Objektkunst aus Metall
Dem Himmel, Ach, So nah
Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erleben. Das stimmt und ist doch keine Selbstverständlichkeit. Denn es setzt voraus, dass man seine Umwelt mit offenen Augen und einem wachen Geist betrachtet. Gesetzt dieses Falles kann es passieren, dass man auf einer gemütlichen Autofahrt durch das Salzburgerland den Kreisverkehr in Mittersill umrundet – ein Ereignis, das niemand so schnell vergisst. Nun ist ein solcher „Roundabout“ an sich noch nichts Verwunderliches. Es ist vielmehr die äußere Erscheinung jenes denkwürdigen Kreisels, die für Aufsehen sorgt. So wurde das Innere jener Verkehrsinsel nicht etwa mit dem obligatorischen, von einem Blumenmeer umsäumten Gemeindewappen ausgestattet. Vielmehr recken sich auf dem sich aufbäumenden Grün jenes Drehkreuzes zwei neun Meter hohe Metallskulpturen dem Himmel entgegen. Nicht nur die schiere Größe der Standbilder fesselt den Blick. Auch ihre Gestalt macht einen bleibenden Eindruck, wobei sich der Betrachter automatisch die Frage stellt, was wohl der tiefere Sinn all dessen sein möge. Wohl haben in der Vergangenheit zahlreiche Medien über die Hintergründe zu jenen denkwürdigen Objekten berichtet und dabei etwa auch Meinungen der lokalen Bevölkerung eingefangen. Auf die Idee, den Erschaffer einmal selbst nach der künstlerischen Intention zu jenen Statuen zu fragen, kam bisher jedoch noch niemand. Dass das auch anders gehen kann, zeigen wir Ihnen mit diesem Beitrag, denn für die Redaktion „Metall“ stand Künstler Richard Steiner exklusiv Rede und Antwort.
Die Natur als Inspiration
Geboren und aufgewachsen in Bramberg am Wildkogel am sonnseitigen Ufer der Salzach, umgeben von dem mächtigen Bergmassiv der Kitzbüheler Grasberge und der Gipfel der hohen Tauern, diente ihm die Natur früh als Inspirationsquelle. Noch heute denke er gerne an seine Kindheit zurück: „Ich hatte früh den Wunsch, mich durch die Kunst mit der Natur zu verbinden. Außerdem war ich immer tief beeindruckt von den Skulpturen in unserer Barockkirche im Ort. Seit ich denken kann, wollte ich wissen, wie es ist, so etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen.“ Mit nur sechs Jahren habe er seine ersten Schnitzarbeiten in Holz gefertigt und seitdem fast täglich an weiteren Kunstwerken gearbeitet. Die bildnerisch-kreative Arbeit wurde auf diese Weise zu einem untrennbaren Bestandteil seines Alltags. In seiner Familie seien seine künstlerischen Ambitionen jedoch nicht immer auf Gegenliebe gestoßen. Das habe ihn jedoch nie gestört, wie Steiner erklärt. „Seit dem Tag, an dem ich mein erstes Kunstwerk erstellt habe, weiß ich, dass diese Arbeit meine Bestimmung ist. Das ist wie eine innere Stimme, die da tief aus mir spricht. Wie ich und meine Arbeit von anderen wahrgenommen werden, spielt da eigentlich gar keine so große Rolle.“
Der Weg ist das Ziel
Nach der Schulzeit stand für Steiner außer Frage, seine Leidenschaft für die Bildhauerei zum Beruf zu machen – hierbei habe er sich zunächst für eine Tischlerlehre als Grundausbildung entschieden. Später folgten mehrere Bildhauerausbildungen, wobei er unter anderem auch Erfahrungswerte als Restaurator sammelte. „Wenn man als Bildhauer mit so vielen unterschiedlichen Materialien arbeiten will, dann ist es gar nicht so leicht, die richtige Ausbildung zu wählen. Ich habe dann zunächst eine Tischlerlehre gemacht, einfach weil ich dadurch wichtige Basics der Holzbearbeitung erlernen konnte. Im Laufe meiner Bildhauerausbildungen habe ich mich dann auch vertiefend mit der Stein- und Metallbearbeitung befasst. Nach beruflichen Stationen in Wien und Salzburg fühlte sich Steiner schließlich bereit, sich selbstständig zu machen. Für ihn war dabei von Anfang an klar, dass er hierfür in seine Heimat nach Bramberg zurückkehren würde, um dort seinen eigenen Handwerks- und Kunstbetrieb zu eröffnen. „Ich habe ja im Laufe meiner Karriere sehr viele Angebote aus dem In- und Ausland bekommen, aber ich habe immer schon gewusst, dass ich das alles nicht brauche. Für mich stand somit fest, dass ich irgendwann wieder in meine Heimat zurückkehre.“
Die Liebe zum Metall
