Ingenieurholzbau

Feuerwehrhaus mit Kurven

Holzbau
25.03.2024

Die süddeutsche Stadt Tübingen ist sehr engagiert, wenn es um nachhaltige Architektur und ressourcenschonenden Holzbau geht. Und so steht seit Ende 2022 im Stadtteil Lustnau das erste Feuerwehrhaus in Holzbauweise.
Seit 2022 hat die Stadt Tübingen für ihre Feuerwehr einen Holzbau als zeitgemäßes Funktionsgebäude. Die Flachdachfläche des Baus ist zudem mit einer Photovoltaik-Anlage als auch mit Solarthermie-Paneelen ausgestattet.
Seit 2022 hat die Stadt Tübingen für ihre Feuerwehr einen Holzbau als zeitgemäßes Funktionsgebäude. Die Flachdachfläche des Baus ist zudem mit einer Photovoltaik-Anlage als auch mit Solarthermie-Paneelen ausgestattet.  

Das alte Feuerwehrgebäude der freiwilligen Einsatzabteilung Lustnau, eine ungedämmte, ehemalige Omnibushalle, die seit den 1970er Jahren als Interimslösung gedacht, dann aber zur "Einrichtung" geworden war, entsprach nicht mehr den modernen Anforderungen an ein Feuerwehrgebäude und lag zudem verkehrstechnisch relativ ungünstig. Die Stadt benötigte daher ein zeitgemäßes Funktionsgebäude mit einer besseren Verkehrsanbindung. Der Neubau an der Ecke Alberstraße / Stuttgarter Straße liegt nun näher an den zu versorgenden Wohngebieten und hat zudem eine direkte Anbindung an die B27.
Form und Ausrichtung des Gebäudes ergaben sich in erster Linie aus den notwendigen Funktionsabläufen der Feuerwehr. So müssen die Fahrzeuge in kurzer Zeit erreicht werden und umgehend starten können. Dafür sollen die Feuerwehrleute auf kurzen Wegen von ihren Privatfahrzeugen auf dem Parkplatz oder aus den Aufenthaltsräumen im Gebäude in die Umkleiden und in die Halle gelangen können. Optimierte Bewegungs- und Funktionsabläufe waren also wesentliche Parameter des Entwurfs.

Für das dahinterliegende Wohngebiet dient das im Grundriss S-förmige, etwa 7 m hohe Gebäude als Lärmschutzwand gegenüber der Stuttgarter Straße.
Für das dahinterliegende Wohngebiet dient das im Grundriss S-förmige, etwa 7 m hohe Gebäude als Lärmschutzwand gegenüber der Stuttgarter Straße.  

Gebäudekonzept für kurze Wege

Das Gebäude mit Grundrissabmessungen von etwa 32 m x 14 m besteht aus einer knapp 7 m hohen Fahrzeughalle, die leicht schräg auf dem Grundstück platziert wurde und als Durchfahrthalle konzipiert ist. In der 464,38 m2 großen Halle finden fünf Einsatzfahrzeuge und zwei Wechsellader Platz. Die transparenten, rund 5,10 m hohen Tore bringen an den Längsseiten mit Ihrem hohen Glasanteil viel Licht in den Raum, so dass dieser von der Feuerwehr auch für Veranstaltungen genutzt wird.
An die Halle grenzt an der Nordseite ein eingeschossiger, etwa 4,50 m hoher Gebäudefinger, in dem ein Lager, eine Werkstatt und der Trockenraum für Kleidung untergebracht sind. Am anderen Ende der Halle, auf der Südseite, schließt sich ein zweigeschossiger Gebäudeteil an, der mit einer Attikahöhe von rund 7,70 m die Höhe der Halle aufnimmt. Über den zweigeschossig verglasten Eingang wird das Verwaltungsgebäude an der Nordostseite erschlossen. Lange Fensterbänder und große Fensteröffnungen sorgen für Transparenz. Durch die Gesamtform entstehen im Außenbereich zwei relativ offene Höfe unterschiedlicher Qualitäten. Während in dem öffentlicheren Bereich vor dem Gebäude unter anderem Parkmöglichkeiten angeboten werden, kann der ruhigere rückwärtige Hofbereich unter anderem von den Mitarbeitenden als Treffpunkt und Kommunikationsfläche genutzt werden.

