Automatisierung
Der Robo-Tischler
Bild oben: Effizienz und Präzision: Industrieroboter haben das Potenzial, die Tischlerei zu revolutionieren.
Ein Roboter in einer Tischlerei? Für Martin Decker einst nur schwer vorstellbar. „Aber ich muss zugeben, dass sich dadurch einige Türen geöffnet haben“, so der Tischler aus Itter in Tirol. Vor rund sieben Jahren ließ ein Projekt für einen Architekten in England die alte CNC-Fräse an ihre Grenzen stoßen. „Es ging um eine große schaukelnde Bank, in die eine Sitzfläche gefräst werden sollte. Doch die Bearbeitungshöhe der Fünf-Achs-CNC-Fräse war zu klein“, erklärt Decker, der mit seinem 42-köpfigen Team seit rund vier Jahrzehnten international tätig ist.
Auf der Suche nach einer Lösung für sein Problem stieß Decker eher zufällig auf die Robotertechnologie. „In Tirol fanden wir einen Lieferanten, der Roboter von Kuka im Angebot hatte”, so der Firmeninhaber. Mit dem Einsatz des robotischen Mitarbeiters konnte das Unternehmen sein Leistungsspektrum erweitern. „Plötzlich waren wir in der Lage, komplexe Teile für monumentale Baumhäuser zu fertigen, ebenso wie elliptische Treppenwangen oder spezielle Freiformen”, erklärt der Projektleiter.
Vielseitige Einsatzbereiche
Tatsächlich zeigt dieses Beispiel, wie der Einsatz von Industrierobotern in der Tischlerei neue Dimensionen der Produktion eröffnet. Nicht mehr nur Großbetriebe, sondern auch kleinere Handwerksbetriebe profitieren von der Automatisierung. „Unsere Roboter operieren in sechs Achsen und übernehmen präzise und effizient Aufgaben, die manuell nur schwer zu bewerkstelligen wären, wie etwa das Fräsen oder Zerspanen komplexer 3D-Strukturen aus einem Holzstück“, erklärt Manuel Burgstaller, der als Technical Sales Support Engineer bei Kuka Kunden wie Decker betreut. Auf diese Weise wären bereits ganze Badewannen aus einem Baumstamm entstanden.
Roboter von Kuka meistern klassische Tätigkeiten wie Sägen, Fräsen und Schleifen und automatisieren komplexe Prozesse wie Oberflächenbehandlung, Lackierung und unterstützen bei Montagearbeiten. „Ihre Stärke beweisen sie insbesondere beim Handling schwerer Bauteile, etwa bei der Beschickung von CNC-Fräsanlagen oder beim Palettieren und Verpacken“, so Burgstaller. Ausgestattet mit moderner Sensorik können Roboter aber auch Holzprodukte auf Fehler und Unregelmäßigkeiten überprüfen oder Fließbandarbeit verrichten, also stupide und wiederkehrende Tätigkeiten z.B. nachts in „Geisterschichten“ übernehmen. Auch künstlerische Arbeiten, wie Roboter-gestütztes 3D-Drucken mit Holzfaserstoffen oder die erwähnten Fräse-Arbeiten im 3D-Bereich sind denkbar.
Mehr statt weniger Mitarbeitende
„Anstatt unser Team zu verkleinern, haben wir unsere Belegschaft um zwei Fachkräfte erweitert“, erklärt Martin Decker. „Lokale Tischlereien lassen bei uns spezielle Bauteile fertigen. Außerdem sind wir nun ein attraktiverer Betrieb für Lehrlinge, die in ihrer vierjährigen Ausbildung zum Tischlerei-Techniker zusätzlich CNC-Fähigkeiten erwerben können.“ Seine und andere Mitarbeiter*innen erlernen den Umgang mit Robotern direkt im Kuka College anhand individuell abgestimmter Fortbildungsprogramme, die theoretische und praktische Inhalte abdecken. Kostenfreie E-Learnings ermöglichen zusätzlich das selbständige und zeitunabhängige Erlernen relevanter Grundlagen zu speziellen Themen. Deckers Resümee über die Investition in Roboter-Technologie fällt letztendlich positiv aus: „Man muss sich schon trauen, diesen Schritt zu gehen – und auch selbst ein wenig erfinderisch werden. Aber es lohnt sich.“
Text: Martin Angerer