Testen ohne Investment

Risikofreie Innovation

Technologie
19.09.2024

 
Mit dem Förderprogramm „Test Before Invest“ können KMU digitale Technologien direkt im Betrieb ausprobieren.
ob sich investitionen lohnen
Investitionen in neue Maschinen bergen immer auch Risken. Mit dem Förderprogramm „Test Before Invest“ können KMU digitale Technologien direkt im Betrieb ausprobieren und dabei auf das Knowhow von Expert*innen zurückgreifen.

Sie machen die Arbeit in jeder Tischlerei schneller, effizienter und auch sicherer: Die Rede ist von Cobots, also kollaborativen Robotern. Noch dazu ist ihr Einsatzbereich vielfältig: Von Materialtransport über Bearbeitungsprozesse bis hin zu Montagearbeiten und Qualitätskontrolle. Was im ersten Moment nach einer sicheren und erfolgsversprechenden Investition für die weitere Digitalisierung eines Tischlereibetriebs klingt, birgt natürlich auch Risken. Wie funktioniert die Integration eines Cobots in bereits bestehende Produktionslinien und Arbeitsabläufe? Ist der Cobot kompatibel mit den vorhandenen Systemen? Wie kommen die Mitarbeiter mit dem neuen „Kollegen“ zurecht? Je nach Modell und Leistungsumfang beträgt die Investition immerhin bis zu 70.000 Euro und mehr – also kein Betrag, der leichtfertig ausgegeben wird.

Testen ohne Investment

Um kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) den Weg in die Digitalisierung zu erleichtern, wurde das Förderprogramm „Test Before Invest“ ins Leben gerufen. Dabei können KMU individuelle Forschungs-, Entwicklungs- und Implementierungsfragen mit Unterstützung von Expert*innen bearbeiten und im Unternehmen realisieren, ohne gleich Geld investieren zu müssen. Die Unternehmen können auf die Infrastruktur, das Knowhow und die Beratung des gesamten Edih-Innovative-Konsortiums zurückgreifen. Der Name steht für „Austrias European Digital Innovation Hub for Agriculture, Timber and Energy“ und unterstützt die Digitale Transformation von KMU in der Landwirtschaft sowie im Holz- und Energiesektor.

Vom 3D-Drucker bis zur KI-Möbelplanung

„Die digitalen Technologien können dabei direkt im Betrieb oder in der Digitalwerkstatt „baukasten“ getestet und genutzt werden“, erklärt Stephan Hölzl, Projektmanager im Building Innovation Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria.

Die digitalen Technologien können direkt im Betrieb oder in der Digitalwerkstatt „baukasten“ getestet werden.

Stephan Hölzl, Building Innovation Cluster

Stephan Hölzl,  Building Innovation Cluster
Stephan Hölzl, Building Innovation Cluster

Welche Technologien stehen im „baukasten“ zur Auswahl? Das Angebot reicht vom 3D-Drucken mit dem Snapmaker über Augmented und Virtual Reality bis hin zur KI-gestützten Möbelplanung mit Midjourney und ComfyUI. „Wir bieten aber auch ein offenes Themenfeld. Unternehmen können andere Technologien anfragen und wir schauen dann, ob bei uns Kompetenzen vorhanden sind oder ob wir an eine andere Organisation vermitteln können“, sagt Hölzl. Nach der Testphase trifft das Unternehmen eine Investitionsentscheidung und setzt das Digitalisierungsvorhaben um.

Mehr Effizienz im Bootsbau

Für den Test eines Beamers hat sich die Tischlerei Lidauer aus Scharnstein entschieden. Neben dem Ladenbau und der Fertigung von Maßmöbeln ist die Tischlerei auch im Bootsbau aktiv. Zur Herstellung von Stabdecks für Boote wurden bisher physische Schablonen verwendet, was hohe Aufwände für Lagerung, Transport und Handling verursachte. Das Projekt zielte darauf ab, ein System zu evaluieren, dass diese Schablonen durch ein digitales System ersetzt, das die Konturen auf das Deckmaterial projiziert und somit die Effizienz steigert. Durch die Entwicklung und den Test eines Prototyps konnte im Labor und vor Ort erfolgreich gezeigt werden, dass der Aufwand für physische Schablonen erheblich reduziert und die Auflegezeiten deutlich beschleunigt werden können.

