Handwerk Digital
Marktübersicht: Apps für das Handwerk 2022
Die Digitalisierung im Handwerk hat pandemiebedingt einen Schub erhalten. An vielen Stellen gibt es aber noch Medienbrüche: Aufmaße werden mit Zollstock, Bleistift und Papier erstellt, Angebote per Post versandt, Arbeitszeiten auf Zetteln erfasst, Dokumente und Belege mal digital, mal analog abgelegt und so weiter. Das kostet Zeit, ist inkonsequent und fehlerbehaftet. Abhilfe versprechen Handwerker*innen-Apps, die Kommunikations- und Cloud-Dienste mit ERP-Basisfunktionen, Dokumentations-, Termin- oder Ressourcenmanagement-Funktionen verbinden. Was können sie, wo liegen die Grenzen?
Handwerker*innen kommunizieren per Messenger
Mit Instant Messaging- oder Messenger-Diensten lassen sich Textnachrichten, Dokumente, Audio- oder Videodaten sowie Standortinformationen und Kontaktdaten zwischen zwei oder mehr Teilnehmer*innen plattformunabhängig online austauschen. Messenger-Dienste wie WhatsApp, Facebook, WeChat, Snapchat nutzen viele Handwerker*innen auch geschäftlich, weil sie den schnellen Nachrichtenaustausch per Chat und die kurze Reaktionszeit schätzen. Anfragen lassen sich blitzschnell klären, Projektbeteiligte zeitnah auf dem Laufenden halten, Fotos oder Videos, PDF-Pläne oder andere Dokumente unkompliziert austauschen. Messenger-Dienste vereinfachen den Kontakt zu und den Informationsaustausch mit Mitarbeiter*innen und Kund*innen. Nachrichten können über so genannte Channels (Kanäle) nach unterschiedlichen Themenbereichen strukturiert werden – etwa nach Kund*innen, Aufträgen oder Tätigkeiten. So werden ein- und ausgehende Informationen automatisch korrekt zugeordnet. Der gesamte Chatverlauf wird dokumentiert, archiviert und Beteiligten können auf Projektdaten jederzeit zugreifen. Papierdokumente, wie Briefe oder Lieferscheine werden einfach fotografiert und digital abgelegt. Über eine Suchfunktion sind Nachrichten, Fotos oder Dokumente schnell auffindbar, so dass man die Messenger-Daten auch für Dokumentationszwecke, als Nachweis, Datenbank und Archiv nutzen kann.
In der Cloud arbeiten
In der "Cloud" werden über so genannte SaaS-Dienste (Software as a Service) Programme und Daten online verfügbar gemacht. Diese werden nicht mehr auf der Festplatte des eigenen PCs abgelegt, sondern auf Daten-Servern im Internet. Das bietet den Vorteil eines plattform-, zeit- und ortsunabhängigen Zugriffs auf Programme, Dienstleistungen, Daten oder Speicherkapazitäten. Damit kann man mithilfe mobiler Rechner unterwegs, von der Baustelle, von der Kundschaft oder vom Homeoffice aus auf stets aktuelle Auftrags- oder Bürodaten zugreifen – sofern vor Ort eine ausreichend schnelle und stabile Internetverbindung vorhanden ist. Man kann jederzeit und von überall auf Programme oder Daten zugreifen, stets auf aktueller Datenbasis und mit aktuellen Programm-Versionen arbeiten – ohne diese installieren oder Wartungsverträge abschließen zu müssen. Um die Datensicherung und -archivierung kümmert sich ebenfalls der/die Anbieter*in. Besonders attraktiv sind cloudbasierende SaaS-Lösungen für Unternehmen mit mehreren Niederlassungen, die an gemeinsamen Projekten arbeiten oder mit Mitarbeiter*innen, die häufig alleine, in Kolonnen oder Teams unterwegs sind. Diese können problemlos und ohne umständliche VPN- oder Remote-Zugriffe vom Home-Office aus oder von unterwegs mitarbeiten. Auch die externe Kooperation wird einfacher, weil Planer*innen, Zuliefer*innen oder Kund*innen auf derselben, aktuellen Datenbasis arbeiten und Änderungen für alle sofort sichtbar sind.
