Regenwassermanagement
Wasserretention auf Dächern
In urbanen Gebieten stellt die effiziente Bewirtschaftung von Regenwasser, insbesondere bei Starkregenereignissen, eine zunehmende Herausforderung dar. Die Integration von Gründächern bietet hierfür eine innovative Lösung, indem sie zur Wiederherstellung der natürlichen Wasserbilanz beiträgt, die Kanalisation entlastet und die Effekte des Klimawandels abschwächt.
Die Versiegelung von Flächen durch Bebauung und Straßenbau hat zu einer signifikanten Veränderung der natürlichen Wasserbilanz geführt. Die natürliche Versickerung und Verdunstung von Regenwasser wird dadurch stark eingeschränkt, was in einer erhöhten Oberflächenabflussmenge resultiert. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das lokale Mikroklima, sondern führt auch zu einer erhöhten Belastung der städtischen Entwässerungssysteme, insbesondere bei Starkregenereignissen.
Das Prinzip der Wasserretention auf Dächern
Gründächer stellen eine effektive Lösung dar, um den Herausforderungen des Klimawandels und der urbanen Verdichtung zu begegnen. Sie tragen dazu bei, die natürliche Wasserbilanz wiederherzustellen, indem sie die Wasserrückhaltung fördern und gleichzeitig zur Kühlung und Biodiversität beitragen. Durch die Retention von Regenwasser auf dem Dach wird der Abfluss verzögert und die Belastung der städtischen Kanalisation reduziert.
Neben den konventionellen Gründachaufbauten gibt es zwei spezielle Bauweisen, die sich insbesondere dem Thema Retention annehmen:
1. System Retention Abflussbeiwert
2. System Retention Drossel
Technische Aspekte der Wasserretention
Ein Schlüsselelement der Wasserrückhaltung auf Dächern ist der Einsatz spezieller Retentionssysteme, die den Abfluss von Regenwasser effektiv drosseln und verzögern können. Diese Systeme nutzen Retentionselemente mit temporärer (oder auch permanenter) Wasserspeicherfunktion, um eine optimale Abflussverzögerung (System 1) und maximale Verdunstung (System 2) zu erzielen. Die Dachneigung spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sie die Effizienz der Wasserretention beeinflusst (Abweichung des Regelgefälles bei System 2).
Ein typischer Aufbau eines Gründachs umfasst mehrere Schichten: eine Vegetationstragschicht, eine Filterschicht, eine Dränschicht, eine Schutzschicht und Dachabdichtung. Jede Schicht erfüllt spezifische Funktionen, von der Unterstützung des Pflanzenwachstums bis hin zur effizienten Drainage des Überschusswassers.
Die erfolgreiche Implementierung von Retentionssystemen erfordert eine umfassende Planung, die bereits in der Entwurfsphase beginnt. Ein effektives Regenwassermanagement berücksichtigt die statischen Anforderungen des Gebäudes, das Gesamtkonzept der Dachentwässerung sowie lokale Vorschriften zur Wasserbewirtschaftung. Die Zusammenarbeit aller beteiligten Gewerke ist für die Realisierung von funktionierenden und nachhaltigen Lösungen essenziell.
Die Abbildung verdeutlicht den Unterschied der beiden Retentionsdachaufbauten. Dieses System funktioniert bei allen Flachdachsystemen von 0 bis 5° Neigung.
Was besagt der Spitzenabflussbeiwert?
Die Abflussverzögerung eines Gründachs wird durch den sogenannten Spitzenabflussbeiwert (Cs) quantifiziert. Dieser Wert gibt an, welcher Prozentsatz des Regenwassers zurückgehalten wird. Gründächer weisen typischerweise niedrigere Cs-Werte auf als traditionelle Dachflächen, was ihre Fähigkeit zur Reduzierung des Oberflächenabflusses unterstreicht.
Grundsätzlich gilt: Bei einsetzendem Starkregen fließt in der Spitze weniger Wasser von begrünten Flächen als von unbegrünten Dachflächen ab. Dieser puffernde Effekt hat direkten Einfluss auf die Bemessung der Dachentwässerung.
Ein Rechenbeispiel dazu: Eine Dachfläche von 100 Quadratmetern mit einem Abflussbeiwert von C = 0,5 (extensiv begrünte Dachfläche mit einer Aufbauhöhe von 8 cm) weist eine abflusswirksame Fläche von 50 Quadratmetern auf. In der Folge kann die Hauptentwässerung entsprechend kleiner bemessen werden.
