Sachverständigen-Praxis
Beinahe ein Totalschaden
Trotz winterlicher Temperaturen drängen manche Auftraggeber auf Weiterarbeit und Fertigstellung, ohne zu berücksichtigen, dass Material und auch der Mensch Grenzen haben. Bei Temperaturen unter +5° C ist das Schweißen von Folien nicht mehr sicher durchzuführen und die Fehlerquote, auch die erst allmählich festzustellende, steigt und birgt ein nicht kalkulierbares Risiko.
All jene Kollegen, die meinen, das betrifft sie nicht, oder sie wissen oder können es besser, kann ich „beruhigen“: Es dauert sieben bis zehn Jahre. Danach kommen die Mängelrüge und die Schadenersatzforderung. Das ist leider eine in meiner Sachverständigentätigkeit immer wieder festgestellte Tatsache. Deshalb: Lasst euch nicht von Bauherren und deren ÖBA zu Arbeiten zwingen, die von vornherein kaum Chancen haben von Bestand zu sein.
Aktueller Schadensfall: Aufsteigende Feuchtigkeit
Zu einem Objekt wurde ich gerufen, da sich in den Innenräumen, vor allem entlang der Portale, aber auch an den Gebäudeecken, aufsteigende Feuchtigkeit ausbreitete. Die Eigentümer waren der Meinung, der Zimmerer habe die horizontale Abdichtung über der Kellerdecke nicht oder schlampig hergestellt. Das Erdgeschoß war als Holzriegelbau auf der Kellerdecke errichtet, und da ist jede Art von Feuchtigkeit der Start des Versagens.
Portalkonstruktion mit Schiebe-Hebe-Türe
Im Bild erkennt man die Portalkonstruktion mit der Schiebe-Hebe-Türe. Die Fliesen, ohne Rigol angearbeitet, mit Dichtstoff zum Stock hin ausgeführt. Ich bemerkte, dass die Fuge zum Stock teilweise abgelöst und dunkel war, so wie auch die ersten beiden längslaufenden Fliesenfugen dunkler verfärbt waren als die der weiteren Fläche. Die Feuchtigkeit war messbar. Das Abklopfen der Oberfläche brachte eine Hohllage zum Vorschein, der anwesende Fliesenleger meinte, die letzte Fliese zum Stock hin liege auf einer OSB-Platte auf. Er könne sich auch nicht vorstellen, warum die Ebenheit nicht mehr so ganz gegeben ist. Das Abnehmen der Fliesen wurde von den Eigentümern beschlossen, man wollte danach eben ein Rigol nachrüsten.
Die Misere wird sichtbar
Auf diesem Bild ist die Misere sichtbar. Vor der Bodenschwelle, auf welcher der Stock steht, wurde vom Zimmermeister, also dem Errichter des Holzriegelbaus, ein Brett mit ca. 2,5 cm Abstand zur Bodenschwelle aufgestellt. Warum, wusste niemand mehr.
Meine Vermutung: Das war das Bauprovisorium, bevor die Portalkonstruktion eingebaut wurde. Der Bauwerksabdichter hat auf dieses Brett seine zweilagige Abdichtung hochgezogen und fallweise mit einem Dachpappnagel befestigt. Weiter geschah vom Bauwerksabdichter nichts mehr.
Beim Ortsaugenschein meinte er, ich hatte keinen Auftrag den Stock dicht anzuschließen. Gefragt – nein habe ich nicht, wir waren so wie es da aussieht fertig und haben die Baustelle verlassen.
Die Eigentümer haben von der Baufirma die Weiterarbeit abgerufen und diese hat die Trenn- und Schutzlage auf der Abdichtung verlegt und den Gefälleestrich hergestellt. Das Detail des Anschlusses an die Portalkonstruktion blieb weiterhin ungeklärt.
Der Fliesenleger wiederum hat den Eigentümern erklärt, dass der verbliebene Spalt verschlossen und abgedeckt werden muss und er auf den Estrich eine Abdichtung aus einer mit dem Dünnbettkleber verträglichen Spachtelmasse herstellt. Die Eigentümer als Laien haben das so verstanden, dass damit auch die Holzkonstruktion gegen Wasser geschützt ist und dass kein Wasser in die Konstruktion eindringt.
Noch bei der Befundaufnahme blieb der Fliesenleger dabei, dass seine mit Kunststoff versetzte Zementspachtelmasse bestehende Abdichtung auch für die Belastung W6-Außenbereich der ÖNORM B 3692 tauglich und zugelassen sei. Dass in der Tabelle 8 der ÖNORM festgelegt ist, dass dies nur in Zusammenhang mit einer Abdichtung gemäß ÖNORM B 3691 der Fall ist, wollte der Mann mir nicht glauben. Die Norm am Tablet aufgerufen und vorgehalten, brachte doch das Ergebnis, dass er für seinen Fehler einstand.
Was war aber mit dem Bauwerksabdichter, der auf die Erfordernis des Anschlusses seiner Abdichtung an das Portal die Laien nicht hingewiesen hat? Dieser musste seiner Betriebshaftpflicht-Versicherung eine Meldung machen und musste 50 Prozent der Wiederherstellungskosten übernehmen.
Die Folgen des Versagens
Die Folgen des Versagens der beiden Firmen sieht man auf diesem Bild. Der zugezogene Statiker hat eine sofortige provisorische Verstärkung der Ecksteher veranlasst, und in der Folge waren nach weiteren Untersuchungen die zwei an derselben Fassadenseite des Objekts vorhandenen Ecksteher und die Fußschwelle über die gesamte Gebäudelänge auszutauschen. Somit auch die WDV-S-Fassade entsprechend ab und neu aufzubauen. Also ein nicht unbeträchtlicher Schaden am Objekt – entdeckt, noch bevor ein Totalschaden entstanden ist.
Das Resümee daraus kann nur sein:
Als Bauwerksabdichter/Dachdecker verlasse ich die Baustelle erst, wenn ich sicher bin, dass die Einbauteile auch fachgerecht an meine Abdichtung angeschlossen sind, und ich komme der Warn- und Hinweispflicht eher einmal mehr als zu wenig nach.