ERP-Apps nutzen Trends
ERP-Apps verbinden Cloud- und Messenger-Dienste mit bauspezifischen Funktionen, vereinfachen so die Abwicklung und Steuerung von Aufträgen und optimieren Betriebsabläufe. Dabei fokussieren sich die Apps auf unterschiedliche Bereiche. Während zum Beispiel bei BauBuddy, Das Programm, edooli oder openHandwerk neben der Kommunikation Büro- und Controlling-Funktionen im Vordergrund stehen, fokussieren sich CraftNote, Memomeister, die Digitale Plantafel und die in der Übersicht nicht enthaltene Meisterwerk-App eher auf die Baustellendokumentation, das Dokumenten-, Mitarbeiter*innen-, Zeit- und Ressourcenmanagement. Zu den ERP-Funktionen zählen die Kund*innen-Auftrags und Zeiterfassung, das Aufmaß, die Kalkulation, Angebotserstellung und Abrechnung oder das Mahnwesen. Teilweise sind auch Funktionen für die Baustellen- und Mitarbeiter*innen-Einsatzplanung, das Rechnungswesen, das Controlling, oder das Dokumenten- (DMS) und Kund*innenbeziehungsmanagement (CRM) enthalten. Zur Zielgruppe zählen eher kleine und mittlere Unternehmen aus allen Baugewerken. Die Lösungen sind meist branchenübergreifend, so dass branchenspezifische Funktionen, Leistungs- und Artikeldatenbanken für das Holz-, Metall-, SHK-, Elektro- oder Malerei-Handwerk etc. meist fehlen. Letztere sind aber ein wichtiger Bestandteil umfassender Branchenprogramme wie beispielsweise M-Soft, Sage, VenDoc und andere, die über ERP-Basisfunktionen hinaus viele branchenspezifische Funktionen und Module für die Kalkulation, Warenwirtschaft, Material- und Lagerverwaltung, Kapazitätsplanung, CAD-Anbindung etc. bieten. Meist fehlen auch wichtige Schnittstellen wie zum Beispiel ÖNorm A-2063 für den AVA-Datenaustausch oder das ebInterface zur elektronischen Rechnungsstellung und -prüfung. ERP-Apps verfügen dafür über Instant-Messaging- und Gruppenchat-Funktionen für den Austausch von Nachrichten mit einem oder mit mehreren Partner*innen, jedoch nur einige über Sprachnachrichten oder eine Broadcast-Funktion für die schelle Ansprache von Nutzer*innengruppen. Auch Controlling-Funktionen wie die mobile Zeiterfassung, Soll-Ist-Vergleiche, Reports oder die Projektdokumentation werden in unterschiedlicher Ausprägung angeboten. Wichtig ist, dass Daten und Funktionen auch offline verfügbar sind, denn eine ausreichend stabile und schnelle mobile Internetverbindung ist unterwegs oder auf Baustellen nicht immer vorhanden. Das Preismodell ist unterschiedlich, einige Apps sind in der Basisversion kostenlos. Für Vollversionen liegen die Preise zwischen sechs und 35 Euro pro Mitarbeiter*in und Monat (zzgl. MwSt.). Geachtet werden sollte darüber hinaus auf eventuelle Zusatzkosten für die Server-Nutzung oder Datenablage sowie auf Mindest-Vertragslaufzeiten oder Kündigungsfristen.
