infrage.

Wasserrückhaltung und Abflussverzögerung sind wesentliche Eigenschaften von Dachbegrünungen. Der Gründachaufbau "saugt" sich mit Wasser voll, ein Teil davon verdunstet und gelangt so direkt wieder in den natürlichen Wasserkreislauf, der Rest des Niederschlagwassers fließt zeitlich verzögert ab. Für ein höheres Wasserspeichervolumen kann die Begrünung auch mit einer zusätzlichen Retention kombiniert werden. Die maximale Anstauhöhe des bewusst zurückgehaltenen Niederschlagswassers richtet sich nach der Höhe der verwendeten Komponenten. Egal wie hoch diese Elemente auch sind, die Maximalhöhe ist in jedem Fall die Unterkante der Begrünung, damit diese nicht im Wasser steht.
(bt)

Beiblatt Retentionsdächer

Download des Beiblatts Retentionsdächer des IFB und VFB:
Institut für Bauwerkabdichtung
Verband für Bauwerksbegrünung / Grünstattgrau

Branchen
Dach + Wand