Nachhaltige Kältemittel
Natürliches Kühlen und Heizen mit CO2
Wussten Sie, dass die globale Kälteindustrie mit ihren Kälte- und Klimageräten rund 15 Prozent des weltweit produzierten Stroms verbraucht sowie etwa 8 Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verursacht? Genau genommen handelt es sich dabei nur um jene direkten und indirekten Emissionen, die durch synthetische Kältemittel und energieaufwendige Prozesse konventioneller Technologien entstehen. Emissionen aus einer Lebenszyklusanalyse der Kältemaschinen, die auch die gesamte Ökobilanz von der Gewinnung der Rohstoffe bis hin zur Entsorgung miteinbeziehen, sind hier noch gar nicht berücksichtigt. Was in vielen Debatten über die hausgemachte Klimakrise jedoch oft untergeht ist das Faktum, dass das aus Kohlenstoff und Sauerstoff bestehende Molekül Kohlenstoffdioxid (CO2) mit einem Wert von 1 zu den Kältemitteln mit dem geringsten Global Warming Potential (GWP) gehört.
Vergessen und wiederentdeckt
Als Kältemittel R-744 wurde Kohlendioxid erstmals 1850 in einem Patent des US-Amerikaners Alexander Twinning erwähnt. In den folgenden Jahrzehnten kam CO2 vor allem in Schiffskältemaschinen, in Klimaanlagen und Lebensmittelbetrieben zum Einsatz. Nachdem es in den 1930er Jahren vermehrt durch Ammoniak ersetzt wurde, wurde CO2 vom norwegischen Wissenschaftler Gustav Lorentzen erst 50 Jahre später als Kältemittel wiederentdeckt – zunächst für Pkw-Klimaanlagen, danach für die Tiefkühlung im Supermarkt. Der große Vorteil des geruch- und farblosen Gases: Es ist nicht toxisch, nicht brennbar und beeinträchtigt weder die Ozonschicht noch trägt es zur globalen Erderwärmung bei. Weil CO2 als umweltfreundliche Kältemittel-Alternative nachweislich eine höhere Energieeffizienz als herkömmliche Kältemittel hat, kann es auch in einem breiteren Temperaturbereich eingesetzt werden. Das Spektrum reicht dabei von +10 Grad bis -40 Grad Celsius Verdampfungstemperatur, wovon viele gewerbliche und industrielle Anwendungen – von kleinen Supermarktkühlschränken bis hin zu großen Industrieanlagen – profitieren.
Bedarf an „grünen“ Kältemitteln wächst
Was CO2 als natürliches Kältemittel zunehmend beliebter macht, ist auch den klimaschädlichen fluorierten Treibhausgasen – FKW, HFKW, SF6 und NF3 – geschuldet, deren Einsatz durch die europäische F-Gase-Verordnung seit 2015 sukzessive verboten wird. Eine zukunftsweisende Entscheidung, denn der Bedarf an Kältemitteln steigt weiterhin rasant an: Laut aktuellen Studien sollen bis 2030 in Europa 50 Millionen Wärmepumpen verbaut und bis zum Jahr 2050 weltweit 5,5 Milliarden Klimaanlagen im Einsatz sein. Andererseits zeichnet sich CO2 ebenso durch seine hohe Wärmeleitfähigkeit und seine hohe Dichte in der Gasphase aus, was zu einer guten Wärmeübertragung in Verdampfern, Kühlern und Kondensatoren führt. Kein Wunder, dass immer mehr Hersteller diesen Effekt auch zur Wärmerückgewinnung nutzen, bei der die überschüssige Wärme aus der Kühlung für die Raumbeheizung oder Warmwasser-Erzeugung verwendet wird.
Lebensmittelbereich als Best-Practice-Beispiel
In Frankreich wurde beispielsweise von einem Lebensmittelgroßhändler eine zuverlässige und möglichst energieeffiziente CO2-Klimalösung gesucht, die in der Lage ist, 3.400 Tonnen Kartoffeln bei 4 Grad Celsius zu kühlen und zugleich die Sortieranlage zu heizen.
