Polsterei
Mit Liebe handgefertigt
Dass Graz ein kreatives Pflaster ist, ist ja nicht unbedingt neu. Die Dichte der kreativen Köpfe nimmt ständig zu, was aber nicht heißt, dass kein Platz mehr für neue Gesichter wäre. Eines davon ist die junge Tapezierer- und Polstereimeisterin Martina Sperl, die sich in einer alten Fabrikshalle im angesagten Grazer Lendviertel ihren persönlichen Traum verwirklichen konnte: Ein eigenes Atelier, das gleichzeitig auch Schauraum ihrer ausgewählten Stücke ist. "Wertvoller als ein schönes Möbelstück ist nur ein Möbelstück mit persönlichem Bezug", ist Martina Sperl überzeugt. Und sie meint das in zweierlei Hinsicht: die Beziehung zum Möbelstück und sein neues, maßgeschneidertes Kleid sollen stets etwas Besonderes sein.
Motor Leidenschaft
Ihr erklärtes Ziel ist es, aus jedem Stück das Beste herauszuholen. Dazu gehört natürlich eine gesunde Portion Detailverliebtheit und der hohe Anspruch an sich selbst. Ihre Hände verbinden Handwerk, Tradition und zeitgenössisches Design, und das mit jedem einzelnen Nadelstich. An Mut und Durchsetzungsvermögen hat es ihr nie gemangelt. Ein Glück, denn der Weg in die unabhängige Selbständigkeit war kein einfacher. Mit 29 Jahren packte sie die Sehnsucht, mit ihren eigenen Händen etwas zu schaffen und dafür ein "ehrliches" Handwerk zu erlernen. Die Meisterprüfung hat Martina Sperl mit
Auszeichnung bestanden, doch die Jobsuche war dann doch unerwarteterweise ziemlich ernüchternd. Aber Martina Sperl ist eine Kämpferin und wagte den Sprung ins kalte Wasser.
"Manchmal muss man Dinge einfach anders machen als die anderen", sagt die heut erfolgreiche Unternehmerin. "Gerade in dem sehr traditionellen Tapeziergewerbe war es eine ziemliche Herausforderung. Mein Ziel war es immer, dieses alte Handwerk wiederzubeleben und ihm neues Leben einzuhauchen, genauso, wie ich es bei jedem meiner Möbelstücke mache. Ich bin vielleicht nicht die klassischen Wege gegangen, doch das war schon gut so, denn sonst wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Und meine Möbel würden auch nicht so aussehen, wie sie jetzt aussehen."
Flott und fleissig
Es sind die verschiedenen Materialien, die sie an ihrer beruflichen Tätigkeit faszinieren und sie zu Neuem inspirieren. Wirft man einen Blick auf die illustre Runde der in neuem Glanz erstrahlenden möbeligen Schmuckstücke, hat man für einen Moment das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben.
Vor allem die Vierziger, Fünfziger und Sechziger Jahre haben es der umtriebigen Designerin angetan. Einstige Prachtexemplare, die sie vom Flohmarkt, von Händlern oder auch von Kunden selbst bekommt, erhalten ein zeitgemäßes Facelift. Qualität spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Schon ganz am Anfang beginnt für Martina Sperl eine faszinierende Entdeckungsreise, wenn sie beispielsweise einen Sessel "abstemmt", um herauszufinden, wie Tischler und Tapezierer vor ihr damit umgegangen sind. Doch dann kommt sie selbst ins Spiel und schneidert dem guten Stück mit unglaublicher Fingerfertigkeit, Ideenreichtum und einem guten Auge für außergewöhnliche Materialien, Farben und Muster ein neues Kleid auf den Leib. Schritt für Schritt erhalten Sessel und Sofas ihr neues gewisses Etwas – von Verstaubtheit keine Spur
Wenn Möbel erzählen
Die einzelnen Möbel- und künftigen Schmuckstücke wählt Martina sorgfältig aus. Unter den Fundstücken, die sie bei ihren Streifzügen entdeckt befindet sich sogar manchmal ein echter Designklassiker, der vielleicht gar nicht als solcher geschätzt wurde. Aber auch andere Stücke von weniger bekannteren Produzenten, oft aus den verschiedensten Ländern sind in ihrer Werkstatt willkommen.
Die außergewöhnlichen Stoffe, die Martina Sperl für die Bezüge verwendet, stammen von ausgewählten Partnern und kleinen Webereien, die ihre Stoffe heute noch selbst gestalten und produzieren. Auch das ist ein Teil der ureigenen Geschichte eines jeden Möbelstücks, die sie auf ihre Art gerne weitererzählen möchte. Der Aufbau und die Bezüge mögen zwar erneuert werden können, der einzigartige Lebensweg eines alten Möbels mit seinen Anekdoten bleibt jedoch erhalten.
Dass Martina Sperl mit ihrer Leidenschaft, Möbelstücken ein zweites Leben zu schenken, ein besonders nachhaltigkeitsbewusstes Geschäftsmodell gewählt hat, war möglicherweise gar nicht von Anfang an so klar. Klar aber ist, dass sie einen besonderen Weg abseits der Massenware vom Fließband geht und damit die Sehnsucht der Menschen nach der guten alten Zeit stillt in Form von mit Liebe zum Detail restaurierten Sitzmöbeln, die nicht im geringsten nach gestern aussehen, sondern – ganz im Gegenteil - nach vorne schauen.