3D-Druck: Das Plus beim Guss
Additive Fertigung und neue Produktionsverfahren erweitern die Möglichkeiten der Gießereibranche.
Die additive Fertigung hat in den letzten Jahren ein rasantes Wachstum verzeichnet und die Zukunft glänzt golden: Expert*innen erwarten innerhalb der nächsten vier Jahre ein weiteres Wachstum von rund 20 Prozent. Davon profitiert auch die Metallbranche: Stahlwerke und Gießereien, metallurgische Anlagenbauer und Zulieferer nutzen den 3D-Druck und neue Fertigungsverfahren für unterschiedlichste Geschäftsmodelle, wie auf den Fachmessen Metec, Gifa und Newcast vom 12. bis 16. Juni 2023 in Düsseldorf zu sehen sein wird.
Ausweitung der Möglichkeiten
Gießereien und Stahlunternehmen bietet die Additive Fertigung mit den unterschiedlichsten generativen Verfahren vielfältige Chancen. Ist für Stahlhersteller in erster Linie der direkte 3D-Druck in Metall eine Ergänzung des bestehenden Geschäfts und eine zunehmend wichtigere Säule für Reparatur und Ersatzteilbeschaffung, so stechen für Gießereien vor allem indirekte additive Verfahren, insbesondere der 3D-Druck von Formen, Kernen und Modellen mit Sand hervor.
„Additive Manufacturing wird schon lange nicht mehr nur für die Herstellung von Prototypen verwendet“, sagt Dr. Markus Heering, Geschäftsführer der im vergangenen Jahr gegründeten Arbeitsgemeinschaft Additive Manufacturing (AG AM) im Verband der deutschen Maschinen und Anlagenbauer (VDMA). In der Maschinenbauindustrie ist die Additive Fertigung ein komplementäres Fertigungsverfahren, das Entwicklung und Innovation ermöglicht und neue Anwendungen erschließt. Der Maschinenbauexperte unterstreicht das Potenzial der generativen Verfahren für die Industrie.
Zusatzgeschäft für Stahlunternehmen und Anlagenbauer
Stahlunternehmen und Anlagenbauer können in vielfacher Hinsicht von additiven Fertigungsverfahren profitieren, wie Aussteller und Expertenvorträge auf der Metec im Rahmen der Bright World of Metals vom 12. bis 16. Juni 2023 in Düsseldorf verdeutlichen.
Als eines von weltweit wenigen Unternehmen bildet die Düsseldorfer SMS group den gesamten Prozess der additiven Fertigung ab. Schon 2017 hat der metallurgische Anlagenbauer mit Partnern die Entwicklung zusammengehöriger Prozesse im industriellen Maßstab begonnen, um die additive Fertigung auch im Serienmaßstab wettbewerbsfähig zu machen. Zum digital gesteuerten Additive Manufacturing Competence Center gehören als Herzstück eine von SMS entwickelte Metallpulververdüsungsanlage mit einer Kapazität von 4.000 Tonnen im Jahr, mit angeschlossener Pulverklassifizierung und dem Pulverhandling. Komplettiert wird das Produktionssystem durch einen großen LPBF Drucker mit einem Bauraum von 400x400x400 mm für die additive Fertigung in Metall, die Nachbearbeitung, Qualitätskontrolle sowie Versand der fertigen Werkstücke. Ein junges Team für Forschung und Entwicklung (F&E) entwirft, fertigt und testet 3D-gedruckte Teile – überwiegend für die eigenen Produkte der SMS group.
Geometriefreiheit
Prof. Dr. Hans Ferkel, Chief Technology Officer der SMS group, schätzt die Stärken der additiven Fertigung: Mit größtmöglicher Geometriefreiheit funktionsoptimierte Bauteile fertigen zu können, die mit den klassischen Fertigungsverfahren nicht machbar wären. SMS nutzt additive Fertigung beispielsweise zur Produktion serienmäßiger Anlagenkomponenten. Ein erstes Ergebnis war ein preisgekrönter Sprühkopf für Schmiedepressen, wahlwiese aus Kunststoff oder Metall. Das leichte und dadurch schneller bewegliche Bauteil verkürzt die Fertigungszeit beim Schmieden deutlich und erhöht somit die Wirtschaftlichkeit. Der 3D-gedruckte Sprühkopf besteht nur noch aus einem statt bislang aus 16 Teilen und wiegt gerade einmal ein Zehntel eines konventionellen Sprühkopfs, der rund 80 Kilo auf die Waage bringt. Er besitzt strömungsoptimierte Kanäle und kühlt die Gesenke gezielt und individuell angepasst. Gleichzeitig ist er kostengünstiger, wirksamer und individuell nach Bedarf herstellbar. Der 3D-gedruckte Sprühkopf ist bereits erfolgreich bei Kunden aus der Automobilindustrie im Einsatz.
