Interview
"Es gibt keine Alternative"
Herr Ressler, die EU will bis zum Jahr 2050 CO2-neutral werden. Das geht nur, wenn die Bauwirtschaft ihren Beitrag leistet – vor allem die Betonbranche. Einfache Frage: Kann die Branche das schaffen?
Christoph Ressler: Diese Frage stellt sich nicht. Es gibt keine Alternative. Die hohe CO2-Konzentration in der Atmosphäre hat einen stark negativen Einfluss auf das Klima. Wir bekennen uns zu den Klimaschutzzielen von Paris. Und wir arbeiten hart daran, sie zu erreichen. Wobei wir als Betonhersteller selbst hier nicht über den größten Hebel verfügen: 85 Prozent des CO2, das entlang der gesamten Wertschöpfungskette bei der Betonproduktion freigesetzt wird, entsteht bei der Zementherstellung…
…aber ohne Zement als Bindemittel kein Beton.
Ressler: Ja natürlich. Mir geht es darum, zu verdeutlichen, dass wir auch auf die Vorleistung unserer Lieferanten und Partner in der Zementindustrie angewiesen sind. Ohne sie schaffen wir das nicht. Wir als Transportbetonhersteller können rund 15 Prozent der CO2-Emissionen direkt beeinflussen. Etwa 14 Prozent davon entfallen auf den Transport der Ausgangsstoffe und auf die Auslieferung des Betons. Die eigentliche Produktion des Betons selbst macht nur ein Prozent aus.
Sauberster Zement
Wie beurteilen Sie denn die Arbeit Ihrer Partner?
Ressler: Die österreichische Zementindustrie nimmt das Thema sehr ernst. Sie hat ihre CO2-Emissionen seit 1990 um mehr als 20 Prozent gesenkt und sich in ihrer Roadmap zur CO2-Neutralität bis 2050 verpflichtet. In Österreich wird bereits heute der Zement mit dem niedrigsten CO2-Ausstoß der Welt hergestellt.
Nur um das noch einmal zu verdeutlichen: CO2-Neutralität bedeutet, dass bei der Produktion von Zement beziehungsweise Beton netto kein Gramm CO2 mehr in die Atmosphäre gelangt. Wie soll das gehen?
Ressler: Wir sind davon überzeugt, dass das gehen wird und dazu müssen wir an vielen Schrauben drehen. Es geht um CO2 Reduktion bei der Klinkerproduktion, um Klinkerreduktion im Zement, um Bindemitteloptimierung im Beton, um Optimierung der Bauteile, um die Dekarbonisierung des Transports und des Herstellungsprozesses und am Ende um die Umsetzung von innovativen Schlüsseltechnologien zur Abscheidung von CO2 bei der Klinker-Produktion.
Laut ihrer Roadmap bis 2050 wollen die Zementhersteller den größten Teil der CO2-Reduktion in den Bereichen Carbonatisierung und CO2-Abscheidung erreichen: 13 und 44 Prozent, also insgesamt 57 Prozent. Wie darf sich das der interessierte Laie vorstellen?
Ressler: Die Carbonatisierung ist ein Effekt, der in den Ökobilanzierungsmodellen zwar berechnet, bislang aber noch zu wenig berücksichtigt wird. Je nach Rezeptur können bis 40 Prozent der CO2-Emissionen, die bei der Herstellung von Zement in die Atmosphäre gelangen, im Beton später wieder durch den Prozess der Carbonatisierung dauerhaft gebunden werden. Diesen Effekt kann man beim Recycling verstärken, indem der Beton aufgebrochen und damit die Oberfläche vergrößert wird. Trotz aller Maßnahmen wird es aber erforderlich sein, CO2 bei der Klinkerproduktion abzuscheiden….
…die Experten sprechen von CCUS: Carbon Capture Utilization and Storage.
Ressler: Genau. Hier wird das CO2 mit Filteranlagen beim Zement-Herstellungsprozess entnommen – also abgeschieden. Im nächsten Schritt stellt sich dann die Frage, was mit diesem CO2 geschieht. Dazu gibt es im Prinzip zwei Möglichkeiten: CCS oder CCU. Bei CCS wird das CO2 gelagert oder zwischengelagert. Das wird zum Beispiel in Norwegen gemacht: Das abgeschiedene CO2 wird verflüssigt und im Boden unter der Nordsee gelagert. Die zweite Möglichkeit ist die Nutzung des CO2, also CCU: Das abgeschiedene CO2 wird als Rohstoff für die Produktion von neuen Materialien verwendet – zum Beispiel für die Herstellung von Kunststoff. Holcim, OMV, Borealis und der Verbund haben hier gemeinsam ein Demonstrationsprojekt durchgeführt, das 2023 abgeschlossen wurde. Sie planen für die nächsten Jahre den Aufbau von industriellen Anlagen.
Kommen wir zurück auf den Bereich, den die Transportbetonhersteller direkt beeinflussen können – dem Transport. Wie weit sind Sie auf diesem Gebiet?
Ressler: Wir planen, die forcierte Nutzung von Elektromobilität und Wasserstoff als Antrieb. Die LKW-Hersteller bringen bereits die ersten LKWs für den Schwerverkehr mit Batterie-Elektrischem Antrieb auf den Markt, wie wir sie für den Transportbeton benötigen. Ich rechne damit, dass wir ab 2025 damit beginnen können, unsere Flotte flächendeckend umzurüsten. Das wird natürlich einige Zeit benötigen. Ab 2030 sollte laut Herstellern wie MAN auch der Wasserstoffantrieb zur Verfügung stehen.
Aber auch die Energie für diese Fahrzeuge muss produziert werden.
Ressler: Das ist ein entscheidender Punkt. Es braucht begleitend den Ausbau der erneuerbaren Energie und den Aufbau der Ladeinfrastruktur. Bei der Ladeinfrastruktur bin ich zuversichtlich. Da wir als Transportbetonhersteller sehr regional aufgestellt sind, können wir das in unseren Werken selbst aufbauen. Bei der Auslieferung benötigen wir im Schnitt weniger als 40 Kilometer für die Hin- und Rückfahrt. Das Aufladen der LKWs im eigenen Werk sollte daher kein Problem darstellen.
Für den Ausbau der erneuerbaren Energie benötigen Sie die Unterstützung der öffentlichen Hand. Was wünschen Sie sich sonst noch von der Politik?
Ressler: Faire Rahmenbedingungen.
Was meinen Sie damit?
Ressler: Bei der Ökobilanzierung muss der gesamte Lebenszyklus eines Bauwerks miteinbezogen werden: von der Errichtung, über den Betrieb bis zur Wiederverwertung. Und hier bietet Beton große Vorteile. Beton ist ein zuverlässiger und sicherer Baustoff, der durch seine lange Lebensdauer und durch kluge und nachhaltige Heiz- und Kühltechnologien – Stichwort: thermische Bauteilaktivierung – extrem energie- und kostenschonend eingesetzt werden kann. Am Ende seiner Nutzungsdauer kann Beton wieder aufgebrochen und als Ausgangsstoff für neuen Beton verwendet werden – eine ideale Kreislaufwirtschaft, die auch ökologisch Sinn macht.