Warum sich der Kunde letztendlich für eine „CuBig II Anlage“ des dänischen Herstellers Advansor entschieden hatte, erklärt CEO Kristian Breitenbauch: „Dieses Produkt mit bis zu 450 kW Kühl- und 600 kW Heizleistung vereint Kühlen, Gefrieren, Klimatisieren und Heizen in einem einzigen System und ist damit für größere Supermärkte, Kühlräume, Distributionszentren und industrielle Anwendungen sehr gut geeignet.“ Laut dem OEM-Hersteller hätten in diesem Fall vor allem die schmale und kompakte Bauweise, das Fehlen von Heizkesseln mit fossilen Brennstoffen sowie energiesparende Permanentmagnetmotoren an allen vier Verdichtern den Ausschlag gegeben. Breitenbauch: „Das eingebaute Ultra-Low Superheat Modul verhindert eine Überhitzung, indem es die Verdampfungstemperatur erhöht und so die Temperaturdifferenz senkt, wodurch weniger Energie für die Kühlung benötigt wird und die Energieeinsparungen markant steigen.“
Zukunftssichere Kältelösungen aus Deutschland
Ebenfalls auf natürliche Kältemittel wie CO2, Ammoniak oder Propan setzt der in Hessen beheimatete deutsche Kälteanlagenspezialist Teko bei seinem Angebot an gewerblicher und industrieller Kühlung. „Mit unserer Roxsta-Serie bieten wir unseren Kunden eine breite Palette transkritischer CO2-Anlagen – von kleinen, platzsparenden Geräten für Discounter bis hin zu großen Anlagen mit einer Spitzenleistung von 640 kW für die Kühlung von Industriegütern“, berichtet Geschäftsführer Andreas Meier. „Weltweit sind derzeit über 7.000 unserer CO2-Anlagen im Einsatz, um die steigende Nachfrage nach natürlichen Kältemitteln bedienen zu können. Wir unterstützen unsere Kunden dabei von der Anlagenplanung über Komponentenauswahl und Inbetriebnahme bis zur Mitarbeitereinschulung – alles in enger Abstimmung und absolut bedarfsgerecht.“
Erstes CO2-Netz der Welt in der Schweiz
Was würde passieren, wenn wir auch unsere Städte zukünftig mit CO2 heizen und kühlen könnten? Um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen, wurde Ende 2022 an der Hochschule für Ingenieurwissenschaften (HEI) in Sitten im schweizerischen Kanton Wallis in Zusammenarbeit mit einem Energieversorger und lokaler Industriepartner das weltweit erste CO2-betriebene Wärmenetz präsentiert. „Dieses intelligente Wärme- und Kälteverteilnetz verwendet CO2 statt Wasser als Medium. Im Vergleich zu herkömmlichen Netzen mit fossilen Brennstoffen ist unser CO2-Netz bis zu neunmal kompakter, effizienter und spart bis zu 80 Prozent Primärenergie“, schwärmt Projektleiter Jessen Page. „Es nutzt erneuerbare Ressourcen und Abwärme und schafft so Synergien zwischen den Nutzenden, den Lieferanten und der Umwelt.“
Vor- und Nachteile
Was sind die Vorteile von CO2-Kältemitteln?
- Viel weniger klimaschädlich als die meisten anderen Kältemittel
- Preisgünstiger, natürlich vorkommender Stoff, praktisch unbegrenzt verfügbar
- Sehr hohe volumenstrombezogene Kälteleistung
- Keine Beschränkungen oder Verbote gemäß der F-Gase-Verordnung
- Nicht brennbar
Was sind die Nachteile von CO2-Kältemitteln?
- Hoher Systemdruck (erfordert besondere druckbeständige Komponenten)
- Kritischer Punkt bei 31°C (oberhalb dieses Wertes ist keine herkömmliche Verflüssigung möglich)
- Bei hohen Umgebungstemperaturen wenig effizient
- Höhere Investitionskosten für Anlagen kleinerer Leistung
F-Gase-Verordnung
Die überarbeitete F-Gase-Verordnung (EU) Nr. 517/2014 ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Sie hat zum Ziel, dass bis 2030 nur noch 21 Prozent der im Jahr 2015 verwendeten Menge an fluorierten Gasen im Umlauf ist. Die aktualisierte Verordnung umfasst die Reduzierung der in Verkehr gebrachten F-Gase sowie die Beschränkung neuer Geräte und Dienstleistungsprodukte, die F-Gase verwenden. Dies wird dazu beitragen, die Emission von F-Gasen von einem 182,5 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2015 auf ein 38,3 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2030 zu reduzieren.