Als weiteres Erfolgsbeispiel führt der SMS-Forschungschef einen strömungsoptimiert konstruierten und additiv gefertigten Hydraulikblock für metallurgische Anlagen an. Ein herkömmlicher Hydraulikblock besteht aus einem Stahlblock mit gebohrten Kanälen, durch die das zur Kraftübertragung eingesetzte Hydrauliköl gepresst werden muss. Die in den Block gebohrten geraden Kanäle treffen zwangsläufig immer auf Stoß aufeinander. Strömungstechnisch ist der eckige Verlauf daher ungünstig. Ein am Computer gerechneter Strömungsverlauf gleicht eher einem Verdauungskanal. Nach dem Vorbild der Natur wurde auf dem Weg zwischen Eingang und Ausgang ein möglichst geringer Druckverlust realisiert. Neu gerechnet und additiv gefertigt erfüllt der Hydraulikblock das strömungstechnische Optimum. Um den erforderlichen Arbeitsdruck im Hydrauliksystem aufzubauen, ist gegenüber dem konventionellen Vorgänger ein deutlich kleinerer Kompressor ausreichend, was eine signifikante Energieeinsparung bedeutet.
Stahlunternehmen und Additive Fertigung
Immer mehr Stahlunternehmen nutzen die gesamte Bandbreite der additiven Fertigung. Bei der österreichischen voestalpine erstreckt sich das Geschäft von der Legierungsentwicklung und der Metallpulverherstellung über die Konstruktion und Fertigung bis hin zur Nachbearbeitung. Mit additiver Fertigung bietet die Umformtechniksparte des Konzerns seinen Kunden eine Ergänzung des Technologieportfolios. Speziell im Bereich des Leichtbaus erlaubt der schichtweise metallische Aufbau Bauteile von größerer Designfreiheit und erhöhter Funktionalität schnell und im Idealfall kosteneffizient herzustellen, wie der Stahl- und Technologiekonzern hervorhebt.
Der weltgrößte Stahlkonzern ArcelorMittal arbeitet bereits seit 2017 mit dem auf Metalldruck spezialisieren Hersteller Additive Industries zusammen. Additive Industries sieht sich als das weltweit führende Unternehmen für industriell integrierte, skalierbare Metalldrucker. Im 3D-Metalldruck fertigt ArcelorMittal gebrauchsfertige Ersatzteile nach Bedarf, darunter große Stahlersatzteile für die Stahlerzeugung oder den Bergbau. „Wir begannen mit dem Druck kleiner Exemplare und sind nun zu großen und komplexen Teilen übergegangen„, berichtet Jose López Fresno, Leiter der Abteilung Additive Fertigung von ArcelorMittal.
Wie die Gießereiindustrie Additive Manufacturing nutzt
Den Gießereien bieten additive Verfahren ebenfalls viele Chancen. In Frage kommen hier sowohl der direkte Metalldruck als ergänzendes Verfahren zum Gießen, als auch insbesondere indirekte Verfahren wie der Sanddruck von Formen, Kernen und Modellen.
Im direkten Verfahren unterwegs ist beispielsweise die Gießerei FrankenGuss. „Die additive Fertigung ist eine hervorragende Ergänzung klassischer Gießverfahren„, heißt es bei dem Eisen- und Aluminiumgießer aus Kitzingen/D. Mit dem pulverbettbasierten Laserschmelzen von Metallen wirbt FrankenGuss auch für kleine Losgrößen und sogar Einzelstücke. Das Spektrum der Anwendung reicht vom Prototypen bis zu Leichtbauteilen für Luftfahrt und E-Mobilität, oder auch hochbelastbaren Spezialbauteilen ohne breiten Absatzmarkt, z. B. für den Motorsport. Mit Print-on-Demand lassen sich auch einzelne Ersatzteile herstellen, beispielsweise für den Oldtimer-Markt. Über das Abscannen bestehender Teile können diese mittels Reverse Engineering nachproduziert werden, selbst wenn keine Konstruktionsdaten zur Verfügung stehen.