Wo Wolken sind, ist auch Schatten
Sensible Unternehmensdaten nicht mehr auf der eigenen Festplatte zu haben, sondern auf externen Servern, über die man keine Kontrolle hat – das möchten nicht alle. Skeptiker*innen von Clouddiensten sehen als größten Nachteil den Kontrollverlust über die eigenen Daten und die Abhängigkeit gegenüber App-Anbieter*innen. Gegen die Cloud sprechen auch ganz banale Dinge: So vereiteln vor allem in ländlichen Regionen niedrige Datenübertragungsraten und die Stabilität mobiler Funknetze ein flüssiges, störungsfreies mobiles Arbeiten. Hinzu kommt, dass kein*e Anbieter*in (dazu zählen auch Internet-Provider) eine 100-prozentige Verfügbarkeit gewährleisten kann. Auch aus rechtlicher Sicht ist einiges zu bedenken: So dürfen personenbezogene Daten nach europäischen Datenschutzbestimmungen (DSGVO, siehe Infokasten) nicht die EU-Grenzen verlassen. In welchem Land und auf welchem Server Kund*innendaten abgelegt werden, geben die App-Anbieter*innen aber nicht immer verbindlich an. Einige Anbieter*innen versichern, Daten und Verbindungen zu verschlüsseln und die Daten ihrer Kund*innen ausschließlich etwa auf deutschen Datenservern zu speichern. Tücken können auch Cloud-Verträge haben: So ist nicht immer klar, welche Konsequenzen es hat, wenn der Vertrag ausläuft oder gekündigt wird. Auch aus technischer Sicht ist ein Anbieter*innenwechsel nicht unproblematisch, denn Anwender*innendaten lassen sich aufgrund fehlender Standards meist nur mit viel Aufwand von einem auf ein anderes System übertragen.
Fazit: Zeitgemäße Technik mit Fragezeichen
ERP-Apps für Handwerker*innen machen früher nur am Büro-PC verfügbare Software-Funktionen mobil, vereinfachen und beschleunigen Prozesse. Das setzt aber auch kurze Reaktionszeiten voraus, denn wer als Interessent*in Angebote per Messenger anfragt, erwartet auch eine schnelle Antwort. Auch die Cloud-Technik muss noch Hürden nehmen – psychologisch wie technisch. Wer seinen Server samt Büro- und Projektdaten bei sich stehen hat, anstatt irgendwo im weltweiten Datennetz, hat ein besseres Gefühl. Das kann aber auch trügen, denn um die Datensicherung, -archivierung und IT-Sicherheit ist es in den Unternehmen nicht immer zum Besten bestellt und in punkto Daten-Backup schneiden SaaS-Dienste häufig besser ab. Wichtige Fragen sollten in jedem Fall zuvor geklärt werden: Wie komme ich an meine Daten bei einem Serverausfall oder Anbieter*innenwechsel? Welchen Schutz gibt es vor Hacker*innen-Angriffen? Was ist, wenn es keinen Netzzugang gibt? Anwender*innen herkömmlicher PC-Software sind noch skeptisch. Vielleicht etabliert sich die neue Technik aber auch ganz von alleine mit der jungen Anwender*innengeneration, die geschäftliche Daten ebenso dem Netz anvertraut, wie sie es mit privaten Daten in sozialen Netzwerken ohnehin schon tut. (dd)
ERP-Apps und Datenschutz
Wer Instant Messenger auf dem Dienst-Smartphone nutzt, kann gegen die DSGVO (Datenschutzgrundverodnung) verstoßen und riskiert empfindliche Strafen. Viele Messenger greifen nämlich auf die Smartphone-Kontaktdaten der Nutzer*innen zu. Das ist gemäß DSGVO nur dann erlaubt, wenn dem alle Beteiligten zustimmen. Handwerker*innen sollten deshalb von allen Kund*innen und Kolleg*innen diese Zustimmung schriftlich einholen. Oder man verwendet die Kommunikationsfunktionen der hier vorgestellten ERP-Apps, denn diese setzen auf eine DSGVO-konforme Technik. Zusätzlich sollte man mit Anbieter*innen einen so genannten Auftragsverarbeitungsvertrag abschließen. Darin verpflichten sie sich zu einem DSGVO-konformen Umgang mit Anwender*innendaten.