XXL-Gläser
Größer, smarter, leichter
Durchblick, Überblick und Ausblick zu haben, ist in jeder Situation ein gutes Gefühl, und eines, das mit Fassadenglas im XL-Format noch mehr an Bedeutung bekommt. Ganz gleich, ob bei Wohnbauprojekten oder Bürogebäuden, sind große Fenster, die viel Licht hereinlassen, Horizonte öffnen und die Perspektive erweitern, sehr gefragt. Einige Glashersteller haben sich unter anderem auf diese Übergrößen spezialisiert und stellen sich damit allen Herausforderungen, die damit einhergehen.
Einer dieser Hersteller ist Vandaglas Eckelt, der in den multifunktionalen Glasarten im XL-Format eine Bereicherung zeitgemäßer Architektur sieht, auch im Sinne der Gestaltungsfreiheit. So können nicht nur spektakuläre Gebäudehüllen damit gestaltet werden, sondern auch einzelne Bereiche wie Eingangssituationen, Schaufenster oder Innenverglasungen wie Raumteiler oder Wandverkleidungen. Allen gemeinsam ist die Bandbreite von Licht und Energie, die sich über die großen Glasscheiben effizient einsetzen lässt. "Bei Vandaglas Eckelt in Steyr sind wir seit 2011 in der Lage, Gläser bis zu einer Maximalabmessung von 3,21 mal 8,0 Metern zu veredeln. Mit dieser Fertigungsgröße sind wir aktuell immer noch der einzige Glasveredelungsbetrieb in Österreich, der Einzelscheiben in dieser XL-Abmessung verarbeiten kann. Standard ist 3,21 mal 6 Meter. International gibt es Verarbeiter, die Einzelscheiben bis zu 20 Metern Länge, also XXL, veredeln können", sagt Michael Gruber, internationaler Key Account bei Vandaglas Eckelt. "Zu den Spezialitäten von Eckelt zählt jedoch auch, dass wir konstruktive Glaselemente wie zum Beispiel Glasfinnen bis zu 18 Metern herstellen. Dabei werden die einzelnen Glaselemente mittels Metallverbindungen und Beschlägen bereits im Werk vormontiert und als fertiges 18-Meter-Element ausgeliefert. Bei Eckelt haben wir den großen Vorteil, dass wir Vollanbieter sind und unsere gesamte Produktpalette bestehend aus ESG, VSG und ISO in XL-Abmessungen bis zu 8 mal 3,21 Metern herstellen können."
Sicherheit geht vor
Große Glasflächen sind vor allem am internationalen Markt stark nachgefragt, insbesondere im nordamerikanischen und asiatischen Raum – und es sind vor allem die Superlative größer, dünner, widerstandsfähiger, die nach oben hin keine Grenzen haben sollen. "Ganz grundsätzlich ist der Trend nach dünnen und leichten Gläser vor allem in den internationalen Märkten klar erkennbar. Ausgangspunkt ist immer das vom Fassadenbauer geplante Fassaden- beziehungsweise Rahmensystem", sagt der technische Geschäftsführer Florian Temper von Vandaglas Eckelt. In jedem Fall geht die Sicherheit vor. "Wir prüfen bei Projekten immer kritisch, ob Glasdickenreduzierungen möglich sind, vor allem auch deshalb, um unserer Verantwortung für ressourcenschonenden Materialeinsatz gerecht zu werden und unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Die Ermittlung und Überprüfung der notwendigen Glasdicke ist immer eine Kombination aus Statik, Sicherheit, technischer Machbarkeit und Produktqualität und wird gemeinsam mit dem Kunden geplant."
Apropos Sicherheit: Für die eigenen Produktionsgrößen bis zu acht Metern, doch auch ganz allgemein für übergroße Scheiben, gelten wichtige Regeln, die beachtet werden müssen. "Die technischen Anforderungen und die Vorgehensweise der statischen Bemessung sind grundsätzlich ähnlich zu Standardabmessungen. So müssen einzelne technische Details wie zum Beispiel die Rückenüberdeckung etc. bei übergroßen Scheiben angepasst werden", erläutert Temper. "Aktuell gibt es nur wenige Hersteller, die XXL-Scheiben etwa bis zu 20 Metern anbieten können. Es handelt sich hierbei jedoch um eine sehr exklusive und attraktive Nische. Da nur wenige Verarbeiter international die Glasabmessungen anbieten können, sind XXL-Abmessungen ein attraktives Alleinstellungsmerkmal."
