Leimen
Der Anspruch entscheidet
Seitdem es pandemiebedingt zu Engpässen bei verschiedenen Materialien und Zulieferprodukten kommen kann, steht Unabhängigkeit weit oben auf der Agenda vieler Betriebsinhaber. Die Zeiten, in denen das Material binnen kürzester Zeit zur Weiterverarbeitung in der Werkstatt bereitstand, scheinen vorerst vorbei zu sein. Selbst große Industrien, wie die Autoindustrie, planen und arbeiten wieder an ihrer Unabhängigkeit und versuchen somit Lieferengpässe zu überbrücken. Plötzlich rückt das Thema Lagerhaltung, das lange Zeit als Old School galt, wieder in den Fokus. Nur so könnten die Gräben, die regionale Lockdowns und Kurzarbeit in funktionierende Lieferketten gerissen haben, wenigstens teilweise überwunden werden. Für Tischlerbetriebe heißt das, langfristiger in der Arbeitsvorbereitung zu denken und sich wieder auf die Grundlagen des Tischlerhandwerks zu besinnen. Durch Leimen und Kleben lassen sich einige Lieferengpässe teilweise überbrücken und Materialengpässe bei Holzwerkstoffen umgehen. So kann man beispielsweise durch Aufdoppeln Lieferengpässe bei bestimmten Plattendicken umgehen. Belegen mit Schichtstoffen kann Engpässe bei Furnieren und Dekoren teilweise abfedern, und durch die Herstellung eigener Leimholzplatten können diesbezügliche Defizite ausgeglichen werden.
Leimen oder kleben?
Während Massivholz verleimt wird, klebt man Plattenwerkstoffe häufig. Der Klassiker unter den Leimen ist der sogenannte Weißleim. Der PVAc-Leim wird zum Verleimen von Holz und Holzwerkstoffen eingesetzt. Dieser Leim ist ein Dispersionsklebstoff und wird auf Wasserbasis hergestellt. Beim Trocknen verdunstet das Wasser und es bildet sich der Klebefilm. Da Holz und Holzwerkstoffe hygroskopisch – also wasseranziehend und -bindend – sind, wird der Leim von den Holzporen aufgenommen. So entstehen stabile und belastbare Verbindungen. Adhäsion und Kohäsion sind die Grundlagen beim Kleben. Durch Adhäsion haften die Klebstoffteile an der Oberfläche der zu verklebenden Materialien und durch Kohäsion aneinander in der Klebstoffstruktur. Daher ist es möglich, Werkstoffe ohne hygroskopische Eigenschaften miteinander zu verkleben. So wird das Kleben häufiger bei nichthygroskopischen Materialien eingesetzt.
Weißleim – fast ein Alleskönner
Der Leim, der in keiner Tischlerei fehlen darf, ist der Weißleim, denn er ist ein Garant für stabile Verleimungen. Er ist ein wahrer Alleskönner und kann für Flächen-, aber auch für Konstruktionsverleimungen eingesetzt werden. Unterschiedliche Beanspruchungsgruppen von D1–D4 können mit Weißleim verleimt werden. Werden farbempfindliche Hölzer wie Ahorn und Kirschbaum sowie dünne Furniere verleimt, kann es bei einigen D3-Leimen zu Verfärbungen kommen. Dies ist sowohl dem pH-Wert des Leimes als auch dem Standort des Holzes und äußeren Einflüssen wie Wärme und UV-Licht geschuldet. Eine Verleimprobe kann hier helfen, eventuelle Verfärbungen vorab zu erkennen und mögliche Fehler zu vermeiden. Seit einiger Zeit sind für solche Probleme pH-neutrale 3D-Leime mit einem pH-Wert von 5,0–7,0 erhältlich. Einige Weißleime können durch die Zugabe von Härtern höhere Beanspruchungsgruppen erreichen. Hier gilt es zu beachten, dass dies an eine gewisse Topfzeit gebunden ist. Das Mischen erfolgt mittels Quirl. Dabei gilt es, eine nicht allzu hohe Drehzahl zu wählen. Pro einem Kilo Leim sollte zwischen einer halben und einer Minute gleichmäßig gerührt werden. Ein Edelstahlquirl verhindert Verfärbungen durch eisenhaltigen Abrieb. Die offene Zeit und die Verleimqualität kann durch die Temperatur beeinflusst werden. Während hohe Temperaturen die offene Zeit mitunter erheblich verkürzen, können zu niedrige Temperaturen den Leim unbrauchbar machen. Achten Sie bei der Verarbeitung, während der Lagerung und dem Transport auf die vom Hersteller angegebenen Temperaturen.
