Fassadensysteme

VHF versus WDVS

Fassadenbau
21.12.2023

Vorgehängte hinterlüftete Fassadensysteme vs. Wärmedämmverbundsysteme: Im Zuge von Beratungsgesprächen wird häufig die Frage gestellt, wo die größten Unterschiede zwischen den beiden Lösungen für die Gebäudehülle liegen. Autor Wilfried Rubenz betrachtet den Aufbau der beiden Systeme im Detail.
VHF versus WDVS. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Vor einer Entscheidung für ein Sys-tem sollte man sie im  Detail betrachten und  essentielle Anforderungen vergleichen.
VHF versus WDVS. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile. Vor einer Entscheidung für ein Sys-tem sollte man sie im  Detail betrachten und  essentielle Anforderungen vergleichen.

Häufig drückt, insbesondere in der heutigen Zeit, der Kostenschuh, und dann kann es ganz schnell gehen, dass langlebige vorgehängte hinterlüftete Fassadensysteme durch Wärmedämmverbundsysteme ersetzt werden. Generell kann festgehalten werden, dass beide Systeme mit den heutigen Dämmstoffstandards die Anforderungen insbesondere an den Wärmeschutz von Bauteilen bestens erfüllen. Um zu verstehen, wo die Unterschiede liegen, muss man sich den Aufbau dieser Systeme im Detail ansehen.

Wärmedämmverbundsystem (WDVS)

Ein WDVS ist ein Bausatz aus einem vorgefertigten Wärmedämmstoff, der auf Außenbauteile eines Gebäudes geklebt und mit einem Putz versehen wird. Er kann zusätzlich mit Hilfe von Dübeln, Profilen, Spezialteilen u. a. mechanisch befestigt werden. Der Putz besteht aus einer oder mehreren Schichten, die auf der Baustelle aufgebracht werden. Eine Schicht enthält die Bewehrung und wird direkt – ohne Luftzwischenraum oder Trennschicht – auf die Dämmplatten aufgebracht. (Quelle: ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme, November 2023)

Vorgehängtes hinterlüftetes Fassadensystem (VHF)

Der wesentliche Unterschied zum WDVS besteht darin, dass der auf der Unterkonstruktion angebrachte Dämmstoff nicht mit einem Putzsystem, sondern mit einem über einer Luftschicht schwebenden Bekleidungssystem bedeckt wird, der die Wärmedämmung vor direkter Bewitterung schützt. Gleichzeitig dient der Luftspalt dazu, anfallende Feuchtigkeit so rasch wie möglich aus der Konstruktion abzuleiten. Die Bekleidungssysteme werden also mit einer Distanzierung zur Dämmstoffaußenseite montiert.
Lüftungsöffnungen werden dabei mit einem Gitter/Lochblech/Streckmetall abgedeckt. Dieses dient als Kleintierschutz und verhindert, dass die dahinter liegenden Hohlräume als Nistplatz genützt werden können. Alternativ zum Lochblech besteht auch die Möglichkeit, den Luftspalt so klein wie möglich zu halten (z. B. bis 5 mm Breite), sodass das Bekleidungssystem ebenfalls vor einer Hinterwanderung geschützt wird. Ein Abdecken der Lüftungsöffnungen mit Insektenschutzgittern ist nicht zulässig, da diese Gitter im Laufe der Jahre verschmutzen und daher die Lüftungsöffnungen verstopfen.
Ergänzend möchte ich erwähnen, dass ein "zugiges" Klima im Hinterlüftungsspalt für Insekten als unangenehm empfunden wird. Daher werden diese Zonen eher gemieden. Man kann in der Praxis beobachten, dass Nistplätze von Wespen, Hornissen oder ähnlichem immer an jenen Stellen entstehen, die weitgehend vor einem Windangriff geschützt sind.

Wespennester findet man meist an windgeschützten Stellen.
Wespennester findet man meist an windgeschützten Stellen.

