Dachkompetenz
Vom Flachdach zum Photovoltaikdach
Gemäß ÖNorm M 7778 hat die Montage von PV-Modulen unter Berücksichtigung der maßgeblichen Parameter wie Standort, Gebäudeform, Einbauart, örtlich auftretende Wind- und Schneelasten zu erfolgen. Die Funktionstüchtigkeit der Dacheindeckung sowie des Unterdaches darf durch die Anbringung von PV-Modulen einschließlich der zugehörenden Kabel/Leitungen nicht eingeschränkt werden. Die tragende Unterkonstruktion muss in der Lage sein, alle zusätzlichen Einwirkungen aufzunehmen. Dies gilt insbesondere bei nachträglichem Einbau.
Zustand des Daches im Bestand
Eine Hauptfrage ist die Restlebensdauer des Daches. Hierzu ist es wichtig, das Dach im Bestand zu kontrollieren. Bei Kunststoffbahnen und hier vor allem bei PVC-Flachdachabdichtungen gibt die Flexibilität der Abdichtungsbahn einen wichtigen Anhaltspunkt zur restlichen Lebensdauer. Bei Bitumenbahnen sind vor allem die Oberflächen auf Krakelierungen, Ablösungen der Oberschicht oder auch auf Materialschrumpf an den Stößen zu untersuchen. Ebenfalls müssen natürlich alle Anschlüsse fachgerecht ausgeführt sein.
Weiters kann man sich auch als Erstabschätzung an der geplanten Lebensdauer des Daches orientieren. Hierzu gibt die ÖNorm B 3691 entsprechend in der Kategorisierung die Hinweise: Diese definiert bei Standarddächern (K2) die geplante Nutzungsdauer mit 20 Jahren und bei hochwertig ausgeführten Dächern (K3) mit 30 Jahren.
Ebenfalls sollte das Flachdach ein normgerechtes Gefälle aufweisen. Dies nicht zuletzt damit auch die elektronischen Komponenten der PV-Anlage nicht im Wasser stehen. Bei Dachflächen mit einer Neigung bis ungefähr 5 % (3°) ist aufgrund zulässiger Ebenheitstoleranzen, der Durchbiegung des Tragwerks, vorhandenem Gegengefälle und aufgrund von Unebenheiten an Bahnenüberlappungen und -verstärkungen eine Pfützenbildung möglich. Bei reduziertem Gefälle wird diese Problematik verstärkt.
Grundsätzlich gilt: Gefälle ist wichtig
Zudem ist bei einer Auflast durch Photovoltaik und Solaranlagen die Druckbelastung der Wärmedämmung zu beachten. Hier sind besonders weiche Dämmungen wie Steinwolle teilweise zu schwach. Durch eine dauerhafte Belastung darf die Dämmschicht nur um 2 % in ihrer Dicke gestaucht werden. Wenn eine zu weiche Dämmung im Bestand vorhanden ist, muss entweder eine andere Anlagenkonstruktion gewählt werden, die die Last flächiger statt punktuell verteilt, oder es muss ggf. eine lastverteilende Schicht zusätzlich oder ein Austausch der Dämmung in Betracht gezogen werden. Sonst kann es passieren, dass sich die PV-Anlage in die Dämmung und damit in die Dachabdichtung eindrückt und hier vor allem zu stehendem Wasser führt.
Aufbauten und Einbauten am Dach
Aufbauten werden oftmals in der Photovoltaikplanung aufgrund ihrer Beschattungswirkung beachtet. Aber gerade Rauchabzüge, die im Brandfall komplett öffnen, benötigen daneben den gleichen Platz nochmals. Die Positionierung der Lichtkuppel und der PV-Anlage ist genau zu betrachten. So sollte der Abstand zu anderen Einbauteilen, Aufbauten oder Wandhochzügen mindestens 50 cm betragen, um eine gute Einbindung zu gewährleisten und eine Kontrolle zu ermöglichen. Ebenfalls ist darauf zu achten, dass die Öffnungsmechanismen und allen voran die Rauchabzüge nicht am Öffnen gehindert werden bzw. bei maximaler Öffnung an anderen Bauteilen anstehen. Dies ist besonders bei Industrieentrauchungen nach TRVB 125 zu beachten, die 165 Grad, also fast bis auf die Dachfläche, öffnen. Hier sind bereits Solaranlagen direkt neben der RWA-Klappe im Weg. Ebenso muss das Öffnen zu jeder Zeit uneingeschränkt von Auf- und Einbauten möglich sein.