Groß, größer, am größten
Einer dieser Anbieter ist der deutsche Hersteller Sedak. Er hat in Sachen Glasveredelung bereits 15 Jahre Erfahrung. Flach oder gebogen entstehen im Werk in Gersthofen laminiertes Glas und Isolierglas in Formaten bis zu 3,6 mal 20 Meter – neben Architektur auch für luxuriöse Schiffe und moderne Züge. Auf einer Fertigungsfläche von 58.000 Quadratmetern wird – mit einem hohen Automatisierungsgrad – Rohglas bearbeitet, bedruckt, gebogen, vorgespannt, laminiert und zu Isolier- und Verbundsicherheitsglas verarbeitet. Zwar ist auch für Ralf Scheurer, Sales Engineer bei Sedak, offenkundig, dass der Wunsch nach Transparenz und Offenheit in der Architektur nach wie vor ungebrochen ist, gefragt nach den Zukunftstrends, meint der Experte aber: "Wir beobachten eher einen Trend zu maximaler Qualität und gebogenem Glas anstatt zu noch größeren Formaten. Vor allem die Bearbeitungsqualität und Transparenz der Gläser gewinnen zunehmend an Bedeutung."
Stichwort: Anisotropien. Diese entstehen während des thermischen Vorspannens und sind in der Regel kaum zu vermeiden. Sie zeigen sich meist als schimmerndes Muster im Glas – ein physikalisches Phänomen, das Architekt*innen gerne eliminieren würden. "Mit unserem patentierten Vorspannprozess ist es uns nun gelungen, diesen Effekt auf nahezu Null zu reduzieren. So bieten wir mit 'Sedak Tempered+' das erste vorgespannte Glas ohne Anisotropien an", erklärt Ralf Scheurer. Auch für die immer häufigere Nachfrage nach organischen Formen in der Architektur möchte Sedak bestmögliche Lösungen bieten. "Architekten wollen die Vielseitigkeit des Werkstoffs Glas komplett ausnutzen. Als Vorreiter im Bereich gebogenes Glas liefern wir auch hier übergroße Formate von 3,6 mal 18 Meter. Es geht hier aber nicht immer um die Größe, sondern vor allem um komplexe Geometrien wie 3D-Formen oder Wellen. Auf der diesjährigen Messe glasstec in Düsseldorf haben wir eine multidimensional gebogene, thermisch vorgespannte Glasscheibe präsentiert."
Den Bogen spannen
Sedak setzt sich darüber hinaus stark mit dem Thema der Materialreduktion auseinander. "Die Zusammensetzung des Werkstoffs Glas ist weiterhin identisch. Um die Glasdicke zu reduzieren und Ressourcen einzusparen, wird häufig gebogenes Glas eingesetzt. Außerdem rückt Dünnglas mit einer Glasdicke von weniger als zwei Millimetern vermehrt in den Vordergrund. Es ist äußerst flexibel und kann mechanisch in gekrümmte Formen gebracht werden." Durch die Krümmung im Glas können die Schalentragwirkung ausgenutzt und das Glas effizient bemessen werden. Auch hochsteife Verbundfolien werden bei Sedak eingesetzt, um Verbundaufbauten effizienter und somit dünner, bei gleicher Sicherheit, bemessen zu können.
Und wie sieht es hier aus mit der Sicherheit? "Anforderungen in punkto Sicherheit und Statik werden von Fassadeningenieuren und Fassadenbauunternehmen berechnet, die alle beteiligten Komponenten, wie die Unterkonstruktion aus Alu oder Stahl und das vorgeschlagene Glas, planen", hält Scheurer fest und fügt hinzu: "In unserer Fertigung produzieren wir je nach Anforderung großformatiges Sicherheits- oder Isolierglas bis zu einer Größe von 3,6 mal 20 Metern. Außerdem erfüllen die Gläser je nach Kundenwunsch die entsprechenden Basis-Anforderungen bis hin zu Einbruch und kugelsicheren Verglasung."
Gut aufgestellt
"Wir haben inzwischen viele Projekte mit XXL-Gläsern geliefert, aber das Thema XXL-Glas ist immer noch ein Nischenprodukt. Trotzdem springen immer mehr Architekten auf den Zug auf, weil sie an den fertiggestellten Projekten sehen, dass es funktioniert", bestätigt Jan Evers, Thiele Glas, Vertriebsleiter international in Wermsdorf (D) die aktuellen Entwicklungen. Seit Jahrzehnten schon ist die Auseinandersetung mit der Produktion von überlangen Gläser von sechs bis 18 Metern ein großes Thema bei Saint-Gobain Glass. Das Unternehmen kann auf ein weltweites Netzwerk zurückgreifen: von Glasveredlern, Isolierglas-Herstellern, Logistikern und spezialisierten Unternehmen für das Handling auf der Baustelle. Für Scheibenformate ab sechs Meter Länge gibt es mittlerweile etablierte Prozesse von der Herstellung und Beschichtung über die Veredlung bis hin zur Verarbeitung als Isolierglas. Damit die einmal produzierten Überformate auch sicher von A nach B kommen, steht ein spezieller Truck zur Verfügung, der bis 18 Meter Basisglas transportieren kann, das bereits fertig beschichtet ist. Ab hier erfolgt dann die Planung, Beratung und Ausführung über Thiele Glas. "Die Basisgläser für XXL-Glas werden meist von Saint-Gobain gefertigt. Im Idealfall werden wir bei Thiele schon frühzeitig seitens der Architekten in den Entwicklungs- und Planungsprozess mit eingebunden."