Sommerlicher Wärmeschutz und Feuchtehaushalt der Konstruktionen

Vergleicht man VHF mit WDVS in diesem Punkt, dann wird schnell klar, dass, unabhängig vom außenliegenden Material, der Farbwahl oder der Oberflächenbeschaffenheit, anfallende Hitze beim Bekleidungssystem immer über den Hinterlüftungsspalt abtransportiert werden kann. Daher wird man im Hinterlüftungsspalt annähernd Außenlufttemperaturen erwarten können, die in weiterer Folge durch den Dämmstoff verzögert an die Konstruktion weitergegeben werden. Hinzu kommt, dass unabhängig von der weiteren Konstruktion ein Feuchteanfall schnell und sicher über die Hinterlüftung nach außen abgeleitet wird. Deshalb bieten VHF insbesondere in Verbindung mit Holzleichtbauweise noch mehr Sicherheit und haben sich bestens bewährt.

Zuluftöffnung im Fasssadenüberstandsbereich, Abluftöffnung im Übergang zur Einlegerinne.
Zuluftöffnung im Fasssadenüberstandsbereich, Abluftöffnung im Übergang zur Einlegerinne.

Daher hat neben der Dämmstoffwahl auch die Masse der dahinter befindlichen Konstruktion einen wesentlichen Einfluss beim Thema sommerliche Überhitzung.

Wilfried Rubenz

Beim WDVS hingegen wird es abhängig von der Farbwahl, der Oberflächenbeschaffenheit bei direkter Sonnenbestrahlung zu einer mehr oder weniger hohen Erwärmung an der Oberfläche kommen, die stetig auch an dahinter liegende Konstruktionen weitergegeben wird. Es wird zwar durch die Dämmwirkung der Platten eine Verzögerung des Wärmestroms erreicht, eine Erwärmung der dahinter liegenden Konstruktion lässt sich dadurch aber nicht gänzlich verhindern.
Man kann bekanntlich in erster Linie mit Hilfe von Masse eine Verbesserung beim sommerlichen Wärmeschutz erreichen. Untertags wärmen sich Baustoffe auf, in der Nacht werden diese Wärmemengen wieder an die Umgebung abgegeben. Man spricht in dem Zusammenhang auch von Tag-/Nachtzyklen. Daher hat neben der Dämmstoffwahl auch die Masse der dahinter befindlichen Konstruktion einen wesentlichen Einfluss beim Thema sommerliche Überhitzung. Dämmstoffe mit einem höheren Raumgewicht bringen in dieser Hinsicht eine Verbesserung als die sehr häufig eingesetzten und preisgünstigen Dämmplatten aus z. B. Polystyrol.
Was man dabei auch noch betrachten muss, ist, dass bei langanhaltenden Hitzeperioden insbesondere beim WDVS auf Grund der größeren Oberflächentemperaturen an der Außenseite der Dämmung eine Erhitzung dahinter befindlicher massiver Bauteile leichter möglich ist. Diese Hitze kann abhängig vom Wärmedurchgangswiderstand der außenseitigen Dämmung nur verzögert an den Außenbereich wieder abgegeben werden. Zumeist werden diese Wärmemengen in erster Linie durch Lüften in den Nachtstunden gezielt wieder abgeführt.

Unterseitige Durchfeuchtung der Holz-Unterkonstruktion, ausgelöst durch eine Fuge beim WDVS.
Unterseitige Durchfeuchtung der Holz-Unterkonstruktion, ausgelöst durch eine Fuge beim WDVS.

Die Ableitung von anfallender Feuchtigkeit betreffend gibt es zwar WDVS, die einen gewissen Feuchtetransport zulassen, die ableitbare Feuchtemenge lässt sich allerdings nicht mit jener bei einer VHF vergleichen. Leider lässt auch die Verarbeitung häufig zu wünschen übrig. Es wird zwar brav das Kompriband als Winddichtung an der Außenseite beim Übergang der Dämmstoffplatten zu allfälligen Unterkonstruktionen eingesetzt, auf eine vollflächige Verklebung der oberen beiden Plattenreihen wird allerdings häufig verzichtet, wodurch die Gefahr eines Feuchtetransports über die Anschlussfuge zum Tragwerk gegeben ist. Solche unkontrolliert anfallenden Feuchtemassen können in weiterer Folge auch zerstörend auf Unterkonstruktionen wirken. Daher ist bei Einsatz von WDVS in Verbindung mit Holzbauweisen immer größte Vorsicht geboten und eine solche Konstruktion sollte bauphysikalisch bis ins Detail aufbereitet und am besten auch von Seiten der Industrie während der Bauphase entsprechend begleitet werden.