Auch andere Einbauten müssen entsprechend ihrer Lage berücksichtigt werden. So müssen diese immer frei zugänglich sein. Damit die Entwässerungselemente auch lange und gut funktionieren, müssen diese regelmäßig, aber zumindest einmal jährlich gereinigt und gewartet werden. Abläufe sind hierzu gemäß ÖNorm B 3691 zu Wartungszwecken zugänglich auszubilden, um in entsprechenden Intervallen kontrolliert, gereinigt, gewartet und auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüft werden zu können. Gerade da verstopfte oder mangelhafte Entwässerungselemente häufig schadensursächlich sind, dürfen diese auf keinen Fall mit PV-Modulen überbaut und damit versteckt werden.
Sicherheit am Dach
Wenn Dächer in ihrer Nutzung geändert werden, sind damit dann auch die aktuell gültigen Normen einzuhalten. Das heißt, auch wenn bei der Errichtung eines ungenutzen Daches keine oder andere Sicherheitsausstattungen notwendig waren, so sind bei einer Nutzungsänderung wie bei Installation einer PV-Anlage die entsprechenden Sicherheitsausstattungen nach ÖNorm B 3417 ggf. nachzurüsten. Neu zu errichtende oder zu sanierende Dachflächen sollten in Hinblick auf die spätere Nutzung bzw. Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten so geplant werden, dass grundsätzlich durch eine ständige Sicherheitsausstattung (bauliche Maßnahmen wie Geländer, Attika oder Dachsicherheitssystemen, z. B. Anschlageinrichtungen) ein gesichertes Begehen der Dachflächen möglich ist. Bei einer Nutzung mit einer PV-Anlage gilt in der Regel Ausstattungsklasse 2 (lineare Sicherungen: z. B. Seilsystem) oder Ausstattungsklasse 3 (Geländer).
Folgendes Zitat stammt aus der ÖNorm B 3417 "Planung und Ausführung von Sicherheitsausstattungen":
"Ständige und temporäre Anschlageinrichtungen sind grundsätzlich als Rückhaltesysteme zu konzeptionieren. Bereiche, bei denen lediglich eine Sicherung als Auffangsystem möglich ist und damit das Risiko eines Sturzes in das Seil besteht, sind klein zu halten."
Dies beschreibt gut, dass der oftmalige Wunsch, das Seilsystem direkt an der Attika zu positionieren der grundsätzlichen Intention der ÖNorm B 3417 widerspricht. Aufgrund der benötigten Absturzhöhen ist eine Positionierung am Rand oft auch deswegen ausgeschlossen.
Vielmehr wäre es sinnvoll, auch bei voller Belegung das Seil zumindest 2 m von der Absturzkante entfernt zu positionieren. Hier rentiert sich als Anleitung ein Blick über die Grenze in die Schweiz, da die Gebäudehülle Schweiz eine Lösung beschreibt, wie bei vollflächiger Belegung und einer Positionierung außerhalb und innerhalb des Sicherheitsseiles eine gute Sicherheitsausstattung möglich ist. Mit dieser Lösung kann oft auch gut auf bestehende Sicherheitsausstattungen aufgebaut werden.
Alle Dächer ab einer Fläche von 150 m², oder auch wenn diese kleiner sind und für PV-Anlagen genutzt werden, müssen durchsturzsichere oder mit Durchsturzsicherungen ausgestattete Tageslichtelemente haben. Durchsturzsicherungen mit in Lichtkuppeln integrierten Durchsturzsicherung sind simpel, aber wirkungsvoll. Wichtig ist aber, dass diese Systeme von einer angesehenen unabhängigen Prüfstelle geprüft sind und für jahrelange Sicherheit sorgen. Jährlich zu wartenden Systemen sind hier nicht zielführend und bergen ein hohes Gefahrenpotential. Daher ist von Lichtkuppeln, die zwar in fabriksneuer Form teilweise durchsturzsicher sind, aber über die Jahre aufgrund Materialalterung an Stabilität verlieren, ohne zusätzliche Sicherheitsausstattungen abzuraten bzw. sind diese auch nicht zugelassen.
