Fokus Dämmen
Weg mit dem Förderdschungel
„Das Jahr fing schlecht an – und ging schwach weiter. Das wird sich auch so schnell nicht ändern.“ Die Aussage eines niederösterreichischen Baumeisters, der sich auf den Bereich der thermischen Sanierungen spezialisiert hat, drückt in wenigen Worten aus, wie es der Dämmstoff-Branche derzeit geht. Noch kürzer formuliert: nicht so gut.
Dabei war bereits in den vergangenen beiden Jahren eine deutliche Zurückhaltung der Kunden zu spüren. Dies zeigen die Zahlen der Vereinigung „Gebäudehülle + Dämmstoff Industrie GDI 2050“: Wurde im Rekordjahr 2021 noch ein Absatzhoch mit 6,3 Millionen Kubikmetern verkauften Dämmstoffprodukten erzielt, so waren es 2022 rund 5,9 Millionen und 2023 nur noch 5,2 Millionen. „Allein in den letzten beiden Jahren hat die Branche durch das geringe Bauvolumen rund 1,1 Millionen Kubikmeter weniger an Dämmstoffen verkauft und verbaut“, konstatierte GDI 2050-Vorstand Roland Hebbel nach dem ersten Quartal 2024. Sein Ausblick auf die Folgemonate: „Eine Trendumkehr ist aktuell leider noch nicht erkennbar. Zu langsam mahlen die Mühlen der Bürokratie.“
Minus sechs bis acht Prozent beim Absatz
Hebbel sollte mit seiner verhaltenen Prognose Recht behalten. Clemens Demacsek, der Geschäftsführer der GDI 2050, gegenüber der Bauzeitung: „Der heutige Dämmstoffabsatz war bis jetzt deutlich schlechter als im letzten Jahr. Trotz positiven Denkens ist keine Besserung in Sicht.“ Die Dämmstoffhersteller bestätigen seine Einschätzung. „Dämmung bleibt ein Kampf um jedes noch so kleine Objekt“, beschreibt Paul Lassacher, Technischer Geschäftsführer der Synthesa Gruppe, die Lage. „Auch im Vergleich zum bereits schwachen Jahr 2023 sind wir mit weiteren Rückgängen konfrontiert! Auch der Ausblick bis zum Jahresende lässt maximal marginale Verbesserungen erahnen.“
Udo Klamminger, Geschäftsführer von Knauf Insulation, drückt es in Zahlen aus. Er geht von einem Marktrückgang bei Dämmstoffen von rund sechs bis acht Prozent im Volumen in diesem Jahr aus. Robert Novak, Geschäftsführer Vertrieb beim Mitbewerber Austrotherm, verweist auf das äußerst schwierige Umfeld, in dem sich die Branche bewegt. „Die Marktlage hat sich im Vergleich zu den letzten beiden Jahren aber auch den Jahren vor der Coronakrise deutlich verschlechtert. Es belegen zusätzlich zu unserer Beobachtung auch offizielle Daten, wie Baubewilligungen und Fertigstellungsstatistiken, dass das Bauvolumen für 2024 dramatisch abgenommen hat“, so Novak. Er ergänzt: „Dazu kommt in weiterer Konsequenz ein sehr harter Preiskampf aller Industriepartner, welcher auf die Margen drückt und Einsparungen in vielen Unternehmensbereichen dringend notwendig macht.“
Über einen Mangel an Herausforderungen kann sich auch Wolfgang Marka, General Manager Adria & Italy bei Ursa, nicht beklagen. „Unser Geschäft entwickelt sich parallel zur Baukonjunktur, das heißt, dass wir immer noch mit großen Herausforderungen konfrontiert sind. Wir bleiben trotzdem am Ball, schauen positiv in die Zukunft und halten dabei unsere Nachhaltigkeitsziele vor Augen“, meint Marka. Eine Besserung der Marktlage erwartet er so schnell nicht: „Wenn wir auf die Neubaugenehmigungen im heurigen Jahr sehen, erwarten wir diese negative Entwicklung im Baugeschäft bis weit ins nächste Jahr.“
