"Den Steilhang meistern"
Die Faszination für den Bau begann bei Robert Jägersberger früh. Als Sohn eines Bauunternehmers wurde er bereits als Sechsjähriger von seinem Vater auf Baustellen mitgenommen. Die Herausforderungen des Baugewerbes kennt er demnach wie seine Westentasche. Seit über 30 Jahren setzt er sich als Interessenvertreter für seine Mitgliedsbetriebe ein – ab sofort nun auch auf Bundesebene als neuer Bundesinnungsmeister Bau. Welche Themen ganz oben auf seiner Agenda stehen, verrät Robert Jägersberger im Interview mit der Bauzeitung.
Wenn man aktuell ein eigenes Unternehmen hat und bereits als Landesinnungsmeister für Niederösterreich aktiv ist – was bewegt einen dazu, sich auch noch der Herausforderung „Bundesinnungsmeister“ zu stellen?
ROBERT JÄGERSBERGER:: Diese Frage hat mir meine Frau auch gestellt (lacht). Ernsthaft: Ich habe mich bereiterklärt, da mein Vorgänger uns in drei wesentlichen Bereichen erhalten bleibt. Hans-Werner Frömmel bleibt Vorsitzender unseres Ausschusses für Arbeits- und Sozialrecht und wird in dieser Funktion auch weiterhin die KV-Verhandlungen führen und die Kontakte mit dem Bau-Sozialpartner wahrnehmen. Außerdem bleibt Hans-Werner Frömmel BUAK-Obmann und wird dort die sozialpolitischen und arbeitsrechtlichen Themen wie z. B. die Umsetzung des Projekts „Bau ID“, das derzeit in der BUAK zur Ausarbeitung vorliegt, auch künftig vorantreiben. Darüber hinaus wird er weiterhin als Obmann des österreichischen Baumeisterverbands fungieren. Hans-Werner Frömmel bleibt als Mitglied des Bundesinnungsausschusses, des Exekutivkomitees und des Vorstands also auch in Zukunft intensiv in die Verbandsarbeit eingebunden.
Was wird sich durch die neue Funktion für Sie verändern? Bleibt noch ausreichend Zeit für das eigene Unternehmen?
JÄGERSBERGER: Seien Sie sicher, dass ich mein Unternehmen nicht vernachlässigen werde.
Mit welchem Gefühl gehen Sie in das nächste Jahr? Wie wird es dem Baugewerbe wirtschaftlich im nächsten Jahr ergehen?
JÄGERSBERGER: Ich hätte mir durchaus einen günstigeren Zeitpunkt für den Beginn meiner Obmannschaft vorstellen können, aber die Zeiten sind nun einmal, wie sie sind. Für das Gesamtjahr 2020 gehen die letzten Wifo-Prognosen von einem Rückgang der Bauinvestitionen um drei Prozent aus. Die Auftragsbestände zu Beginn der Corona-Krise und die relativ rasche Normalisierung der Situation auf den Baustellen nach dem Lock-down sind hauptverantwortlich dafür, dass die Prognosen für die Bauwirtschaft optimistischer sind als für die Gesamtwirtschaft. Ob der Bau auch 2021 Konjunkturmotor bleibt, hängt primär davon ab, ob es gelingt, die Baunachfrage stabil zu halten. Dafür braucht es aber Maßnahmen: Genehmigungsverfahren und Baubewilligungen für private und öffentliche Projekte, die bereits fertig in der Schublade liegen, sollten vorgezogen werden, damit diese 2021 realisiert werden können. Deshalb müssen auch virtuelle Möglichkeiten von Bauverhandlungen genützt werden, um Bauprojekte baureif zu machen. Außerdem müssen wir alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um Ausschreibungen und Vergabeverfahren vereinfacht und schneller durchführen zu können.
Neben BIM und Digitalisierung müssen wir auch in unserem Alltagsgeschäft unsere Hausaufgaben machen, nämlich die Kostentreiber am Bau aufspüren und generell Bürokratie abbauen.
Aktuell beherrscht Corona die gesamte Wirtschaft. Wo liegen davon abgesehen die größten Herausforderungen für die Baubranche?