Fensterbankabdeckung – hier scheiden sich die Geister

Während bei VHF die Fensterbank immer so ausgeführt wird, dass eine sichere Wasserableitung gewährleistet ist (Aufstellung der Fensterbank seitlich hinter der Fensterleibung und nicht davor, siehe Bild unten), ticken beim WDVS die Uhren anders. Hier wird das System in sich, inklusive Anbindung an das Fenster, soweit "dicht" oder besser gesagt regensicher ausgeführt und die Fensterbank lediglich mit einer Kompribandeinlage im Übergang zur fertigen Oberfläche im Leibungsbereich aufgesetzt. Man nimmt in Kauf, dass im Bereich des Kompribands Wasser die Abdeckung hinterwandern kann und an der Fassade abläuft.

Fensterbankausbildung in Verbindung mit Winkelstehfalzfassaden.
Fensterbankausbildung in Verbindung mit Winkelstehfalzfassaden.

Unschöne Schlierenbildung an den Außenecken der Fensterbänke.
Unschöne Schlierenbildung an den Außenecken der Fensterbänke.

Häufig führen diese Ausführungen nach einiger Zeit auch zu unansehnlichen Schlierenbildungen in den Eckbereichen der Fensterbänke. Mittlerweile gibt es fertige Anschlussprofile bzw. Leibungsdämmplatten, die einen zurückversetzten Vorkopf und damit eine verbesserte Wasserableitung ermöglichen (z. B. Iso-Fux Sol-Pad 280, Sto Fensterbank-Anschlussprofil Laibung oder Baumit Laibungsplatten). Obwohl solche Lösungen aus technischer Sicht eine deutliche Verbesserung darstellen und dazu beitragen, dass diese Bereiche eine längere Haltbarkeit erzielen, werden Anschlussprofile wegen der Mehrkosten nur selten eingesetzt.

Folgekosten und Instandhaltungsmaßnahmen im Vergleich

Abhängig von den verwendeten Dämmstoffplatten bzw. Putzqualitäten wird man beim WDVS fallweise schon nach einem Zeitraum von 15 bis 20 Jahren mit einer Überarbeitung der Oberflächen rechnen müssen, was wiederum zu Folgekosten führt.
Beim VHF hat man abhängig vom verwendeten Werkstoff maximal mit einer Reinigung der Flächen zu rechnen, wobei solche Reinigungen in erster Linie bei beschichteten Oberflächen anfallen.

Weiß beschichtete Oberfläche vs. "Rheinzink-prePatina blaugrau": Verunreinigung nach acht Jahren.
Weiß beschichtete Oberfläche vs. "Rheinzink-prePatina blaugrau": Verunreinigung nach acht Jahren.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich mit großer Wahrscheinlichkeit im Fall einer gesamtheitlichen Betrachtung inklusive Abbau- und Entsorgungskosten, die Kosten für ein vorgehängtes Fassadensystem nicht großartig von den Kosten eines WDVS unterscheiden. Im Gegenteil, mit jedem Jahr mehr an Nutzung wird das eines VHF-System im Vergleich preisgünstiger.
Bekannt ist, dass die Entsorgungskosten von WDVS üblicherweise sehr hoch ausfallen. Abgesehen von einer üblicherweise sehr langen Nutzungszeit lassen sich VHF hingegen verhältnismäßig einfach wieder in die Einzelteile zerlegen und recyceln oder gegebenenfalls entsorgen.
Leider wird bei Fördersystemen dem Umstand der Nachhaltigkeit noch verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit geschenkt, wodurch VHF nur dann zum Einsatz kommen, wenn Investitionen mittel- bzw. langfristig erfolgen. Geht es nur um die schnelle Errichtung und den Verkauf, dann werden die Folgekosten auf die zukünftigen Mieter*innen bzw. Eigentümer*innen abgewälzt.
(bt)

Wartungsfreie Oberfläche, seit 35 Jahren beanstandungsfrei.
Wartungsfreie Oberfläche, seit 35 Jahren beanstandungsfrei.