Das großformatige Sortiment von Saint-Gobain Glass umfasst Glasscheiben mit Abmessungen bis zu 18 mal 3,21 Meter, darunter die Basisgläser "Planiclear" und das hochtransparente "Diamant" in 8, 10 oder 12 Millimeter. Mit den von Saint-Gobain Glass gelieferten, überlangen Glasscheiben kann Thiele Glas die gesamte Palette an Glasveredelungsverfahren umsetzen: Vom Vorspannen, Laminieren bis zum Isolierglasbau, auf Wunsch auch digital keramisch bedruckt. "Die Dicke des Glases ist meist durch Sicherheitsanforderungen und die Statik bestimmt. Eigentlich kann das Glas viel mehr, als ihm zugetraut wird. Das eine ist die Statik, das andere ist die Optik. Je dünner das Glas wird, umso anfälliger wird es auch für Rollerwaves, für Verzerrungen auf der Oberfläche", gibt Jan Evers zu bedenken.
Mehr geht nicht
Bei der weiteren Verschlankung Dicke des Glases zeigt sich auch Dirk Sommer, TAS Manager Global Business Division bei AGC Interpane Architectural Glass eher vorsichtig, er sieht aufgrund der Statik dieser Systeme klare Grenzen. Denn die Sicherheitsanforderungen sind hoch. Auch bei der Größe sieht er eine Gegenentwicklung. "Bei AGC Interpane können wir Glasgrößen bis zu 19,5 Meter Länge erzeugen, und zwar solche, die wir in der AIAG-Sparte selbst beschichten können. Wir sehen aber einen Trend, bei dem die Scheiben aktuell im Schnitt eher wieder etwas kleiner, nämlich 13 Meter, werden. Der Grund dafür ist, dass diese wirtschaftlicher produziert werden können."
Auch Harald Bissenberger, Prokurist bei Ertl Glas in Amstetten (NÖ), vermutet, dass sich bei den Größen, die es jetzt schon auf dem Markt gibt, nicht mehr allzu viel tun wird, "da die Realisierung extrem aufwendig ist und die Größen im Falle einer Reparatur nicht mehr zu bewerkstelligen sind. In der Bauzeit sind die Zufahrten für große LKW und Kräne meist kein Problem, aber wenn das Haus oder das Projekt fertig ist, gibt es hier immer wieder Probleme, bei Reparaturen oder etwaigen Erweiterungen solche übergroßen Isolierglaseinheiten zu bewegen und oder zu verglasen."
In der Ertl Gruppe werden Flachgläser mit einer maximalen Größe von 6 mal 3,21 Metern (ESG, VSG, Print etc.) produziert, allerdings gibt es für internationale Projekte auch immer wieder Fertigungsgrößen, die weit darüber hinausgehen. "Aber alles, was über das europäische Normmaß von 6 mal 3,21 Meter hinausgeht, ist nur mit extremem Sonderaufwand, beispielsweise Sondertransporten, Straßensperren, Zulassungen, Genehmigungen usw. zu bewerkstelligen. Die Sinnhaftigkeit solch großer Isoliergläser ist absolut zu hinterfragen", gibt Bissenberger zu bedenken. Und er glaubt ebenfalls nicht, dass das Glas zum leichteren Handling noch dünner werden kann, als es das ohnehin schon ist: "Dann würde es statisch bzw. anwendungstechnisch nicht mehr funktionieren."
Volle Unterstützung für Verarbeiter*innen
Um als Verarbeiter*in diese Größen bestmöglich ein- und verbauen zu können, bieten die Hersteller Unterstützung in unterschiedlichen Formen an. So werden mit speziellen LKW-Sondertransporte für überlange Scheiben organisiert, dazu werden Partnerbetriebe – in der Regel spezialisierte Glas- und Metallbauunternehmen – empfohlen, die auf den Umgang mit übergroßen Gläsern spezialisiert sind und über einen entsprechenden Fuhrpark mit Hebegeräten, Kränen, Tiefladern, Saughilfen etc. verfügen. Eckelt hat für seine XL-Gläser etwa Verklotzungs- und Handlingsempfehlungen zusammengestellt, die den Kund*innen die Handhabung erleichtern soll. AGC Interpane sorgt für technischen Support gemäß der Technischen Richtlinie des deutschen Glaserhandwerks, Ertl Glas unterstützt mit eigenem Fachpersonal und eigenem Gerät, während Sedak unter anderem die spezielle Verpackung für die Gläser im Auge hat, damit sie auf der Baustelle einfach und sicher entpackt und installiert werden können. Saint-Gobain Glass bietet zum Glas selbst auch ein Rundumservice für erfolgreiches Planen und Realisieren von Glasfassaden an. Dazu gehört die Unterstützung bei der Suche nach Fassadenplanern und Bauphysikern und die Beratung in punkto statische und thermische Analysen sowie Tageslicht- und Akustikberechnungen.
(bt)