Als Steiner ab den 1990er-Jahren Kunstprojekte fortan unter eigenem Namen realisierte, habe dies bei nicht wenigen für Stirnrunzeln gesorgt. Dass sich mit Kunst bares Geld verdienen lasse, sei schließlich noch nicht jedem bekannt. „Ich bin hier in der Umgebung schon ein kleiner Exot – ich kenne meine Heimat ja und wusste, was auf mich zukommt. Aber ich wusste eben auch, was ich kann. Außerdem hatte ich mir schon vor der Gründung meines Betriebes einen festen Kundenstamm aufgebaut, von daher war ich finanziell immer auf der sicheren Seite.“ Mit Beginn seiner Selbstständigkeit habe er handwerkliche Verfahren regelmäßig weiterentwickelt. Im Laufe der Jahre habe er sich zudem vertiefend mit den Grenzen und Möglichkeiten der Metallbearbeitung auseinandergesetzt. „Ich habe mittlerweile eine große Affinität für Metall entwickelt. Das liegt mir einfach, denn es ist ein Material, das nur wenige Fehler verzeiht. Außerdem erfordert die Arbeit mit dem Metall ein hohes Maß an Präzision. Beim Schweißen entscheidet sich in einer Millisekunde, ob die Schweißnaht gelingt.“ Anfangs habe er vornehmlich Skulpturen, Fassaden- und Kunstobjekte in Eisen gefertigt, später auch in Cortenstahl. Durch seine breite Expertise in der Metalltechnik wirken viele seiner Metallskulpturen wie aus einem Guss gefertigt. „Das ist sicherlich ein Effekt, der immer wieder entsteht und mir persönlich auch gut gefällt. Dann kann es sein, dass ein geschweißtes Kunstwerk auf den ersten Blick wie eine gegossene Plastik wirkt, da ich das Material durch den Schweißvorgang aufmodelliere, wie ansonsten mit Ton oder Plastilin“, so der Künstler.
Irren ist menschlich
Ein Kunstwerk, das ebenfalls diesen Eindruck erweckt, ist auch das aus zwei Skulpturen bestehende Standbild auf dem Kreisverkehr in Mittersill. Das statische Fundament der übergroßen, aus Cortenstahl gefertigten Objekte basiert auf einer kranartigen Fachwerkstruktur, welche den Skulpturen im inneren die nötige Stabilität gibt. Darauf wurde die äußere, unbehandelte „Metallhaut“ in drei Sektionen ergänzt und anschließend vor Ort zusammengeschweißt. Seit der Errichtung der beiden Skulpturen im Jahr 2014 wurde viel über die mögliche Bedeutung jener Standbilder gemutmaßt. Häufig wurde die kleinere, leicht vornüberbeugte Figur mit einem Frauenkörper und die größere Figur, welche über einen integrierten Wasserfall verfügt, mit einer urinierenden Männerfigur assoziiert. Das sei jedoch absoluter Blödsinn, wie Richard Steiner jetzt richtigstellt: „Ich muss sagen, ich war schon sehr erstaunt, was da alles über meine Kunstwerke erzählt wurde. Die wahre Bedeutung dieser Skulpturen ist nämlich eine ganz andere.“ Die nach vorne gebeugte Figur symbolisiere einerseits die Kitzbüheler Grasberge und sei außerdem ein Abbild einer Frau aus dem Nachbardorf. Da diese taubstumm und körperlich beeinträchtigt war, habe sie es nicht leicht gehabt im Leben. „Die Gretl war ein echtes Vorbild für mich. Obwohl sie es so schwer hatte, hatte sie immer ein Lächeln auf den Lippen und war immer fröhlich. Das hat mich damals zutiefst beeindruckt.“ Die andere Figur symbolisiert wiederum Steiners Großvater, der in der Nachbarschaft von Gretls wohnte. „Mein Großvater war auch einfach ein herzensguter Mensch. Deswegen wollte ich ihn ihrer Skulptur gegenüberstellen“, so Steiner.
Mit Herz und Verstand
Eine weitere Metaebene jenes Kunstwerkes sei es, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, einen respektvollen und achtungsvollen Umgang mit der Natur und den Mitmenschen zu pflegen. Im Leben sei schließlich alles ein Geben und ein Nehmen, wie Steiner zu berücksichtigen gibt: „Das ist für mich die zentrale Botschaft zu diesen Skulpturen. Ich wünsche mir, dass all die Menschen, die diesen Kreisverkehr passieren, zumindest einen Moment innehalten. Und vielleicht inspiriert er sie ja auch dazu, der Welt mit mehr Offenheit und Liebe zu begegnen.“ Getragen von diesem Wunsch wolle Steiner auch in Zukunft weitere solcher Herzensprojekte realisieren. „Bei mir kommen laufend Aufträge herein, zum Teil sind es sehr unterschiedliche Anfragen. Immer wieder treten auch Architekten mit speziellen Wünschen an mich heran. Die Umsetzung ist nicht immer ganz leicht, aber das ist ja auch das Schöne, dass ich mich immer wieder neu in diesen Schaffensprozess einfinden darf.“