Wartung und Zugänglichkeit
Zur Wartung des Daches und zur Kontrolle muss auch immer die Zugänglichkeit gegeben sein. Somit ist auch klar, dass eine vollflächige Positionierung der PV-Anlage ohne Berücksichtigung von Wartungswegen nicht sinnvoll ist.
Ebenso müssen gemäß OVE-Richtlinie R 11-1 PV-Anlagen: PV-Generatorfelder mindestens 1 m zur Attika angeordnet werden. Größere Felder dürfen höchstens eine Größe von 40 x 40 m aufweisen. Danach müssen sie durch einen 1 m breiten Streifen getrennt sein. Dies, um auch im Brandfall ein Löschen durch die Feuerwehr zu ermöglichen.
Grundsätzlich geht von jeder elektrischen Anlage oder jedem elektrischen Betriebsmittel eine Brandgefahr aus. Produkt- und Errichtungsnormen sowie die in der EU geltenden Sicherheitsstandards sorgen dafür, dass die Verwirklichung der Gefahr unterhalb eines akzeptierten Risikos (Grenzrisiko) verbleibt und man von einer vorhandenen Sicherheit ausgehen darf. Erfahrungen zeigen aber auch, dass beispielsweise aufgrund von mangelhaften Produkten, Fehlern beim Planen und Errichten von Anlagen, Alterung oder besonderen Einflüssen von außen, Brände durch elektrische Betriebsmittel verursacht werden.
Schutz des Daches
Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Materialien werden oftmals unterschätzt. Am meisten bedacht gegeben werden muss in diesem Zusammenhang auf PVC-Dachabdichtungen. Beim Kontakt zu anderen Baustoffen muss hier sehr oft eine Trennlage, in den meisten Fällen ein Vlies, eingebaut werden. Darauf ist besonders beim Kontakt von PVC zu Produkten mit Gummi/EPDM, sowie beim Kontakt zu EPS und XPS zu achten. Fehlende Trennlagen führen hier in Folge dann zu einer Weichmacherwanderung und damit zu einer schnelleren Alterung der Dachbahn. Generell kann gesagt werden, dass zwischen unterschiedlichen Materialien immer eine Trennlage eingebaut werden sollte, wenn die gegenseitige Wechselwirkung der Stoffe nicht genau bekannt ist, um spätere Folgen zu vermeiden.
Unter Photovoltaikanlagen werden oft flächig oder streifenweise Gummigranulatmatten als Schutzlage aufgebracht. Um die Anforderung der ÖNorm B 3691 zu erfüllen, müssen diese mindestens 6 mm stark sein. Zum Ausschluss der Wechselwirkung mit bspw. PVC können diese auch gleich vlieskaschiert ausgeführt sein. Bei vollflächiger Verlegung ist von PE- oder Alu-kaschierten Gummigranulatmatten aufgrund des hohen Diffusionswiderstandes abzuraten.
Für eine lange Dachlebensdauer braucht es eine regelmäßige Begutachtung der Schutz- und Nutzschichten der Abdichtung und der An- und Abschlüsse. Die Dachwartung mit verbundener Dachkontrolle und Instandhaltungsarbeiten ist laufend durchzuführen. Vor allem vor einem Betreten des Daches von Fremdgewerken wie beispielsweise der Errichtung einer PV-Anlage durch Solarbauer ist es ratsam, das Dach vorab fachmännisch zu begehen um einerseits vorhandene Mängel zu erkennen, aber auch den Ist-Zustand vor Beginn der Arbeiten zu dokumentieren. Dies ermöglicht es in Folge bei Schäden den möglichen Zeitpunkt und damit die Verursacher einzugrenzen. Für die Folgearbeiten sind gegebenenfalls Schutzlagen vollflächig oder in Teilbereichen/Arbeitsbereichen zu verlegen.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass gemäß ÖNorm B 3691 die Dachkonstruktion so zu planen und zu bemessen ist, dass die Kontrolle und Instandhaltung des Abdichtungssystems mit angemessenem Aufwand durchführbar sind.
Befestigung der PV-Anlage
Die klassische Form der Aufständerung ist eine aerodynamisch optimierte PV-Anlage mit einer Auflast. Diese bringt jedoch ein zusätzliches Gewicht auf das Dach, was oft bei Nachrüstungen zu viel sein kann. Aufgrund der aerodynamisch besseren Form sind hier Ost-West Ausrichtungen gegenüber Südausrichtungen im Vorteil.