Wichtig war für mich zu sehen, ob auch unsere Mitarbeiter gut mit dem neuen Gerät arbeiten können.

Wolfgang Sparber, Tischlerei Lidauer

Wolfgang Sparber,  Tischlerei Lidauer
Wolfgang Sparber, Tischlerei Lidauer

Der Prototyp eliminierte Nebenzeiten durch direktes Anzeichnen, was eine signifikante Verbesserung der Effizienz und Machbarkeit für eine zukünftige Implementierung darstellte. „Wichtig war für mich zu sehen, ob auch unsere Mitarbeiter*innen gut damit arbeiten können“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Sparber. Nur drei Testtage im Unternehmen waren nötig, um zu erkennen, dass die Umsetzung mit dem Beamer sehr gut funktioniert – und dazu auch noch Zeit spart. Die Anschaffung würde rund 10.000 Euro kosten. „Wir bauen einen neuen Firmenstandort. Wenn dieser fertig ist, dann wäre die Investition in den Beamer eine Überlegung wert“, sagt Sparber.

Überzeugender Cobot

Zurück zum Thema Cobot. Peter Wimmesberger vom Architekturbüro Hubfour in Wendling beschäftigt sich als Architekt, Designer und Programmierer mit einer Vielzahl an Innovationen. „Wir sind Dienstleister im Bereich Forschung und Entwicklung. Für uns wäre es daher grundsätzlich immer interessant, neueste Maschinen im Bereich der Automatisierung zu testen“, sagt Wimmesberger.

Oft rentieren sich Maschineninvestments schon nach ein paar Monaten, manche rentieren sich allerdings nie.

Peter Wimmesberger, Architekturbüro Hubfour

Peter Wimmesberger,  Architekturbüro Hubfour
Peter Wimmesberger, Architekturbüro Hubfour

Mit dem Einsatz von Robotern und CNC-Maschinen hat Hubfour bereits Erfahrung. „Doch Cobots unterscheiden sich sehr stark von Industrierobotern, sie sind sensitiv“, so der Hubfour-Gründer. Fünf Wochen lang hat Wimmesberger daher über „Test Before Invest“ den Einsatz eines Cobots im Bereich Bauteil-Automatisierung bei Hochbauelementen getestet. Und das offensichtlich mit Erfolg. Denn mittlerweile hat das Unternehmen den Cobot gekauft, die Investitionssumme dafür liegt bei 60.000 Euro. „Besonders wertvoll vor und auch während der Testphase war auch die Unterstützung von Business Upper Austria. Das Team hat uns sowohl bei der Antragsformulierung als auch bei allen anderen Fragen immer gut betreut“, bestätigt Wimmesberger.

Der Weg zur Förderung

Wie genau kommen KMU zu dieser Förderung? Das Projektteam von Business Upper Austria berät interessierte Unternehmen bei der Entscheidung, welche Maschine oder welche Technologie für ihr Vorhaben getestet werden kann. Nach Ausfüllen des Antragsformulars und erfolgter Förderzusage ermitteln die Expert*innen im Mechatronik-, IT- und Building Innovation Cluster den digitalen Reifegrad des Unternehmens. Dann erfolgt die Einschulung am Gerät und das Unternehmen kann mehrere Wochen lang intensiv testen. „Es ist grundsätzlich gedacht, mit einer Technologie zu starten. Wenn sich während der Testphase zeigt, dass es sinnvoll oder notwendig ist, können auch mehrere Geräte parallel oder hintereinander getestet werden“, versichert Hölzl.