Auf unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Marktsegmenten verweist Knauf Insulation-Chef Klamminger. Dies sei „abhängig davon, ob es sich um den mehrgeschossigen Wohnbau handelt, um öffentliche Gebäude, um die Sanierung im klassischen Sinn oder um ein Fertighaus. Das Einfamilienhaus und das große Segment der Fertigteilhäuser sind derzeit so gut wie nicht existent.“
Vor allem die thermische Sanierung, in die praktisch alle Marktteilnehmer zu Beginn des Jahres nach der Verdreifachung der Förderung durch den Bund gelegt hatten, konnte die Erwartungen nicht einmal im Ansatz erfüllen. „Die Nachfrage entwickelt sich wesentlich schlechter als geplant“, sagt Baumit Österreich-Geschäftsführer Georg Bursik. „Wenn nicht mehr Interesse – und damit Nachfrage – für den prinzipiell tollen Sanierscheck geweckt wird, dann wird sich auch bis zum Jahresende nicht viel ändern.“
Die Branche wartet bislang vergeblich darauf, dass der „Sanierungsturbo“ zündet. „Der Ausdruck ‚Sanierungsturbo ist ein Widerspruch in sich – leider“, meint Ursa-Manager Marka. Seine Kritik: „Zuallererst wurde das Baupaket viel zu spät veranlasst, die Regierung hätte bereits vor einem Jahr auf die negativen Prognosen reagieren sollen. Eine Konjunkturbelebung passiert nicht von heute auf morgen und die Umsetzung in den Bundesländern bzw. deren Einbindung sieht kritisch aus. Wir rechnen damit, dass eine positive Entwicklung nicht vor Mitte 2025 eintreten wird.“
Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb bei St. Gobain Austria für Isover und Rigips, freut sich zwar, dass „der Bereich Dämmung und Sanierung“ sich besser als der Neubau entwickelt. „Trotzdem wünschen wir uns, dass sich der Bereich Sanierungen noch deutlich stärker entwickelt, denn das würde auch dazu führen, den CO2-Ausstoß in Österreich weiter zu reduzieren“, so Allesch. „Wie kürzlich Umweltministerin Gewessler im Rahmen einer Studienpräsentation sehr öffentlichkeitswirksam konstatierte, hat die Gebäudedämmung im letzten Jahr maßgeblich zur CO2-Reduktion des Landes, und das wäre aus unserer Sicht noch sehr stark ausbaufähig.“
Gemischte Nachrichten gibt es auch von Synthesa-Geschäftsführer Lassacher. Er bemerkt zwar ein leichtes Anziehen der Sanierungen, „der Mengenverlust durch den ausbleibenden Neubau“ könne damit „aber bei weitem nicht aufgefangen werden“. Auch Austrotherm-Vertriebschef Novak ortet beim Thema Sanierungen einen „Anstieg bei den Anfragen“. Die Umsetzung, so Novak weiter, „dauert aber noch“. Einen „Sanierungsboom“ sieht er „nicht auf uns zukommen.“
Den sieht auch GDI 2050-Geschäftsführer Demacsek nicht. Er spürt eine starke Verunsicherung bei den Konsumentinnen und Konsumenten. „Viele Leute sparen, weil sie nicht wissen, ob sie morgen noch einen Job haben. Daher ist es nicht überraschend, dass die Sanierungsnachfrage gedämpft ist.“ Selbst die Verdreifachung des Sanierungsbonus Anfang des Jahres, so der Interessenvertreter weiter, habe sich bislang nicht ausgewirkt. Kleiner Hoffnungsschimmer: „Allerdings sind hier die langen Zeitspannen zwischen Projekteinreichung und -realisierung zu berücksichtigen. Was es braucht, ist Stabilität und Vertrauen – in die Politik und den Europäischen Wirtschaftraum.“ Das unterstreicht auch St. Gobain Austria-Manager Allesch: „Wir als Industrieunternehmen mit rund 350 Mitarbeitenden wünschen uns vor allem von der der Politik langfristige, verlässliche Rahmenbedingungen“, meint er.
