Stahl und Glas
Preisgekröntes Mozarteum Foyer
Im Jahr 1907 erwarb in Salzburg ein Verein die Villa Lasser samt Grundstück, um hier ein Mozarthaus zu errichten. Auf dem Gelände sollten ein Konzertsaal, ein Konservatorium mit Verwaltung und eine Sammlung über den Komponisten untergebracht werden. Richard Berdl übernahm die architektonische Planung. Er errichtete neben dem vorhandenen Bauwerk ein zweites. Dazwischen entstand ein schmaler Hof, der durch einen Torbau an der Schwarzstraße und einen rückwärtigen Verbindungstrakt begrenzt war. Allerdings gelang es dem Planer nur unzureichend, beide Häuser sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Zum Problem gehörten unter anderem die unterschiedlichen Ebenen der Häuser. So bestand beispielsweise die einzige Verbindung in einer steilen Treppe, die sich im Bestandsobjekt befand. Zudem war ein Pausenraum ursprünglich nicht vorgesehen, musste jedoch noch während des Baus eingefügt werden. Dementsprechend gestaltete sich der Weg vom Konzertsaal dorthin. Ferner besaßen beide Häuser keinerlei barrierefreie Erschließung, was beim Konzerthaus 2002 durch einen Lifteinbau nur wenig zufriedenstellend behoben wurde. Kurzum: Es musste eine Lösung für diese bauliche Situation gefunden werden.
Gewinnender Neubeginn
Es wurde ein internationaler, dreistufiger Wettbewerb ausgerufen, den Maria Flöckner und Hermann Schnöll gewannen. Sie ersetzten den alten Verbindungstrakt durch einen zweigeschossigen Stahl-Glas-Bau. Dieser empfängt im Erdgeschoss den Besucher auf 200 m² mit einem Eingangsfoyer, angrenzend an den Garderobenbereich. Im Obergeschoss bietet er eine 170 m² große Fläche für angenehme Pausenaufenthalte. Hermann Schnöll erklärt: "Uns war es wichtig, mit zeitgenössischer Architektur einen Kontrast zum Bestand zu bilden und dem Konzertbesucher in der Pause die Möglichkeit zum Durchatmen zu geben."
Gelungen ist dies den Architekten mithilfe eines Neubaus, dessen tragendes Element eine über 100 Tonnen schwere ölbehandelte Schwarzstahlkonstruktion ist. Deren technische Planung, Fertigung und Montage übernahmen die Mitarbeiter der Pichler projects GmbH. Das Bozener Unternehmen hat sich auf die Konzeption und Realisierung anspruchsvoller Projekte aus Stahl und Glas spezialisiert. Fürs Mozarteum übernahmen seine Mitarbeiter die komplette Werkplanung, die Fertigung und die Montage. Bei der Gebäudestatik orientierten sie sich unter anderem an der Konstruktionsweise von Brücken. Denn da das komplette Foyer zwischen den Bestandsbauten eingehängt ist, d. h. die Lasten über diese in den Boden abgeleitet werden, ähnelt die Statik der einer Brücke mit zwei Widerlagern. Und auch bei den Stahlböden von Erd- und Obergeschoss findet sich diese Konstruktionsweise wieder: Sie wurden in der Mitte leicht erhöht eingebaut, sodass sie sich unter den anschließend anfallenden Lasten senken und eine ebene Fläche bilden kann.
Gelungener Glaseinsatz
Neben dem Stahl spielt auch das Material Glas in dem Gebäude eine besondere Rolle. Denn nicht nur die rund 500 m² große Außenhaut besteht daraus, sondern auch ein Großteil des Bodenbelags. Hier setzten die Planer neben Terrazzo das Strukturglas "ICE-H" von Glas Marte ein. Es verfügt über eine einzigartig aufgebrochene Oberflächenbeschaffenheit, die an Eisblumen erinnert, und passt sich so der Architektursprache sehr gut an. "Weil sich das Gebäude in Nachbarschaft zum Mirabellengarten befindet, nahmen wir dieses botanische Thema mithilfe der floralen Strukturen des ICE-H-Glases gestalterisch auf", erklärt Maria Flöckner. Eine schöne Verbindung zur Umgebung. Beim Mozarteum handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Raum. Infolgedessen ist vorgeschrieben, dass der Boden eine Rutschfestigkeit von mindestens R11 hat. Das "ICE-H"-Glas entspricht der Bewertungsgruppe A nach DIN 51097 und hat eine Rutschhemmung R11– erfüllt also diese Anforderung spielend.
Gekonnte Konstruktion
Anspruchsvoll war die Montage der Glaselemente im Stahlbau. Bei beiden Stockwerken wurden die 0,7x2,4 m großen und 150 Kilo schweren Glasplatten auf einen Stahlrahmen aufgelegt. Hierbei mussten die Mitarbeiter der Firma Pichler beachten, dass sich das Metall bei Wärme relativ stark ausdehnt und bei Kälte zusammenzieht. Die dabei anfallenden Längenänderungen nimmt Glas allerdings nur bedingt auf. Ist die Spannung zu hoch, reißt es. Um dies zu vermeiden, klebte das ausführende Unternehmen die "ICE-H"-Platten nicht direkt auf den Stahl. Stattdessen wurde ein Blockprofil auf Silikonbasis "zwischengeschaltet", das die Lasten übernimmt und Längenänderungen ausgleichen kann. Selbstverständlich ist auch der Raum zwischen den einzelnen Glasplatten mit einer Silikonfuge versehen. Die Anforderungen an den Brandschutz hingegen mussten über eine Sonderlösung erfüllt werden. Unter dem "ICE-H" befindet sich ein 23 mm dickes Brandschutzglas. Doch eine Frage beschäftigte die Baubeteiligten etwas intensiver: Wie durchsichtig ist das Glas tatsächlich? Da das Strukturglas in beiden Stockwerken den Geschossboden bildet, bestand die Befürchtung, dass man "zu viel" sieht. Und auch hier konnte das "ICE-H" punkten: Steht eine Person im Obergeschoss auf der Glasfläche, sieht man in der darunterliegenden Etage lediglich die Fläche der Schuhsohlen. Alles, was sich darüber befindet, ist nur schemenhaft zu erkennen. So sorgt das Glas für eine ungewöhnliche, ansprechende Verbindung zwischen den beiden Ebenen.
Geehrte Architektur
Angesichts der schwierigen Ausgangssituation und dessen, was die beiden Architekten aus ihr machten, verwundert es nicht, dass das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft das neue Foyer mit dem Staatspreis Architektur 2023 ausgezeichnet hat. Ist es Maria Flöckner und Hermann Schnöll doch gelungen, eine Kulturinstitution so zu revitalisieren und modernisieren, dass sich das Foyer in den Bestand einfügt und eine moderne Leichtigkeit ausstrahlt. Dabei stellt die räumliche Ergänzung die Gäste sowie den Konzertbesuch in den Mittelpunkt. Kurz: Das Bauwerk ist rundum gelungen.
(bt)
Autorin: Dipl.-Ing. Claudia El Ahwany