Wenn der Specht an der Fassade klopf
Ein Specht – und mittlerweile auch der Kleiber – sucht an Bäumen nach Hohlstellen, unter denen sich Käfer und Maden verbergen. Dazu läuft er den Stamm entlang und klopft die Stammoberfläche ab. Klingt diese hohl, vermutet er darunter für ihn fette Beute: Käferlarven und andere Baumschädlinge. Im Wald kann man seine Suche durch sein lautes Stakkato weit hören. Aufgrund seiner besonderen biologischen Eigenschaft entwickelt er während des Klopfens an der Schnabelspitze eine hohe Einschlagkraft, mit der er selbst dicke Rinden durchstößt.
Neue Jagdgebiete
Dieses Verhalten hat ein Specht irgendwann einmal an einer WDVS-Fassade ausprobiert. Denn er folgte nur seinem angeborenen Instinkt, der besagt, wenn etwas hohl klingt, ist darunter auch fette Beute. Offensichtlich ist dieses Verhalten über Spechtgenerationen, die sich in Städten angesiedelt haben, vererbt worden. So wird man an sonnigen Sommertagen frühmorgens durch das weithin hallende Hämmern geweckt. Das Geräusch ist besonders in Städten aufgrund der Bebauungsformen mit Hinterhöfen und den Straßenlärm abschirmender Karreebebaung sehr intensiv. Und es bleibt nicht bei dem einmaligen Probehämmern. Eigenartigerweise kommt ein Specht, der einmal eine WDVS-Fassade bearbeitet hat, immer wieder an seinen Tatort zurück und macht sich bemerkbar. Mittlerweile haben auch Kleiber die Vorliebe der städtischen Spechte übernommen.
Ungewollte Lochfassade
Als ich vor Jahren auf dieses Phänomen aufmerksam machte, glaubte man mir nicht. Mittlerweile ist es, wahrscheinlich wegen der zigtausend Fassadensanierungen mit WDVS, dokumentiert und anerkannt. Denn mit seiner angeborenen Klopftechnik zerstört ein Specht problemlos die Putzoberfläche des WDVS und hinterlässt je nach Arbeitseifer zahlreiche Löcher in der Fassade. Diese Löcher haben meist einen Durchmesser von rund drei bis fünf Zentimeter. Sie ermöglichen dem Regenwasser, ungehindert in die Dämmschicht einzudringen und führen im Laufe der Zeit zu Feuchteschäden – egal, ob die Wärmedämmschicht aus Polystyrol-Hartschaumplatten oder Mineralwolleplatten besteht, der Specht beklopft sie alle.
Allerdings habe ich aufgrund meiner Begutachtung der beschädigten Objekte festgestellt, dass der Specht sich auf Städte mit hoher Bebauung beschränkt. Mir ist bisher noch kein Fall bekannt, wo im ländlichen Raum und bei Häusern bis drei Geschoße ein Specht tätig wurde. Wahrscheinlich aufgrund seiner Natur hämmert der Vogel meist im Attikabereich bis etwa zwei Meter darunter. Allerdings arbeitet er auch oft bei großen Fassadenflächen unsystematisch an mehreren Stellen tiefer.
Lösungen gesucht
Nachdem sich die Spechttätigkeit an WDVS-Fassaden häufte, haben Hersteller versucht, technische Lösungen anzubieten. Meist dadurch, dass man verstärkte Gewebeeinlagen und dickere Putzschichten empfiehlt. Aus meiner Erfahrung haben sich diese nicht bewährt, da ein Specht an seiner Schnabelspitze eine außerordentlich hohe Schlagkraft mit, wie Biologen sagen, bis mehr als hundert Kilogramm entwickeln kann.
Wie hilflos die Industrie dieser „Spechtattaken“ gegenübersteht, zeigte sich vor einigen Wochen in einer öffentlichen Diskussion. Ein Hausbesitzer fragte, wie er diesem Problem begegnen könne. Als Antwort bekam er die Auskunft, doch mit lautem In-die-Hände-Klatschen den Vogel zu verjagen, da das Geräusch Spechte vertreibt. Bisher gibt es keine wirksame technische Lösung. Geschädigten Hausbesitzern empfehle ich, im oberen Fassadenbreich ein starkes Drahtgewebe über die Fassadenfläche zu ziehen. Das ist allerdings weder eine architektonisch gute noch technisch sichere Lösung – es kann rosten.
In manchen Städten gibt es große Populationen von Halsbandsittichen, sie nisten in Höhlen. So auch in meiner Heimat Köln, wo die zweitgrößte Anzahl frei lebt. Verstärkt kann man hier beobachten, wie Sittichschwärme an den Fassaden hängen und versuchen, die Schlaglöcher der Spechte zu erweitern. Da es in der Stadt zu wenige Baumhöhlen gibt, die für Sittiche zum Nistbau geeignet sind, suchen sich diese Vögel Ersatz. Die relativ kleinen Löcher der Spechte werden von Sittichen problemlos erweitert und – die Dämmschichtdicken sind mindestens zehn Zentimeter – zu Nisthöhlen ausgebaut. Darin ist es warm und trocken. Der Fassadenschaden allerdings sehr hoch und die Sanierungkosten ebenso.