An die Halle grenzt an der Nordseite ein eingeschossiger Gebäudefinger für Lager, Werkstatt und Trockenraum an. Am anderen Ende der Halle, auf der Südseite, schließt ein zweigeschossiger Gebäudeteil an, dessen Attikahöhe die Höhe der Halle aufnimmt.
An die Halle grenzt an der Nordseite ein eingeschossiger Gebäudefinger für Lager, Werkstatt und Trockenraum an. Am anderen Ende der Halle, auf der Südseite, schließt ein zweigeschossiger Gebäudeteil an, dessen Attikahöhe die Höhe der Halle aufnimmt.  

Unterschiedliche Holzkonstruktionen ergänzen sich

Fast der gesamte Bau wurde aus Holz gefertigt, lediglich die Bodenplatte sowie der Erschließungskern aus Aufzugsschacht und Treppenhaus sind zur Aussteifung von Halle und Schulungsbau in Stahlbeton ausgeführt. Bereits von außen ist das Feuerwehrgebäude mit einer hinterlüfteten Verschalung aus unterschiedlich breiten Lärchenholzlatten deutlich als Holzbau zu erkennen. Das Gebäude ist eine Mischung aus Holzrahmenbau und Ingenieurholzbau, das heißt, es kombiniert Holzrahmenbauwände mit Einblasdämmung mit einem Tragwerk aus Trägern und -Stützen, für das sowohl Brettschichtholz, als auch Buchen-Furnierschichtholz (Buchen-FSH, auch Baubuche genannt) genutzt wurde.

Die hinterlüftete Verschalung aus unterschiedlich breiten Lärchenholzlatten markiert das Feuerwehrgebäude bereits von außen deutlich als Holzbau.
Die hinterlüftete Verschalung aus unterschiedlich breiten Lärchenholzlatten markiert das Feuerwehrgebäude bereits von außen deutlich als Holzbau.

So besteht das Tragwerk der Fahrzeughalle aus "Trägern auf zwei Stützen" in Reihung, das heißt 14 m lange und 28 cm breite Brettschichtholz-Träger in Fischbauchform, deren Höhe am Auflager 84,5 cm misst und in Bindermitte 1,14 m, liegen auf 28 cm breiten und 44 cm tiefen Brettschichtholz-Stützen auf und bilden im Achsabstand von 4,50 m die Halle. Die übrigen Gebäudeteile bilden Holzrahmenbau-Wände mit deckengleichen Unterzügen und Stützen aus Brettschichtholz. Im Gebäudeinneren werden die BauBuche-Träger mit 40 cm Höhe und 24 cm Breite von quadratischen BauBuche-Pfosten (18 cm x 18 cm) gehalten.

Das Tragwerk der Fahrzeughalle bilden "Trägern auf zwei Stützen" in Reihung, das heißt Brettschichtholz-Träger in Fischbauchform auf Brettschichtholz-Stützen.
Das Tragwerk der Fahrzeughalle bilden "Trägern auf zwei Stützen" in Reihung, das heißt Brettschichtholz-Träger in Fischbauchform auf Brettschichtholz-Stützen.  

Speziell ist die Brandwand zwischen Verwaltungsbau und Halle: eine Ständerkonstruktion mit einer mittigen 18 cm dicken Glaswolleschicht, jeweils links und rechts mit OSB-Flachpressplatten sowie zementgebundenen Bauplatten beplankt. Die Brandwand verspringt im Erdgeschoss Richtung Verwaltungsfinger, weshalb die Decke hier als F60-Brettsperrholz-Decke (Element: 10,60 m x 1,20 m) mit Brettschichtholz-Überzug ausgebildet wurde. Der gesamte übrige Deckenbereich ist als Brettschichtholz-Decke ausgebildet, ebenso wie ein Großteil der Decken im Obergeschoss. Bei den Decken der Schulungs- und Aufenthaltsräume handelt es sich um Lignotrend-Decken mit Akustikbekleidung.
Sämtliche Holzrahmenbau-Wände wurden im Werk vorgefertigt und als Elemente auf die Baustelle geliefert. Der insgesamt hohe Vorfertigungsgrad aller Holzbauteile und -elemente ermöglichte eine sehr kurze Bauzeit von nur eineinhalb Jahren.

