„nicht billiger, sondern Besser”
Als Geschäftsführer von Bohle Österreich bist du ständig mitten im Markt. Was für Trends sind am Beschlägesektor zu erkennen?
Franz Schreibmaier: Diese Frage begleitet uns permanent, und je nachdem, wen man in der Branche fragt, bekommt man unterschiedliche Antworten. Einen generellen Trend würde ich nicht festmachen, aber klare Ideen und Wünsche gibt es, ja sogar Anforderungen in den Bereichen Design, Funktion, Transparenz und wartungsfreie Beschläge. Desweiteren gibt es noch eine unerfreuliche Entwicklung hin zum Billigprodukt. Eines ist aber seit Jahren erkennbar: dass die Beschläge schon lange zum Multifunktions-Design-Element wurden. Eine simple Funktion wie vor Jahren genügt längst nicht mehr.
Das Thema Beschläge umfasst ja viele Bereiche. Gibt es hier unterschiedliche Trends?
Ja. Im Innenausbau zum Beispiel sollte der Beschlag einfach alles können und am besten nicht mehr sichtbar sein (lacht). Der Anspruch bei Schiebetürbeschlägen etwa geht dahin, dass Raumabteilungen immer größer werden – Schlagworte Transparenz und Licht im Wohnraum, und die Mechanik teilweise in die Decke oder in „Taschen“ verbaut wird. Bei Wintergärten und Fassaden gibt es mittlerweile Elemente, die mit wenigen Handgriffen einen komplett offenen Raum gestalten. Klar zu erkennen ist jedoch, dass dem Sanitärbereich immer größeres Augenmerk gewidmet wird. Das Bad wird immer mehr ein Ort zum Wohlfühlen, und Glas spielt dabei eine große Rolle. Auch hier gibt es erkennbare Trends zu immer filigraneren, funktionalen Beschlägen. Und wenn wir beim Wohnkomfort bleiben kommt man auch am Thema Schallschutz nicht vorbei, der nicht nur in Büros Standard ist, sondern mittlerweile auch im privaten Wohnraum gerne verbaut wird. Selbstverständlich bieten wir in unserem Sortiment entsprechende Produkte an.
Aus Sicht des Beschlägeherstellers und -lieferanten: Was wünschen die Konsumenten und was die Verarbeiter?
Da gehen Wünsche, Bedürfnisse und Realitäten teilweise weit auseinander! Der Letztverbraucher kommt gegenwärtig oft mit definierten Vorstellungen und teilweise gut informiert zum Verarbeiter. Das Internet ist ja allgegenwärtig, und so können sich Konsumenten jederzeit umschauen. Leider wird hier aber auch sehr viel Halbwissen vermittelt und nicht immer, sagen mir mal vorsichtig, gelegentlich, werden schon Informationen geteilt, die so nicht der Realität entsprechen. Dabei fällt mir ein Reizwort aus der aktuellen Politik ein: „alternative Fakten“. Im Bereich der Sicherheit bei den Beschlägen durchaus ein nicht zu vernachlässigender Faktor! Unsere Kunden werden seitens der Konsumenten schon mit haarsträubenden Informationen konfrontiert. Als Verarbeiter muss man sich aber auch an Normen und Gesetze halten und kann nicht alles verbauen, was der Konsument möchte. Die Verarbeiter jedenfalls haben feste Ansprüche an eine einfache Be- und Verarbeitung.
Apropos: Welche Rolle spielen Normen und Regeln in der Verarbeitung von Beschlägen?
Das sind wichtige Indikatoren und mehr als je zuvor sehr sinnvoll. Natürlich ist es manchmal mühsam, alle Anforderungen zu kennen. Doch das muss man auch als Chance nutzen, und man kann sich durch Einhalten und Verweis auf das gültige Regelwerk von Billig-anbietern klar differenzieren. Bei den Innungen, aber auch in der Glasbranche, gibt es genügend Produzenten und Fachhändler, wo reichlich Fachwissen abrufbar ist. Es geht schließlich um unser aller Sicherheit, und es gibt immer wieder – leider – schlimme Fälle, wo es zu Personenschäden kommt, weil jemand abseits der Regeln gearbeitet hat.
„Geiz ist geil“ ist ja leider gerade im Beschlägebereich nicht nur ein Slogan. Dass sich billig aber nicht immer als günstig erweist, ist offenbar noch nicht überall bekannt?
Dieser Slogan aus den Medien hat sich schon bei vielen Leuten eingebrannt. Aber es ist ein Slogan, den wenige zu Ende denken: Wenn Geiz geil ist, die Preise permanent nach unten gedrückt werden, dann sind die Einnahmen bei den Betrieben rückgängig. Aber permanent steigen die Kosten. Desweiteren in den Medien momentan allgegenwärtig ist das Thema Mindestlohn, was durchaus Berechtigung hat. Dann kommt es bei Betrieben, wo Marge und Ertragssituation nicht mehr stimmen, eher früher als später zu Einsparungen und die Arbeitnehmer bekommen es zu spüren. Arbeitsplätze sind in Gefahr und damit sinkt die generelle Lebensqualität. Diesen Slogan muss man kritisch hinterfragen! Glücklicherweise ist schon eine Tendenz zur „bezahlbaren Qualität“ erkennbar. Vor ein paar Tagen las ich während einer Autofahrt auf einem Montageauto „nicht billiger – sondern besser“ – das sollte der neue Slogan sein, und nicht nur für Beschläge! Denn die Erfahrung zeigt auch, dass bei seriöser Fachberatung ein Mehrwert erzielt wird.
