LI Bau Steiermark

Kampfansage an Fachkräftemangel und Baustoffpreise

Baugewerbe
19.07.2022

Aktualisiert am 20.07.2022
Seit April ist Michael Stvarnik neuer Bauinnungsmeister in der Steiermark. Auf seiner Agenda stehen eine interne Neuaufstellung der Innung, neue Ansätze für die Fachkräfte-­Akquise und der Kampf gegen den Preiswucher am Baustoffsektor.
Seit April 2022 ist Michael Stvarnik neuer Landesinnungsmeister Bau in der Steiermark.
Michael Stvarnik: Der Geschäftsführer von Stvarnik Bau hat mit April die ­Funktion des Landesinnungs­meisters Bau Steiermark von Alexander Pongratz übernommen. 

Nicht nur reden, sondern aktiv mitgestalten – mit diesem Wunsch wurde Michael ­Stvarnik im Jahr 2000 in der Landesinnung Bau ­Steiermark aktiv. "Ich bin mit Leib und Seele Baumeister, und mein Beruf ist eine Berufung für mich. Es war daher selbstverständlich, dass ich mich in der Interessenvertretung einbringe", so der Geschäftsführer von Stvarnik Bau. Nach knapp 20 Jahren als Innungsmeister-Stellvertreter folgte er im April dieses Jahres nun Alexander Pongratz als steirischer Landesinnungsmeister Bau nach. Und die Ziele, die er sich gesetzt hat, sind ehrgeizig. 

Problemfelder gibt es derzeit in der Baubranche genug. Wo wollen Sie als Erstes ansetzen?

Michael Stvarnik: Das wirtschaftliche Umfeld hat sich in den letzten Jahren stark verändert, deshalb müssen wir den Erfordernissen entsprechend unsere Aktivitäten und die Struktur der Landes­innung anpassen, um effektive Ergebnisse zu erreichen. Konkret werden wir Arbeitskreise und Tätigkeitsfelder neu aufsetzen, die inneren Abläufe optimieren und die Zuständigkeiten für Lehrlinge und Baumeister sowie die Aus- und Weiterbildung stärker in den Fokus rücken. Das Ziel ist, die Infos schneller und einfacher bereitzustellen und das Service­angebot für unsere Mitgliedsbetriebe zu verbessern, damit sich diese auf ihre Kernaufgaben fokussieren können. ­Unter anderem arbeiten wir auch an einem neuen ­Internetauftritt, wo Leitfäden, Formulare, Programme, Schulungen und Informationen aus erster Hand zu finden sein werden. 

Und wo gibt es inhaltlich den größten Handlungsbedarf?

Stvarnik: Da gibt es natürlich die klassischen Themen wie die Rahmenbedingungen der Wohnbau­förderung, der Baugesetzgebung und der Raum­ordnung sowie die Bemühung, den Verwaltungsdschungel zu lichten und Verfahren zu vereinfachen – das alles findet schließlich neben den "Krisen"-Themen auch noch statt. Ein Schwerpunkt wird heuer noch das leistbare Wohnen sein. Im Herbst ist unter dem Titel "Wohnen 2035" eine Enquete geplant, in deren Rahmen wir dieses Thema mit Experten diskutieren wollen. 

Sie haben es gerade angesprochen: Wir stecken mitten in einer Krise. Wie ist derzeit die Stimmung in der steirischen Baubranche? 

Stvarnik: Die Auftragslage ist sicherlich als gut zu bezeichnen, zumindest für das heurige Jahr. Das prognostizierte Wachstum werden wir schaffen. Auch wenn die Angelegenheit durch die volatilen Baustoff- und Subunternehmerpreise, den Mangel an Fachkräften sowie die Energiekosten getrübt ist. 

Um sich für die Senkung der Energiekosten einzusetzen, hat die WK Steiermark die Plattform "unternimmwas" ins Leben gerufen. Könnten Maßnahmen dennoch spürbare Entlastung bringen?

Stvarnik: Die Energiekosten machen bei vielen produzierenden Unternehmen einen wesentlichen Kostenfaktor aus – aber auch bei uns im Baugewerbe. Wenn man sich beispielsweise die Treibstoff­kosten von Lastkraftwagen und Baggern ansieht o­der die Stromkosten von Kranen, so wird man feststellen, dass diese einen nicht unwesentlichen Kostenanteil an den Gesamtbaukosten haben. Daher ist jede Maßnahme, die die Kosten reduziert, zu begrüßen und zu unterstützen.

Wenn man sich am Baustoffmarkt die Preisgestaltung der Baustoffe Ziegel und Systemholz ansieht, so muss man sich­ ­fragen, ob sich diese Bau­stoffe in den ­richtigen Händen befinden.

Michael Stvarnik, Landesinnungsmeister Bau Steiermark

Ist wenigstens am Baustoffsektor langsam ­wieder Entspannung in Sicht?