Das Gebäude ist eine Mischung aus Ingenieurholzbau und Holzrahmenbau, das heißt, es kombiniert Holzrahmenbauwände beim Verwaltungsgebäude mit einem Tragwerk aus Trägern und Stützen für die Halle.
Das Gebäude ist eine Mischung aus Ingenieurholzbau und Holzrahmenbau, das heißt, es kombiniert Holzrahmenbauwände beim Verwaltungsgebäude mit einem Tragwerk aus Trägern und Stützen für die Halle.
Die Brandwand zwischen Verwaltungsbau und Halle ist eine Ständerkonstruktion (siehe auch voriges Bild) mit Glaswolleschicht, beidseitig beplankt mit OSB-Flachpressplatten und zementgebundenen Bauplatten. Sie verspringt im Erdgeschoss Richtung Verwaltungsfinger.
Die Brandwand zwischen Verwaltungsbau und Halle ist eine Ständerkonstruktion (siehe auch voriges Bild) mit Glaswolleschicht, beidseitig beplankt mit OSB-Flachpressplatten und zementgebundenen Bauplatten. Sie verspringt im Erdgeschoss Richtung Verwaltungsfinger.
Die Außenwände erhielten eine Mineralwolldämmung plus Holzweichfaserplatten sowie eine OSB-Beplankung zur Innenseite.
Die Außenwände erhielten eine Mineralwolldämmung plus Holzweichfaserplatten sowie eine OSB-Beplankung zur Innenseite.
Für den Großteil der Decken kam Brettschichtholz zum Einsatz. Bei den Decken der Schulungs- und Aufenthaltsräume handelt es sich allerdings um Lignodecken mit Akustikbekleidung.
Für den Großteil der Decken kam Brettschichtholz zum Einsatz. Bei den Decken der Schulungs- und Aufenthaltsräume handelt es sich allerdings um Lignodecken mit Akustikbekleidung.

Nahezu ein Passivhaus

Die Flachdachfläche des Baus ist überwiegend extensiv begrünt und zudem sowohl mit einer Photovoltaik-Anlage als auch mit Solarthermie-Panel ausgestattet. Letztere ergänzen eine Holz-Pellet-Heizungsanlage. Obwohl das Gebäude nicht gleichmäßig beheizt werden muss, erreicht der Verwaltungstrakt nahezu den Passivhausstandard. Für Halle und Lager sind sogar lediglich 12°C Raumtemperatur vorgesehen. Dementsprechend wurde beispielsweise die Perimeterdämmung des Daches im Bereich der Halle von 35 cm auf 23 cm reduziert. In der Halle kann bei Bedarf über Deckenstrahlheizkörper nachgesteuert werden.

Zeitsparen beim Feuerwehreinsatz dank optimalem Gebäudekonzept

Die Wagen fahren auf der Nordostseite in die Halle hinein und verlassen sie auf der gegenüberliegenden Seite ohne in der Halle rangieren zu müssen. Das spart Zeit. Am ersten Tag nach Inbetriebnahme des Gebäudes zeigte sich, dass von der Alarmierung bis zum Ausrücken der Einsatzkräfte lediglich acht Minuten benötigt wurden. Zudem ist so auch die Lärmbelastung deutlich geringer.
Für das dahinterliegende Wohngebiet dient das im Grundriss S-förmige Gebäude außerdem als Lärmschutzwand gegenüber der Stuttgarter Straße. Die abgerundeten Gebäudeecken lassen den Bau gefälliger wirken und sorgen außerdem für bessere Einsicht in die Verkehrsumfahrung. Alles in allem überzeugte das Gebäude auch die Jury des Iconic Awards Innovative Architecture, mit dem das Feuerwehrhaus ausgezeichnet wurde.
Durch seinen Vorbildcharakter als nahezu kompletter Holzbau unterstützte das deutsche Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Stadt Tübingen im Rahmen des Holz-Innovativ-Programms (HIP) mit 300.000 Euro aus Mitteln des REACT-EU-Programms bzw. aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).
(bt)

Die Böden in den Schulungs- und Jugendraumbereichen sind mit Industrie-Stäbchenparkett aus Eichenholz belegt. Bei den Decken aus Fichten-Brettschichtholz konnte man auf eine Bekleidung verzichten.
Die Böden in den Schulungs- und Jugendraumbereichen sind mit Industrie-Stäbchenparkett aus Eichenholz belegt. Bei den Decken aus Fichten-Brettschichtholz konnte man auf eine Bekleidung verzichten.

Bautafel

Projekt: Feuerwehrhausmit Verwaltungsgebäude, D-73074 Tübingen-Lustnau

Fertigstellung: 2022   

Bauherr: Universitätsstadt Tübingen, Fachbereich Hochbau und Gebäudemanagement

Architektur: Gaus Architekten, D-73033 Göppingen

Tragwerksplanung: Schneck Schaal Braun, Ingenieurgesellschaft Bauen mbH, D-72070 Tübingen

Holzbau: Zimmerei Hämmerle, D-72072 Tübingen-Bühl

Abbundplanung: DC-Planungsbüro, Christian Dolt, D-76863 Herxheim

Auszeichnungen: DMK Award für Nachhaltiges Bauen, Iconic Award – Innovative Architecture 2023