JÄGERSBERGER: Wir haben im Bereich von Building Information Modeling und Digitalisierung sicher noch einen Weg vor uns. Gleichzeitig müssen wir aber auch im Alltagsgeschäft unsere Hausaufgaben machen, nämlich die Kostentreiber am Bau aufspüren, überbordende Standards im geförderten Wohnbau auf ein praxistaugliches Maß zurückfahren und generell Bürokratie abbauen. Das sind zwar jetzt nicht die Heuler für Medien, mit denen man Schlagzeilen macht, aber unser aller Alltag. Und natürlich müssen wir dem Fachkräftemangel entgegenwirken, aber da braucht sich der Bau mit seinen Maßnahmen der letzten Jahre nun wirklich nicht verstecken.
Laut einer aktuellen Studie des Linzer Ökonomen Friedrich Schneider wird die Schattenwirtschaft heuer um fast acht Prozent auf 24,69 Milliarden Euro steigen. Das ist mit 6,8 Prozent des BIPs der höchste Wert seit 20 Jahren. Sehen Sie in dieser Entwicklung eine zusätzliche Bedrohung für das Baugewerbe?
JÄGERSBERGER: Um die Schattenwirtschaft zu bekämpfen, wurde in den letzten Jahren viel unternommen, und die rechtlichen Möglichkeiten sind nahezu ausgeschöpft. Größeren Handlungsbedarf sehe ich beim organisierten Betrug bzw. Lohn- und Sozialdumping im Bereich der Entsendungen. Die Zahlen sind nach wie vor alarmierend: auch heuer (Stand
1. 10. 2020, Anm.) traten bei ca. 30 Prozent der kontrollierten ausländischen Firmen Verdachtsfälle auf Unterentlohnung auf. Bei heimischen Firmen betrifft das gerade einmal jeden 100. Betrieb. Hier gehört der Hebel angesetzt, da ist die EU gefordert, für gleiche Rahmenbedingungen zu sorgen, denn der Druck auf unsere heimischen Betriebe ist enorm.
Gibt es etwas, das Sie von Ihrem Vorgänger gelernt haben?
JÄGERSBERGER: Was mich an Hans-Werner Frömmel jedenfalls immer beeindruckt hat, sind sein politisches Netzwerk und seine Kompromissbereitschaft.
Gibt es konkrete Ziele, die Sie sich vorgenommen haben?
JÄGERSBERGER: Ich bin leidenschaftlicher Skifahrer und bemühe einen Vergleich mit dem Sport: Jetzt gilt es einmal, den schwierigen Steilhang – nämlich die Corona-Krise – zu meistern und danach wieder voll anzugreifen.
Zur Person: Bmstr. Ing. Robert Jägerberger
Dem 1962 in Wien geborenen Robert Jägersberger wurde die Begeisterung für den Bau bereits in die Wiege gelegt. Nach Absolvierung der HTL Mödling trat er 1984 in den väterlichen Betrieb ein, wo er das Bauhandwerk von der Pike auf lernte.
1990 folgte die Baumeisterprüfung. 1994 übernahm Robert Jägersberger das Bauunternehmens A. Notthaft Gesellschaft m.b.H.aus Leobersdorf mit 30 Mitarbeitern und drei Jahre später die Ing. Friedrich Mayer Gesellschaft m.b.H. in Pernitz.
1998 erfolgte die Eingliederung des väterlichen Betriebs Ing. Erwin Jägersberger in das Bauunternehmen A. Notthaft Gesellschaft m.b.H. durch Fusion mit Hauptstandort 2734 Puchberg und Zweigniederlassung 2544 Leobersdorf. Mit diesem Schritt wurde der Generationswechsel vollzogen und die Betriebsweiterführung gesichert.
Seit 1999 ist Robert Jägersberger in den Interessenvertretungen aktiv. Zu Beginn als Bezirksinnungsmeister Bau Neunkirchen und Haus der Bauwirtschaft-Geschäftsführer. Nach einer Periode als LIM-Stellvertreter wurde er 2005 zum Landesinnungsmeister Bau NÖ gewählt.
Ab 2008 unterstützte er Hans-Werner Frömmel als Stellvertretender Bundesinnungsmeister. Parallel dazu fungiert er als Spartenobmann-Stv. Gewerbe und Handwerk in Niederösterreich und arbeitet im Ausschuss und Vorstand der BUAK mit.