Stabilität ist das eine – konsequente Reformen das andere. Die Vertreter der Dämmstoff-Branche haben klare Vorstellungen, was eine zukünftige Regierung leisten sollte. Wünschen darf man sich ja vieles. Baumit Österreich-Chef Bursik drückt es folgendermaßen aus: „Alles dafür tun, dass Österreich mit seinen fantastischen Unternehmen wieder wettbewerbsfähiger wird. Das betrifft Auflagen, Genehmigungsverfahren, Vorschriften, Energiekosten.“ Bursik wünscht sich weniger und mehr – und zwar „weniger Gesetze“ und mehr Tempo bei „den Verfahren“. Nachsatz: „Wenn Österreich und die EU so weitermachen, sind wir vielleicht am Papier grüner, aber wir haben keine Unternehmen mehr. Dann kann man wirklich gratulieren.“
Synthesa-Geschäftsführer Lassacher fasst sich kurz: „Bürokratieabbau und Vereinheitlichung von Vorschriften, Richtlinien und Kriterien.“ Austrotherm-Manager Novak bringt die Perspektive der Kunden ein. „Sanierungen haben bei den privaten Kunden aktuell nicht die Priorität. ‚Komplex und sehr umfassend in der Abwicklung, unübersichtlich in der Abwicklung der Förderungen und zusätzlich eine hohe finanzielle Belastung, die sich nicht so richtig rechnet.‘ Das sind die Aussagen, die uns immer wieder genannt werden und auch nachvollziehbar sind.“
Die Undurchschaubarkeit des heimischen Förderdschungels dürfte bei manchem Manager den Wunsch nach einer mächtigen Machete wecken. Auch Knauf Insulation-Chef Klamminger sieht hier dringenden Handlungsbedarf: „Einer der größten Hürden“ für ein Anziehen der Sanierungen sieht er darin, „dass die Förderrichtlinien wie in der Vergangenheit zu kompliziert sind und vorfinanziert werden müssen. Außerdem ist nach der Einreichung nicht gewährleistet, dass die Förderung tatsächlich ausbezahlt wird“, meint Klamminger. Sein durchaus kritisch gemeinter Kommentar. „In Österreich scheint es nicht möglich zu sein, einfache und transparente Förderprogramme zu installieren.“ Er verweist allerdings auch auf eine positive Ausnahme: „Die neue Förderung der PV-Anlagen.“
Ein wirkliches Anziehen der Sanierungen erwartet Klamminger nur, wenn dieses Beispiel Schule macht und die Förderrichtlinien umfassend vereinfacht werden. „Es macht keinen Sinn 50 Prozent bis 70 Prozent oder gar 100 Prozent zu versprechen, wenn die Regeln kompliziert sind und alle Maßnahmen vorfinanziert werden müssen“ so Klamminger. „Eine einkommensschwache Familie wird auch bei 100 Prozent Förderung nicht 50.000 Euro vorfinanzieren können, um in einem Jahr das Geld zurückzubekommen.“ Seine Forderung an die zukünftige Regierung: „Ein Aussetzen der Umsatzsteuer wie bei der PV-Förderung durch sofortigen Abzug wäre Förderung genug und auch kalkulierbar.“
Ursa-Manager Marka ist davon überzeugt, dass „die Wohnraumbeschaffung leistbar gemacht“ werden muss. Einen Aufschwung bei den Sanierungen werde es nur geben, „wenn es beim Baupaket klare Regelungen, auch auf Landesebenen gibt, wenn die Banken mitspielen und die Kreditvergaben für Eigenheimschaffung realistischer gestaltet werden, die Zinsbelastung gesenkt wird, wenn die administrative Komplexität bei Förderungen und die allgemeine Steuerlast geringer werden.“
Einen anderen Ansatz hat St. Gobain-Mann Allesch. Aus unserer Sicht liegt bei der öffentlichen Diskussion „derzeit ein relativ starker Fokus auf dem Austausch von Heizsystemen und zu wenig auf den Vorteilen der thermischen Sanierung.“ Allesch weiter: „Vielfach zu wenig bekannt ist, dass sich eine thermische Sanierung in der Regel schon aufgrund der geringeren Energiekosten nach rund zehn Jahren amortisiert.“
GDI 2050-Geschäftsführer Demacsek bringt eine Idee ins Spiel, die in Italien für Furore gesorgt hat: Dort hatte die Regierung vor einigen Jahren den sogenannten „Superbonus“ ins Leben gerufen, um thermische Sanierungen und Maßnahmen zum Erdbebenschutz zu fördern. Die italienischen Häuslbauer konnten damals 110 Prozent der Investitionen von der Steuer absetzen. „Die Italiener mögen mit ihrer 110prozentigen Abschreibung übers Ziel geschossen haben, aber der Sanierungsturbo wurde gezündet“, meint Demacsek. „Wir könnten einer 65prozentigen Abschreibung der Kosten viel abgewinnen. Das würde die Sanierung ankurbeln und bringt nicht nur dem Finanzminister etwas, sondern auch der Umwelt.“