Lackleim, der weiße Spezialist
Besondere Aufgaben erfordern Spezialisten. Mit einem Weißleim lässt sich eine Vielzahl an tagtäglichen Aufgaben im Tischleralltag meistern. Was passiert, wenn eine der Leimflächen gebeizt, lackiert oder anderweitig beschichtet ist, so wie es beim Verleimen von Möbeln tagtäglich vorkommt? Dann kann ein normaler Weißleim auf dieser Fläche nicht haften. Ein Lackleim enthält spezielle Lösungsmittel. Diese lösen die Oberflächenbeschichtung an, verbinden sich und ermöglichen eine solide Verleimung zwischen einer saugenden und einer beschichteten Fläche. Hier gilt es zu erwähnen, dass die Haltbarkeit der Verbindung mit jener der Oberflächenbeschichtung einhergeht.
Alleskönner PU-Kleber
Einkomponentige PU-Kleber werden in den Farben milchig transparent bis gelblich Beige angeboten. Diese Kleber reagieren mit der Feuchtigkeit der Materialien und der Umgebung. Sie ermöglichen Verklebungen von beidseitig saugenden, ein- und beidseitig beschichteten Werkstücken. Solide Verbindungen lassen sich unter normalen Bedingungen realisieren. Besonders geeignet sind sie für Formverleimungen, die nach dem Ausspannen in Form bleiben sollen. Weiterhin eignet sich PU-Kleber zum wasserfesten Verleimen von Massivholzkanten oder statisch beanspruchten Teilen aus Holz. Nicht ratsam ist der Einsatz beim Anleimen von Schmuck- oder Zierleisten. Hier könnte aufschäumender Leim ein Vielfaches an Nacharbeit erfordern.
Furnierleim – wenn es um die Fläche geht
Harnstoff-Furnierleim ist gebrauchsfertig in Kübeln, aber auch zum Anrühren in Säcken erhältlich. Er ist sowohl mit Formaldehyd als auch formaldehyd- und lösemittelfrei zu bekommen. Wird Sackware verarbeitet, müssen die angegebenen Mischungsverhältnisse befolgt werden. Wird der Leim angerührt, muss die Topfzeit eingehalten werden. Durch Wärmezufuhr lassen sich die Presszeiten verkürzen.
Kontaktkleber, der schnelle Helfer
Immer dann, wenn nicht saugende Flächen oder Formteile beschichtet werden sollen, dann kann der Kontaktkleber seine Vorteile ausspielen. Hierfür wird auf beide Flächen gleichmäßig dünn Kontaktkleber aufgetragen. Sobald der aufgetragene Leim nach einiger Zeit abgelüftet ist und keine Fäden mehr zieht, können die Teile zusammengefügt werden. Ein kurzer und intensiver Druck reicht aus und die Teile sind fest miteinander verbunden. Zu beachten ist, dass die Lösemittel, die beispielsweise beim Lackieren in unmittelbaren Kontakt kommen, die Klebefuge anlösen könnten.
Natürliche Leime
Immer öfter fragt der umweltbewusste Kunde nach ökologischen Alternativen zu den chemisch hergestellten Varianten. Hier sind mit Knochenleim, Kaseinleim, Hasenleim, Hautleim und Fischleim Alternativen am Start. Während die Knochenleime, die auch als Glutinleime oder Perlleime bekannt sind, als Granulat im Handel erhältlich sind und warm verarbeitet werden, ähnelt Fischleim in der Verarbeitung dem Weißleim. Der in Pulverform verfügbare Kaseinleim wird mit Wasser angerührt und hat eine begrenzte offene Zeit. Knochen- und Hautleime sind für den Inneneinsatz geeignet und haben ganz unterschiedliche Eigenschaften, was die offene Zeit, Elastizität und Viskosität betrifft. Etwas beständiger gegen Feuchtigkeit ist der Kaseinleim. Die Verarbeitung natürlicher Leime erfordert großes Erfahrungswissen, das in den Werkstätten unserer Groß- und Urgroßeltern vorhanden war und nun wieder sorgsam erarbeitet werden muss. Die große Chance dieser natürlichen Alternativen liegt in der Unbedenklichkeit und ihren Rohstoffen, die heute allzu oft noch der Entsorgung zugeführt werden.
Leim ist nicht gleich Leim
Holz nicht gleich Holz und Holzwerkstoff nicht gleich Holzwerkstoff: So einfach lässt sich die große Vielseitigkeit der Verleimaufgaben im Tischlerhandwerk beschreiben. Eine Vielseitigkeit, die beim Thema Leimen und Kleben nicht endet. So gibt es auch auf diesem Gebiet für jeden Anspruch eine spezielle Lösung. Auch natürliche Alternativen sind erhältlich. Diese gilt es gerade bei speziellen Anwendungen mit den technischen Möglichkeiten des jeweiligen Produktes abzuwägen. Damit eine Lösung gefunden wird, die für den Betrieb preiswert in der Anschaffung und einfach in der Anwendung ist sowie zuverlässig ihre Aufgabe meistert.
Hersteller & Anbieter
Ostermann:
www.ostermann.eu
Hranipex:
www.hranipex.at
Kleiberit:
www.kleiberit.at
Jowat:
www.jowat.com
Henkel:
www.henkel.de
Ponal:
www.ponal.de