Betrachtung für Regenereignisse von 15 Minuten
Um den spezifischen Cs-Wert für Gründachaufbauten zu ermitteln, steht ein gängiges Verfahren zur Verfügung. Hierzu wird über 15 Minuten ein vordefinierter Bemessungsregen über einen Messtisch mit dem zu prüfenden Aufbau aufgebracht. (Der Gründachaufbau ist bei Start der Prüfung schon im wassergesättigten Zustand = worst case). Nach diesem Zeitraum wird die Beregnung gestoppt und gemessen, welcher Anteil des Regens nach 15 Minuten abgelaufen ist. Auf Basis dieses Verfahrens können auch extensive Gründachsysteme mit speziellen Retentionselementen mit Cs-Werten von bis zu 0,1 nachgewiesen werden. Der Wert 0,1 zum Beispiel besagt, dass in den ersten 15 Minuten nur 10 Prozent des ankommenden Regens abfließen.
Dementsprechend kann die Hauptentwässerung im Vergleich zu einem unbegrünten Dach rechnerisch um 90 Prozent verkleinert werden. Auf diese Weise ist es möglich, die Kanalisation bei Starkniederschlägen im kritischen Zeitraum von 5 bis 30 Minuten Regendauer spürbar zu entlasten. Das ist vor allem deswegen wichtig, um in dieser ersten Zeit die Kanalisation für das abfließende Regenwasser von Straßen und anderen versiegelten Flächen freizuhalten.
Im Bereich des Mischsystems, wo Schmutz- und Regenwasser in einer Leitung zum Klärwerk transportiert werden, kommt es bei Überlastung dazu, dass das System überläuft und mit Regenwasser verdünntes Schmutzwasser in die Gewässer gelangt. Die eingeschlämmten Schad- und Nährstoffe haben gravierende Folgen für die Qualität unserer Gewässer und können auch Massensterben von z. B. Fischen verursachen.
Verhalten bei länger anhaltenden Niederschlägen
Der Cs-Wert von 0,1 wird für den Bemessungsregen und den besagten Zeitraum von 15 Minuten betrachtet. Sollte es länger intensiv regnen, sättigt sich das Gründach mit Wasser und der Cs-Wert steigt mit der Zeit an.
Fallbeispiele und Best Practices
Anhand von Fallbeispielen wird die praktische Anwendung und die positive Wirkung von Gründächern auf die urbane Wasserbewirtschaftung illustriert. Diese Beispiele dienen als Inspiration und Orientierung für die Implementierung eigener Projekte.
Ein illustratives Beispiel für die erfolgreiche Anwendung von Retentionssystemen bietet ein Projekt in Villingen-Schwenningen, wo ein umfangreiches Gründachsystem auf einem Hotel und einer angrenzenden Tiefgarage installiert wurde. Dieses System konnte die Vorgaben der Stadtentwässerung hinsichtlich der Einleitmenge von Regenwasser (System Drossel, also Punk 2) effektiv erfüllen und somit zur Überflutungssicherheit beitragen.
Retentions-Gründächer als effektive Strategie
Gründächer, vor allem Retentions-Gründächer, stellen eine effektive Strategie dar, um die Herausforderungen des urbanen Wassermanagements zu bewältigen. Sie bieten nicht nur ökologische und ästhetische Vorteile, sondern tragen auch zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten bei. Angesichts des Klimawandels und der zunehmenden Urbanisierung wird ihre Bedeutung in der modernen Stadtplanung und im Bauwesen weiter zunehmen.
Text: Gundula Dyk, Peter Balogh
Autor*innen
DI Gundula Dyk ist seit 2023 Systemberaterin für Gründach bei Bauder. Sie hat jahrelange Erfahrung in der Planungs- und Umsetzungsunterstützung von Grün- und Nutzdächern und an der Universität für Bodenkultur Wien promoviert. Seit 2013 ist sie Vorstandsmitglied im Verband für Bauwerksbegrünung.
Ing. Peter Balogh ist der Leiter der Anwendungstechnik seit 1999 bei Bauder Österreich tätig. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind die Beratung und Planung von komplexen Dachsystemen. Er ist Mitglied des ÖNorm Komitees 214 Abdichtungsbahnen und wirkt in weiteren Arbeitsgruppen des österreichischen Normungsinstituts.