Stvarnik: In vielen Bereichen noch nicht wirklich. Wenn man sich derzeit am Baustoffmarkt die Preisgestaltung der Baustoffe Ziegel und Systemholz ansieht, so muss man sich fragen, ob sich diese Bau­stoffe in den richtigen Händen befinden. Hier sind die Bauherren und Planer aufgerufen, bereits in der Planung und Ausschreibung auf anderweitige Materialien zu setzen. 

Das klingt nach einer Kampfansage?

Stvarnik: Dazu steh ich auch. Vielleicht können die Produzenten über Angebot und Nachfrage wieder auf den Boden der Realität zurückgeführt werden.

Seit Monaten empfehlen die Interessenvertretungen, nur noch mit variablen Preisen zu arbeiten. Ist das in der Praxis umsetzbar?

Stvarnik: Zum Teil. Wo es möglich ist, versuchen wir auch als Innung auf die öffentlichen Auftraggeber einzuwirken. Festpreise wären rein theoretisch jetzt auch noch möglich, allerdings erfordern sie eine perfekte, detaillierte Aufbereitung des Projekts, damit alles Erforderliche bei der Auftragsübernahme geordert werden kann – das gibt es aber leider nur selten. Grundsätzlich ist es aber auch für den Auftraggeber empfehlenswert, gemeinsam mit dem Bauunternehmen eine Lösung zu finden und nicht auf Festpreisen zu beharren. Denn wenn das ausführende Unternehmen während der Bauphase Insolvenz anmelden muss, da es die Kosten nicht mehr stemmen kann, ist das auch zum finanziellen Nachteil des ­Bauherrn. 

Machen sich die Unternehmen hinsichtlich der Auslastung im kommenden Jahr Sorgen?

Stvarnik: Es brauen sich definitiv Gewitter­wolken über der Baubranche zusammen. Das liegt aber nicht nur am Ukraine-Krieg. Wenn die vorgezogenen Bauvorhaben der Investitionsprämie abgearbeitet sind und die Finanzierungskosten steigen sowie die erforderlichen Eigenkapitalquoten für Bauherren steigen, wird es zu Einbrüchen kommen, die über der derzeitigen Marktüberhitzung liegen. Durch eine Anhebung der Wohnbauförderung konnte zumindest verhindert werden, dass es im geförderten Wohnbau zu einem Totalstopp kommt – was katastrophale ­Folgen hätte. Im Segment Einfamilienwohnhaus wird es aber zu deutlichen Einbrüchen kommen. Auch im ­Infrastrukturbau gäbe es dringenden Handlungs­bedarf, das steirische Straßennetz muss unbedingt saniert werden. Allerdings hat die Landesregierung derzeit andere Sorgen. 

Auch der Fachkräftemangel ist brisant wie noch nie. Wie ist die steirische Baubranche in der Lehrlingsausbildung aufgestellt?

Stvarnik: Man muss dazu grundlegend festhalten, dass unsere Fachkräfte im Vergleich zu anderen ein hohes Lohnniveau besitzen und die Ausübung des Bauberufes vielseitig, abwechslungsreich und ­interessant ist. Da wir in der Steiermark schon immer großes Augenmerk auf die Lehrlinge gelegt haben, konnten wir die Lehrlingszahlen halten, letzt­jährig sogar steigern. Diesen Weg werden wir fortsetzten. Zudem zeugen die vielen Stockerlplätze unserer ­Jugend bei Bundes-, Europa- und Berufsweltmeisterschaften von der Qualität unserer Ausbildungs­stätten und der Lehrbetriebe.

Nur mit Lehrlingen wird man die Lücke nicht füllen können. Gibt es neue Lösungsansätze?

Stvarnik: Wir besitzen mit den Lehrbauhöfen Bildungseinrichtungen und Ausbildungszentren, die es ermöglichen, Mitarbeiter aus anderen Berufen, die vielleicht nicht so attraktiv sind, umzuschulen. Pro Jahr bilden wir an der Bauakademie in Übelbach 50 bis 100 Facharbeiter auf dem zweiten Bildungsweg aus. Das müssen wir aber auch noch stärker forcieren. Ohne ausländische Fachkräfte wird es sowieso nicht gehen. Ein Ansatz, der derzeit auf Bundes- und Landes­ebene verfolgt wird, ist, im Ausland zu rekrutieren und hier bei uns auszubilden. Dazu ­müssen aber auch die Einzugsgebiete erweitert betrachtet werden, wie uns die Bauindustrie vorzeigt. ­Unsere Mitgliedsbetriebe sind bei dieser Idee jedenfalls schon an Bord, jetzt geht es an die Umsetzung

Zur Person

Michael Stvarnik ist seit 2000 in der Landesinnung Bau Steiermark aktiv, seit 2003 als Landesinnungsmeister-Stellvertreter und seit April 2022 nun als Landesinnungsmeister. Der gebürtige Murtaler leitet zudem das Familienunternehmen Stvarnik Bau in der dritten Generation.

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