Aber der Kunde verlangt nach wie vor „billig“, oder?
Vermutlich können sich viele erinnern: Früher wurde ein Mal etwas „Ordentliches“ angeschafft. Man hat gespart und danach wurde etwas gekauft oder in die Einrichtung investiert. Heute scheint es, dass auch im Bereich der Beschläge, egal ob Möbel oder Sanitär, die Wegwerfgesellschaft dominiert. Diese Erfahrung bestätigen mir viele Kunden in Gesprächen. Billig einkaufen, und wenn es nicht mehr so funktioniert – austauschen und wegwerfen. Die Frage ist, wo soll das hinführen? Handwerker und Fachbetriebe dürfen und müssen auch etwas verdienen – und das gelingt mit entsprechenden hochwertigen Produkten.
Welche Probleme treten bei Billigprodukten vor allem auf?
Sehr oft erleben wir bei Gesprächen mit unseren Kunden, dass die Erfahrung mit Billigstprodukten meist teures Lehrgeld ist. Selbstverständlich gibt es günstige Produkte mit akzeptabler Qualität. Dennoch kann man von billigen Materialen nicht dieselben Eigenschaften und vor allem keine entsprechende Lebensdauer erwarten wie bei qualitativ hochwertigen mit akzeptablen Preisen. Jeder, der schon mal negative Erfahrung mit Reklamationen von Billigstprodukten hatte, überlegt sich, diese nochmals anzuwenden. Und wenn schon preissensitiv gekauft wird, sollte der Verarbeiter auch die Qualität der Anbieter vergleichen. Es gibt zahlreiche seriöse und namhafte Lieferanten mit Qualitätsprodukten, aber leider auch Marktschreier.
Welche Auswirkungen hat dieser Preisdruck auf die Industrie?
Wenn man sich den Bereich der Beschläge ansieht, muss man klar feststellen: Vor Jahren oder besser, vor Jahrzehnten, wurde von den europäischen Herstellern noch sehr viel in Europa produziert. Hochwertige Produkte, meist mit dem Prädikat „Made in Germany“, waren gefragt. Qualität stand an erster Stelle. Der Preis war natürlich auch ein Bestandteil, aber man wusste, Qualität hat ihren Preis. Dann kam der Trend, dass Vieles in Billiglohnländern produziert wurde. Mittlerweile – und glücklicherweise – gibt es aber schon ein Umdenken und es wird wieder mehr Qualität verlangt. Bohle zum Beispiel investiert permanent in interne Qualitätssicherung und wir fertigen bereits viel in Europa bzw. haben europäische Partner mit entsprechenden Produkten.
Auch als Anbieter von Qualitätsprodukten hat man immer wieder mit Reklamationen zu tun, bei denen dann die Ursache zu eruieren ist. Was sind die häufigsten Fehler bei der Planung und Verabeitung von Beschlägen?
Sehr oft erleben wir – so banal es klingt – dass der falsche Beschlag zur Anwendung kommt. Sehr oft steht der Preis im Vordergrund und es wird auf die Bedürfnisse der Anwendung nicht geachtet. Immer wieder sehen und hören wir, dass das Glas für den verwendeten Beschlag überdimensioniert wurde. Diese Fehler finden sich überall. Ob Möbel, Innenausbau oder Balustraden. Unausweichliche Folge sind Reklamationen und ein aufwendiger Austausch. Meist lassen sich diese Fehlanwendungen mit Nachbessern oder Austausch beheben. Im schlimmsten Fall kommt es zu Verletzungen. Vielen ist gar nicht bewusst, welches Risiko man hier eingeht. Da bleibt die Frage: Wäre es nicht von Anfang an sinnvoller gewesen, ein passendes Qualitätsprodukt zu verbauen?
Automatisierung und Smart Home sind unübersehbare Trendthemen. Was bietet hier die Beschlägeindustrie?
Fachmessen, Fachjournale und generell die Medien zeigen einen klaren Trend beim Thema Smart Home, und die Entwicklung und Vernetzung des Mobiliars beginnt. Automatische Tür- und Fensteröffnung oder auf Knopfdruck versenkbare Fassaden findet man schon in modernen Gebäuden. Vor allem im Eingangsbereich gibt es schon sehr komfortable Anwendungen wie etwa Keyless Entry-Systeme, welche über das Smartphone gesteuert werden. Hier wird die gesamte Baubranche in den nächsten Jahren noch eine rasante Entwicklung erleben.
Ein weiterer Trend: Immer unsichtbarer, immer cleaner. Wie reagiert Bohle darauf?
Wir investieren natürlich auch in Forschung und Entwicklung und vor allem in entsprechende Ressourcen beim Personal und haben dieses Jahr wieder Mitarbeiter eingestellt, die sich mit dem Thema beschäftigen. Aktuell arbeiten wir wieder an einigen Entwicklungen, die bald Antworten auf deine Fragen geben werden ...