Fassadenrestaurierung

Grün, oder nicht grün

Restaurierung
18.11.2024

Dem Architekten Otto Wagner war anscheinend nicht alles so grün, wie man glauben möchte. Was längst wissenschaftlich belegt ist, kommt beim berühmten Schleusengebäude am Nussdorfer Wehr zur Anwendung.
Otto Wagner Schleusengebäude mit Schemerlbrücke
Das Schleusengebäude von Otto Wagner, erbaut in den Jahren 1898/1899, erstarhlt wieder in seiner ursprünglichen Schönheit. Maßgeblich an der Restaurierung beteiligt war Baumit.

Es ist wohl eines des ikonischsten Gebäude Wiens, ein Juwel des Wiener Jugendstils aus der Feder von Otto Wagner, der auf seine einzigartige und visionäre Art Wiens Stadtbild stark geprägt hat. An der Stelle, an welcher der Donaukanal von der Donau abzweigt, steht das ehemalige Schleusengebäude, begleitet von der eindrucksvollen Wehranlage, Krandepot und der berühmten „Schemerlbrücke“. Heute befindet sich darin die Zentrale der MA 45 /Magistratsabteilung für Wiener Gewässer. Die Sanierung des historischen Gebäudes nahm bereits 2016 ihren Anfang. Zwei Jahre dauert die Instandsetzung der Innenräume. 2023 war es schließlich für die Fassade und die Fenster soweit. Doch nicht etwa eine simple Renovierung, sondern eine anspruchsvolle Restaurierung, die dem Bauwerk von Otto Wagner sein originales, ursprüngliches Gesicht wieder zurückgeben sollte.

Untersicht Attika Otto Wagner Schleusengebäude
Ein Aufwand, der besonders stolz macht: Sämtliche Fassadendetails und Verzierungen wurden händisch aufgearbeitet und ergänzt.

Echte Handarbeit

Die Arbeiten erfolgten in engster Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt und waren für alle Beteiligten eine große Herausforderung – und zwar in jeder Hinsicht. Denn die Vorgabe des Bundesdenkmalamts war es, dass die Fassade nicht nur so aussehen müsse wie zur Zeit Otto Wagners, sondern auch so hergestellt werden solle. So wurden sämtliche einzelne Bauschritte Otto Wagners minutiös nachvollzogen: Jeden Kübel mit Material brachte man mit dem Seilzug nach oben, die Fassadenteile wurden dabei durch Anwendung alter Techniken hergestellt und Zierteile händisch nachgeformt. Dass das Gebäude heute wieder so aussieht wie vor 125 Jahren, erfüllt alle – vom Bauherrn bis zu jedem einzelnen Handwerker mit Stolz, denn zum Beispiel die wellenartigen Fassadenelemente hätte man durch Einsatz modernster Technik nicht so hingebracht.

Fassadendetail Otto Wagner Schleusengebäude
Auch die Fenster wurden originalgetreu saniert - in Braun und nicht in Grün. Diese Erkenntnis wurde im Zuge von Untersuchungen des Bundesdenkmalamtes gewonnen.

Von wegen grün

Weiß die Fassade, braun – ja, braun! – die Fenster: So lautete die Vorgabe. Denn in den vergangenen zehn Jahren wurde das Schleusengebäude genauestens untersucht und das historische Erscheinungsbild gemeinsam mit dem Bundesdenkmalamt rekonstruiert. Dabei bestätigte sich, dass Otto Wagner das Gebäude monochrom weiß errichtete, während die Fenster braun gestrichen waren. So wurde die Farbgestaltung des Gebäude wieder exakt in den Zustand zurückversetzt, wie sie Otto Wagner in den Jahren 1898/99 geplant und auch umgesetzt hatte. Aus diesem Grund erstrahlen die in grün gehaltenen Elemente nach der Sanierung wieder in Weiß. Außerdem galt es, die historischen Fenster in ihrer Teilung wiederherzustellen. Die ursprünglichen Verblechungen wurden nach historischem Vorbild mit den kleinen, zarten Nasen und dem geringen Vorsprung rekonstruiert und damit anders, als man es heute ausführen würde.

Dachuntersicht Otto Wagner Schleusengebäude
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Hier wurde nichts dem Zufall überlassen und in allen Details nach den Plänen Otto Wagners wieder instandgesetzt.

Das Ensemble mit Schemerlbrücke und Schleusenhaus ist seit Jahren geschützt, und jeder
Wiener kennt es. Daher wollten wir es auch wieder so herstellen, wie es Otto Wagner ursprünglich geplant und errichtet hat.

Gerald Loew, Abteilungsleiter Wiener Gewässer

Was man heute wieder unverhüllt bewundern darf, ist ein gelungener Spagat zwischen historischem Erscheinungsbild und zeitgemäßer Nutzung. Das Schleusenhaus sieht nun wieder aus, wie zur Zeit seiner Entstehung, und das vermeintlich typische Wagner-Grün ist damit Geschichte.