Normale Auflastgehalten Solaranlagen funktionieren in der Regel nur bis zu einer Neigung von 5°. Auch bei dieser Neigung ist bereits ein Verrutschen der Anlage möglich. Mit auf einer Dachbahn festgeschweißten PV-Haltern wird die Anlage statt mit einer Auflast versehen, mit der Dachabdichtung verschweißt und damit fixiert. Dies ist eine Lösung für geringe Lastreserven, aber auch für leicht geneigte Dächer bis 10°.
Wird eine PV- oder eine Solarthermie-Anlage bei einem mit Dachabdichtung versehenen Steildach (> 5° DN in der Regel Kaltdachkonstruktion, Holzuntergrund) montiert, muss diese in der Regel auch mechanisch befestigt werden, um auch ein Abgleiten zu verhindern. Hier hat sich in den letzten Jahren die Variante der Stockschraube aufgrund ihres Preis-Leistung-Verhältnisses und Einfachheit durchgesetzt. Nur leider ist die Kombination aus Abdichtung, die mit einer Schraube durchstoßen wird und mittels Dichtmasse oder Beilagscheibe und Dichtung abgedichtet wird, eine denkbar schlechte. Gerade bei flachen Neigungen sind hier Undichtigkeiten zu erwarten. Sinnvoll ist es, die Stockschraube mit einer Einfassung zu kombinieren und den Übergang zwischen Einfassung und Stockschraube mit einem Schrumpfschlauch abzudichten. Durch die „geschützte Lage“ und den dichten Übergang ist auch eine geringere Hochzugshöhe möglich. In Summe sollte diese aber im besten Fall 5 cm nicht unterschreiten.
Solaranlagen werden zunehmend mit Dachbegrünung kombiniert, weil dies einerseits zunehmend Gegenstand von Vorgaben und Förderungen ist und andererseits große Synergieeffekte bringt: Die Begrünung dient gleichzeitig als Auflast zur Windsogsicherung der Solar-Anlage, was Dachdurchdringungen überflüssig macht und zudem hohe Punktlasten verhindert. Die Photovoltaik-Module wiederum profitieren hinsichtlich ihres Wirkungsgrades durch die kühlere Oberfläche der Dachbegrünung im Vergleich zu Kiesdächern.
Der Wirkungsgrad von Photovoltaik-Modulen ist abhängig von deren Temperatur. Es gilt die Faustregel „je wärmer das Modul, desto geringer der Wirkungsgrad“. In der Praxis heizen sich Module durch die Sonne, aber auch durch dunkle Flächen und Kies verstärkt auf und können bis zu 90 °C erreichen. Ein Gründach hingegen bleibt auch an heißen Tagen moderat temperiert, die Oberflächentemperatur übersteigt hier kaum 30 bis 35 °C.
Zur Aufständerung der Photovoltaikmodule werden Trägersysteme verwendet, die auf die Solargrundbasis montiert werden, die gleichzeitig der Drainage und Wasserspeicherung dienen. Das Gründach und seine Unterkonstruktion sind so zu planen, dass das gesamte anfallende Regenwasser der Dachfläche der Dachbegrünung zur Verfügung gestellt wird.
Diese Systeme werden durch die Auflast des Substrates gehalten. Die Auflast muss hierbei objektbezogen berechnet werden, sollte aber nicht zu hoch gewählt werden (6–10 cm) um einen flachen Wuchs zu gewährleisten. Besonders wichtig ist, dass bei Solargründächern ein Mindestabstand von 30 cm von der Substratoberfläche zur Unterkante der Solarpaneele beachtet wird, um eine Verschattung durch zu hochwachsende Pflanzen zu vermeiden.
Gut geplant, sinnvoll genutzt
Wenn man bereits bei der Planung einige Dinge berücksichtigt und alle handelnden Personen mit dem wichtigsten Schutz des Hauses – dem Dach – sorgsam umgehen, dann können auf vielerlei Flachdächern im Bestand Solaranlagen platziert werden. Es sollte jedoch nicht nur auf einen Faktor (z. B. maximale kWpeak) geachtet werden. Vielmehr ist es notwendig das Dach als Ganzes und die Möglichkeiten zu sehen.
Das Flachdach sollte genutzt werden, und bei einer richtigen Ausführung und Planung steht einer wertvollen Nutzung der vorhandenen Flächen nichts im Weg.
(bt)