Messehighlights
Nicht ohne den Salone
Mailand ruft und alle kommen. Die internationale Möbelmesse im April ist bei vielen Menschen schon im Jahr davor rot im Kalender markiert. Wer wissen will, wo es in Sachen Gestaltung lang geht, der muss das gesehen haben. Die gesamte Designszene trifft sich hier und tauscht sich über Trends und Tendenzen aus - eine Art riesiges Klassentreffen voller News und Lebensfreude.
Viele Gründe zum Feiern
Was 2024 besonders auffiel, waren die vielen Jubiläen großer, namhafter Hersteller, die sich oft - vor allem in Italien - noch im Familienbesitz befinden. 1934 scheint ein außerordentlich kreatives Jahr gewesen zu sein, denn der runde Neunziger wurde nicht nur einmal groß gefeiert. Aber auch einzelne Möbelstücke feierten vielerorts einen runden oder halbrunden Geburtstag. Diese Gelegenheit, die eigenen Klassiker und Bestseller wieder einmal vor den Vorhang zu holen, neu eingekleidet und vielleicht sogar modern interpretiert, lässt sich kaum ein Unternehmen entgehen. Erstaunlich ist, welche Schätze immer wieder gehoben werden. Mit allergrößtem Respekt muss man anerkennen, dass das letzte Jahrhundert ein besonders innovatives und kreatives gewesen ist, von dem eine ganze Branche bis heute profitiert.
Wie ein Städtetrip, nur besser
Abseits der Messe, genau gesagt im Stadtzentrum, waren es die Schrittzähler, die zu glühen begonnen haben. Alles, was Rang und Namen hat und sich einen Schauraum - manchmal sogar mehrere - in der Mailänder Innenstadt leistet, putzte sich für die Woche des Designs prächtig heraus. Doch nicht nur die Showroom, sondern auch die sonst für die Öffentlichkeit geschlossene Innenhöfe historischer Palazzi sowie Kunstgalerien wie die von Rossana Orlandi öffneten ihre Pforten weit für das designaffine Publikum aus der ganzen Welt. Die Stadt wird selbst zur Messe und manchmal auch zur Geduldsprobe, wenn man Ausstellungen wie die von Hermès, Louis Vuitton, Yves Saint-Laurent, Gucci, Trussardi oder Giorgio Armani besuchen will. Was die mit Einrichtung zu tun haben? Mittlerweile ganz viel. Auch die Labels Karl Lagerfeld, Gianfranco Ferré und Roberto Cavalli haben eigene Home Collections, ebenso wie Bentley, Lamborghini und Pininfarina kräftig mitmischen. Ob sie Trends setzen, sei dahingestellt. Dabei sein ist schließlich auch hier alles.
In voller Blüte
In Mailand gibt man sich schon immer sehr selbstbewusst. Und das ist auch dieses Jahr nicht anders. Von einem Diktat der bestimmter Farben merkt man nichts. Genauso wenig lässt man sich von einem Material- oder Formen-Kodex einschränken. Deshalb wird aus dem Vollen geschöpft. Einerseits gab es viele Neuheiten zu sehen, die ein zartes Gefühl der Siebziger Jahre heraufbeschworen. Bodennahes Sitzen ist wieder en vogue, genauso wie abgerundete Kanten und sinnliche Kurven, verpackt in ein markantes Orange-Rot oder Pistaziengrün. Nebenbei darf es auch an ein bisschen Multifunktionalität nicht fehlen - die immer kleiner geschnittenen Wohnungen erfordern Spontanität und Erfindergeist und haben Platz für maximal ein ultimatives Lieblingsstück. Das darf aber Präsenz zeigen.
Heute schon für morgen
Was lange Zeit ein bisschen schwammig war, ist jetzt mit wahrer Ernsthaftigkeit angekommen. Dafür viel weniger plakativ und daher auch deutlich glaubwürdiger. Nachhaltigkeit spiegelt sich nämlich nicht nur im leicht auf- und abbaubaren, wieder einsetzbaren Messestand wider, sondern im Produkt selbst, und da auf ganz verschiedene Art und Weise. So werden die Maßstäbe für ein langes Leben weit nach oben geschraubt, aber auch dafür gesorgt, dass nach Ablauf des Lebenszyklus bestmöglich getrennt werden kann. Die Bemühungen, statt auf Kleber, Nägel und Schrauben wieder mehr auf Steckverbindungen zu setzen fruchtet: Das Handwerk erlebt einen starken Aufwind, Knowhow ist wieder gefragt, Kreislaufwirtschaft liegt im Trend. Als „Musterschüler“ könnte man den Stuhlklassiker Catifa Carta von Arper nennen, dessen Sitzschale aus Papierlagen gepresst und nicht hochglanzlackiert wird. Er kann am Ende vollständig in seine einzelnen Komponenten zerlegt werden. Wenn das kein Vorbild ist?