Ögebau-Enquete

Forderung: Kürzere Verjährungsfrist für Baumängel

Verjährungsfrist
25.04.2023

Von: Redaktion Bauzeitung
Überlange Verjährungsfristen benachteiligen seriöse Betriebe und können sich sogar auch für Geschädigte nachteilig auswirken. "Wenn man nur an die Entwicklung der Haustechnik denkt, dann sind Fristen von 30 Jahren schlichtweg aus der Zeit gefallen", so Bundesinnungsmeister Jägersberger.

Am 20. April lud die Österreichische Gesellschaft für Baurecht (Ögebau) zu einer mit hochkarätigen Expert*innen besetzten Fachveranstaltung, bei der Ideen zur Modernisierung des Bauwerkvertragsrechts präsentiert wurden. In diesem Rahmen nutzte Bundesinnungsmeister Robert Jägersberger die Gelegenheit, um ein für die Praxis drängendes Problem anzusprechen: die mit 30 ­Jahren sehr lange absolute Verjährungsfrist für Schaden­ersatzforderungen für Baumängel.

Wie Alexander Schopper, Professor an der ­Universität Innsbruck, eingangs in einem Impulsstatement darstellte, hat der Gesetzgeber vor mehr als 20 Jahren mit dem Gewährleistungsrechts-­Änderungsgesetz im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) die Rechtsfolgen von Gewährleistung und Schadenersatz harmonisiert. Unter damals schon heftiger Kritik der Lehre wurde aber darauf verzichtet, gleichzeitig die sehr lange absolute Frist von 30 Jahren für die Verjährung von Schaden­ersatzforderungen entsprechend zu verkürzen. Der im ABGB damals verankerte ­Kompromiss einer Beweis­lastumkehr nach zehn Jahren ist, wie die Praxis gezeigt hat, praktisch irrelevant. Sie soll nun – so die Forderung einiger Universitätsprofessor*innen und der Baupraktiker*innen – in eine zehnjährige Verjährungsfrist für Mangelschäden umgewandelt werden. Dies würde zwar nicht nur den Bau betreffen, die besonders dort bestehende Problematik aber deutlich entschärfen.

Besprechungssaal mit vier Tischreihen, gefüllt mit Personen
Die Verjährungsfrist ­für Schadenersatz bei Baumängeln war eines der Themen bei der diesjährigen Ögebau-Enquete.

Österreich ist Spitzenreiter bei Verjährungsfrist

Im europäischen Vergleich ist die österreichische Verjährungsfrist von 30 Jahren statistisch gesehen jedenfalls ein Ausreißer nach oben. Die meisten Staaten haben die absolute Obergrenze für die Verjährung mit zehn Jahren festgelegt oder liegen damit so wie Deutschland und die Schweiz sogar darunter. Und auch der österreichische Gesetzgeber hat in moderneren zivilrechtlichen Sondergesetzen auf kürzere Verjährungsfristen zurückgegriffen. So verjährt der Schadenersatzanspruch aus der Produkthaftung zum Beispiel – wie im ABGB – drei Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger*in, jedenfalls aber schon nach zehn Jahren ab Inverkehrbringen des schadensverursachenden Produkts.

Was sehr rechtstechnisch und theoretisch klingt, hat für die Praxis weitreichende Folgen, wie Bundesinnungsmeister Jägersberger in seinem Vortrag herausarbeiten konnte. Eine überlange Verjährungsfrist von 30 Jahren benachteiligt seriös wirtschaftende und dadurch länger bestehende Unternehmen. Es besteht nämlich die Gefahr, dass unseriöse Unternehmen versuchen, Haftungsregelungen zu umgehen, etwa indem sie gezielt für ein Projekt Unternehmen gründen und diese dann liquidieren. Damit ist eine überlange Verjährungsfrist auch für Geschädigte von Nachteil, weil sie nur "Scheinsicherheit" schafft. Mit einer theoretischen Haftung von 30 Jahren ist den Kund*innen in der Praxis schließlich nur dann geholfen, wenn es das potenziell haftende Unternehmen nach diesem sehr langen Zeitraum überhaupt noch gibt.

Darüber hinaus kann es in der Baubranche ­schwierig sein, Beweise für Schäden zu sichern, die 30 Jahre zurückliegen. Baupläne und Dokumenta­tionen sind möglicherweise nicht mehr vorhanden oder werden nicht mehr aufbewahrt. Zeug*innen können nicht mehr verfügbar sein oder sich nicht mehr an die Details des Vorfalls erinnern, was es ­schwieriger macht, ein nicht vorliegendes Verschulden zu ­beweisen.

Auch die Frage eines ausreichenden Versicherungsschutzes und der Unternehmensnachfolge oder -übernahme muss in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Die Deckung eines Schadens kann für eine Unternehmer*in existenzbedrohend werden, sofern kein Versicherungsschutz besteht. Ein ausreichender Versicherungsschutz ist allerdings umso schwerer (und teurer) zu erhalten, je länger die Verjährungsfrist ist. Und wenn eine Bauunternehmer *in ihr Unternehmen an die nächste Generation weitergeben oder verkaufen will, muss bei einer Verjährungsfrist von 30 Jahren wohl auch das Risiko von möglichen "Altlasten" aus Mängeln berücksichtigt werden. Ein Thema, das auf der anderen Seite die Käufer*in eines Bauunternehmens genauso betrifft, die sich Gedanken dazu machen muss, wer künftig womöglich mit Forderungen wegen angeblicher ­Mängel aus schon abgeschlossenen Projekten an sie herantreten könnte.

Verjährungsfristen sind aus der Zeit gefallen

Foto von Robert Jägersberger, im Gespräch
Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister Bau

Aus der Praxis konnte Jägersberger zudem berichten, "dass Bau­materialien und -verfahren in den letzten Jahrzehnten erheblich vielfältiger und komplexer geworden sind. Man braucht nur an die Entwicklung der Haustechnik denken. Fristen von 30 Jahren sind dabei, wenn sie nicht ohnehin länger sind als die durchschnittliche Lebensdauer der Produkte, aus der Zeit gefallen. Aber auch das bauliche Regelwerk wie Werkvertragsnormen ändern sich laufend und innerhalb der 30 Jahre oftmals. Es kommt nicht selten vor, dass die Regeln der Technik vor 30 Jahren heute keinesfalls mehr eine dem Stand der Technik geschuldete Ausführung darstellen. Im Gegenteil, sie sind oftmals gar nicht mehr zulässig, geschweige denn für die damals geplante Lebensdauer gebrauchstauglich", so Jägersberger. Die derzeitige Situation ist jedenfalls sowohl für Bauunternehmen als auch für deren Kund*innen unbefriedigend. Man hat in der Baubranche mit Risiken aufgrund überlanger Verjährungsfristen zu tun, die man nicht einschätzen kann und die schlichtweg praxisfremd sind. 

Das Ziel muss – und das war auch der weitgehend einhellige Tenor der Fachveranstaltung sowohl bei Theoretiker*innen als auch Praktiker*innen – eine ange­messene und ausgewogene Verjährungsfrist sein, welche die Interessen aller Betroffenen berücksichtigt. Mit einer Verjährungsfrist von zehn Jahren für Mängel am Bau wäre das ABGB jedenfalls einen Schritt näher an der Realität. Die Umsetzung dieses Anliegens ist eine konkrete Forderung der Bundesinnung Bau an den Gesetzgeber.

Autor: Mag Matthias Wohlgemuth, Geschäftsstelle Bau

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