Gute Auslastung entscheidend

Grundsätzlich ist das Thema Maschineninvestment bei Tischlereibetrieben immer aktuell – auch wenn Standardmaschinen oft sehr lang im Betrieb sind, wie Sparber erklärt: „Eine Plattensäge nutzen wir zum Beispiel schon zwanzig Jahre lang. Meistens wird man von der Technologie eingeholt, die Hardware selbst ist nicht das Problem.“ Jede Investition muss auf jeden Fall gut überlegt sein – in eine Plattensäge mit Roboter, die 2017 angeschafft wurde, wurden immerhin rund 400.000 Euro investiert. Sparber trifft die Entscheidung daher meist gemeinsam mit dem Werkstättenleiter und den Mitarbeiter*innen, die die Maschine bedienen werden. „Entscheidend ist, dass die Maschine nach der Anschaffung auch gut ausgelastet ist. Und klar ist auch, dass sich manche Maschinen nie rentieren“, sagt der Geschäftsführer.
„Auch wir haben unrentable Maschinen. Bei uns hängt die Rentabilität auch immer davon ab, ob unsere innovativen Projekte aufgehen oder nicht. Oft rentieren sich die Investments auch schon nach ein paar Monaten“, erklärt Wimmesberger. Die Range bei den Maschineninvestments bei Hubfour liegt meist zwischen 10.000 und 100.000 Euro.

Berechnung des Stundensatzes

Klaus Weissengruber, Landesinnungsmeister der Tischler und Holzgestalter Oberösterreich, rät vor einem Investment zur genauen Berechnung des Maschinenstundensatzes: „Dabei hilft es, die Erfahrungswerte bestehender Maschinen mit einzubeziehen. Wenn die Maschine zu wenig Jahresstunden zusammenbringt, dann rechnet sich das Investment klarerweise nicht.“ Erspart sich der Tischlereibetrieb durch die neue Maschine händische Arbeitsschritte, sollte auch dieser Faktor in die Berechnung mit einfließen. „Eine allgemeine Formel dafür gibt es nicht, es ist immer von der Größe des Betriebs, dem Umsatz und auch der Absetzung für Abnutzung (AfA) abhängig“, so Weissengruber.
In den vergangenen fünf bis zehn Jahren haben auch viele kleinere Tischlereibetriebe auf CNC-Maschinen umgestellt. Die Bandbreite für diese Investition liegt laut Weissengruber je nach Größe und Ausstattung der Maschine zwischen 130.000 und 500.000 Euro.

Mut zum Risiko

In manchen Fällen greifen die Firmeninhaber auch zu einer größeren Maschine, obwohl sie sich in der jetzigen Situation noch nicht rechnet.

Man kann auch ein Risiko eingehen und in eine um zwei Nummern zu große Maschine investieren, um sich einen neuen Markt zu eröffen.

LIM Klaus Weissengruber, Tischlerei Weissengruber

LIM Klaus Weissengruber,  Tischlerei Weissengruber im Bild mit seinem Vater Fritz Weissengruber
LIM Klaus Weissengruber,  Tischlerei Weissengruber (rechts im Bild mit seinem Vater Fritz Weissengruber, Gründer des Familienunternehmens).

„Wenn man Chancen sieht, sich damit einen neuen Markt zu eröffnen, kann man auch ein Risiko eingehen und zum Beispiel in eine um zwei Nummern größere CNC-Anlage investieren, die mehr leisten kann. Durch solche Investitionen eröffnen sich oft Netzwerkkontakte und man bekommt neue Aufträge“, sagt Weissengruber.

„Test Before Invest“

Eckdaten und Vorteile
Das Projekt wird für Unternehmen bis 3.000 Mitarbeiter*innen zu hundert Prozent gefördert. Fünfzig Prozent finanziert die Europäische Union, Fünfzig Prozent das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Das Unternehmen muss seinen Sitz innerhalb der EU haben. Die Vorteile liegen auf der Hand: KMU können verschiedene digitale Technologien ohne Risiko testen, um die beste Lösung für die eigenen Bedürfnisse zu finden. So lassen sich Machbarkeit, Kosten und Nutzen abschätzen, um eine fundierte Kaufentscheidung zu treffen. KMU profitieren dabei von der Erfahrung und dem Netzwerk des „EDIH InnovATE“. Das Risiko einer Fehlinvestition wird so minimiert. Das Projekt läuft in dieser Form bis Ende September 2025.

Branchen
Tischlerei