XXXL-Isolierglas
Tonnenschwer und doch sensibel
Mehr als 100 m lange Isolierglaslinien, die in der Lage sind, Scheibenformate in Überformatgröße zu verarbeiten – das heißt waschen, Abstandhalter applizieren, verpressen, mit Gas füllen und versiegeln – machen immer größere und komplexere Isoliergläser und damit Anwendungen wie Structural Glazing Fassaden technisch und wirtschaftlich möglich. Der Weltrekord von Sedak aus dem Jahr 2020, bei dem Isolierglasscheiben mit einer Größe von 3,04 x 19,21 m und einer Fläche von 117 m2 ausgeliefert wurden, beweist das eindrucksvoll. Aber auch die Weiterentwicklung von automatisch verarbeitbaren Isolierglas-Abstandhaltern sowie Applikationsmaschinen hat wesentlich zum XXXL-Trend beigetragen.
Ein Muss für XXXL-Gläser: flexible Abstandhalter
Die Toleranzen für die Parallelität des Abstandhalters zur geraden Glaskante sind etwa in der DIN 1279:1 006/2019 festgeschrieben. Danach ist bis zu einer Kantenlänge von 3,5 m eine Abweichung von 4 mm zulässig, für größere Kantenlängen beträgt die maximale Abweichung 6 mm. Das Setzen des Abstandhalters verlangt also aus optischen sowie aus normativen Gründen Präzisionsarbeit. Bei Fenstergrößen, die über das Standardbandmaß von 3.210 mm × 6.000 mm hinausgehen, sind zusammengesteckte, rigide Abstandhalterrahmen aufgrund ihrer mangelnden Steifigkeit und ihrer Neigung zur Durchbiegung nur noch schwer zu händeln. Der Abstandhalterrahmen muss so auf die erste Scheibe aufgebracht werden, dass er einerseits gerade und rechtwinklig mit dem Glas verbunden ist und es andererseits nicht berührt, bevor die endgültige Position gefunden ist. Der Anwendungsbereich für starre Systeme ist daher auf bestimmte Glasgrößen begrenzt.
Flexible Abstandhalter werden bei XXXL-Spezialisten wie Sedak und Interpane auf teil- oder vollautomatisierten Linien robotergestützt von der Rolle aufgebracht. Bei manueller Verarbeitung bietet etwa Edgetech für den "Super Spacer" Abstandhalter für das präzise Aufbringen das sogenannte Shuttle. Da das Trockenmittel ab Werk im Abstandhaltermaterial enthalten ist, entfällt auch das zeitaufwändige Befüllen der Abstandhalterrahmen. Und last, but not least, besteht keine Gefahr mehr, dass Butylreste, Flecken oder Fingerabdrücke auf die Scheibe gelangen.
Scherfestigkeit der Isolierglas-Einheit
Die Scherfestigkeit, sprich, die Integrität der gesamten Isolierglaseinheit, wird während der Produktion durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren sichergestellt: eine ausreichend dimensionierte Dichtstofftiefe, die Haftkraft von Abstandhalter und PIB-Dichtung am Glas sowie die Verpressung bei der Gasfüllung des Scheibenzwischenraums.
"Die exzellente Haftkraft von 'Super Spacer' Abstandhaltern auch bei großformatigen Scheiben wurde in einem Scherbelastungstest nachgewiesen. Eine 6.300 mal 3.300 mm große Isolierglaseinheit mit zwei 6 mm dicken Floatglasscheiben wurde ohne Sekundärdichtung verpresst und daher nur durch den seitlich auf dem Silikonschaum des 'Super Spacer TriSeal Premium Plus' angebrachten Acrylkleber sowie die Butylschnur zusammengehalten. Bei einem 30 Minuten andauernden Halteversuch, bei der eine Scheibe mithilfe von Vakuumsaugern angehoben wurde, blieb die komplette Einheit intakt, ohne auch nur 1 mm zu verrutschen", erklärt Christoph Rubel, Technical Manager bei Edgetech Europe.
Elastizität des Silikonmaterials unterstützt Randverbund
Das physikalische Phänomen der thermischen Längenausdehnung hat für die Wahl des Abstandhaltermaterials bei großen, thermisch getrennten Isolierglasformaten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Der Längenausdehnungskoeffizient für Floatglas aus Kalk-Natron-Silicatglas beträgt 9 x 10 e-6 1/K, der für Aluminium 23 x 10 e-6 1/K, also rund das 2,7-fache. So dehnt sich Glas bei 20 m Länge und einer Temperaturerhöhung von 50 Kelvin um 9 mm aus, ein 20 Meter langes Aluminiumstück um 23 mm. Bei Kunststoffen ist die thermische Ausdehnung abhängig von der Materialzusammensetzung noch einmal deutlich höher. Da die Ausdehnungskraft bei starren Abstandhaltern auf die ganze Länge wirkt, addiert sich das bei Großformaten schnell zu einem Zentimeter oder mehr pro Kantenlänge. Dies hat unter Umständen zur Folge, dass sich das Abstandhalterprofil aufgrund der Spannungen über die Zeit aus seiner Position löst und im Bogen in den sichtbaren Bereich der Isolierglaseinheit ragt. "Der schaumbasierte Abstandhalter 'Super Spacer' macht diese Bewegungen dank seiner 100%-igen Rückstellfähigkeit unzählige Male mit", so Christoph Rubel.
Werden thermisch getrennte Verbundprofile oder Structural-Glazing-Konstruktionen aufgrund von Sonneneinstrahlung einseitig an der Außenseite erwärmt, führt die thermische Längenausdehnung zu permanenten Differenzbewegungen und damit einer Schubspannung zwischen den beiden Schalen. Durch Rahmenmaterial aus Metall wird dieser aus der Elektronik abgeleitete, sogenannte Bimetall-Effekt noch einmal verstärkt.
Die steiferen konventionellen Abstandhalter können die entstehenden Lasten nicht kompensieren. Deshalb liegt hier nahezu die komplette Schublast auf einer sehr dünnen PIB-Schicht (Butyl-Primärversiegelung) und auf der Haftung des Abstandhalters am äußeren Dichtstoff, was wie oben erwähnt, dazu führen kann, dass er in den sichtbaren Bereich drückt.
Ein flexibler Abstandhalter ist in der Lage, diese mechanische Belastung aufzunehmen, weil sich die Kräfte durch die Flexibilität des Abstandhalters auf viele lokale Kräfte aufteilen. Die lokalen Haftkräfte über den Abstandhalterrücken, die Primärdichtung sowie der zusätzlich an den Seiten des Abstandhalters applizierte Acrylkleber halten ihn in seiner Position und verhindert, dass der Randverbund beschädigt wird – mit allen bekannten Folgen wie Gasverlust, Kondensatbildung, Trübung und letztendlich einer verkürzten Lebensdauer.
(bt)