Künstliche Intelligenz

Ohne KI auf Dauer k.o.

Künstliche Intelligenz
21.08.2024

Eine aktuelle Studie des Immobilienberaters Drees & Sommer erwartet ein starkes Wachstum von Künstlicher Intelligenz in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Die eindeutige Aussage: Ohne KI geht auf Dauer wenig.
Aktuelle Studie: Ohne KI geht am Bau in Zukunft wenig.

Die Aussage ist klar. Sehr klar: „Künstliche Intelligenz wird die Bau- und Immobilienwirtschaft revolutionieren.“ Gerhard Herndlhofer, Österreich-Geschäftsführer des internationalen Beratungsunternehmens Drees & Sommer, das sich auf die Real Estate-Branche spezialisiert hat, stützt sich bei seiner Einschätzung unter anderem auf den hauseigenen „Innovation Scouting Report 2024“ – einem Trendradar, in dem internationale Bau- und Immobiliendaten und die Ergebnisse einer umfassenden Umfrage unter Marktteilnehmern analysiert werden.

KI auf Platz 1

Gefragt nach den relevantesten Technologietrends für die Bau- und Immobilienwirtschaft, geben die Teilnehmer*innen folgende Antwort: Auf Platz 1 kommt die Künstliche Intelligenz (KI) mit 23,4 Prozent vor Big Data mit 15,3 Prozent und dem Internet der Dinge (IoT) mit 11,9 Prozent. Dahinter folgen Cloud Computing und BIM-Modelle. KI „bietet enorme Potentiale zur Erhöhung der Kostensicherheit und Effizienzsteigerung“, so die Einschätzung von Drees & Sommer-Geschäftsführer Herndlhofer.

Sein Kollege Christoph Schmidt, bei Drees & Sommer Österreich für Digitalisierung und Prozesssteuerung verantwortlich, erläutert das im Detail: „Eine KI wird niemals einen Ziegel in die Hand nehmen und eine Mauer bauen. Das wird auch in Zukunft mit der Hand gemacht werden oder von einer Maschine. Und das wird durch KI nicht massiv effizienter.“ Die wahre Stärke der KI liege woanders: „Aktuelle Trends zeigen, dass KI-basierte Lösungen bereits jetzt tief in die Planungs- und Bauprozesse integriert werden können. Von der automatisierten Erstellung von Bauplänen über die Optimierung von Materialflüssen bis hin zu präzisen Kostenprognosen – KI schafft einen signifikanten Mehrwert, zugleich bleibt die menschliche Expertise unverzichtbar.“

Der Mehrwert von KI

Der wesentliche Mehrwert, den die KI aus Sicht des Experten liefert, hat vier Buchstaben: Zeit. „Das Internet hat die Suche nach Informationen radikal verändert. Wissen ist heute leichter und schneller zugänglich als noch vor 20 Jahren“, so Schmidt. Die gleiche Wirkung erwartet er durch KI auf das Thema Zeit: „KI kann Prozesse beschleunigen und dadurch die Effizienz massiv steigern.“ Der Digitalisierungsexperte erläutert dies am Beispiel einer Ausschreibung. „Ein Bauunternehmen sucht einen Sublieferanten, sagen wir einen Bodenleger. Man holt zehn Angebote ein, die mehr oder weniger vergleichbar sind. Ein Techniker wertet die Angebote aus und filtert das beste Angebot heraus. Das ist ein zeitaufwändiger Prozess.“ Dieser Prozess lasse sich durch KI stark beschleunigen. Schmidt: „Die KI kann die Auswertung übernehmen und den Bestbieter ermitteln. Der Techniker überprüft das Ergebnis dann am Ende.“

KI in der Planung

Ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet der KI orten Fachleute im Bereich der Planung. Schmidt verdeutlich das am Beispiel eines Entwurfs für ein Gebäude: Man versorgt die KI-basiere Software mit den gewünschten Anforderungen wie beispielsweise bebaubare Fläche, Zahl der Wohneinheiten oder Größe der Wohnungen. „Dann gibt man der KI den Befehl: Entwerfe mir einen Grundriss mit möglichst wenig ungenutzten Flächen, möglichst effizienter thermischer Hülle und möglichst effizienter Raumakustik“, schildert der Drees & Sommer-Experte. „Die KI kann das schneller entwerfen als jeder Planer. Der schaut sich den Entwurf natürlich am Ende an und kann Änderungen anfordern, indem er bestimmte Parameter verändert, der Entstehungsprozess ist aber stark beschleunigt.“

Derartige KI-unterstützte Software-Tools gibt es bereits auf Startup-Ebene. Und Fachleute erwarten, dass die großen Softwareanbieter rasch nachziehen werden. Generativer KI – also KI, die Texte, Bilder oder Grundrisse kann – wird für die kommenden Jahre ein starkes Wachstum in der Bau- und Immobilienwirtschaft prognostiziert. Der Drees & Sommer-Trendradar zitiert eine Studie, die weltweit bis 2032 ein jährliches Wachstum von 11,2 Prozent auf mehr als 100 Milliarden US-Dollar vorhersagt. Getrieben wird das Wachstum vor allem durch die Startup-Szene. Startups setzen neue Technologien ein, entwickeln innovative Geschäftsmodelle und treiben so die Digitalisierung voran. Laut der jährlichen Studie des Applied AI Institute for Europe gab es im Jahr 2023 rund 6.300 KI-Startups in Europa. Von denen wurden 10,6 Prozent im Bereich der generativen KI eingestuft.

Berater Schmidt ist davon überzeugt, dass die Digitalisierung auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft nicht mehr aufzuhalten ist und stark an Bedeutung gewinnen wird – auch KI-basierte Lösungen: „Aus meiner Sicht wird es die gleiche Entwicklung geben, die wir schon in anderen Industrien sehen.“ Schmidt erwartet, dass die großen Bau- und Immobilienkonzerne davon am stärksten profitieren werden. Und zwar aus zwei Gründen. Grund eins: „Die großen Unternehmen haben das Budget und die Manpower, um zu forschen, zu entwickeln und zu implementieren.“ Grund zwei: „Das Verhalten der Regulatoren und Auftraggeber im Bereich der öffentlichen Hand oder aber auch in der Industrie.  Dort wird beispielsweise schon heute eine digitale BIM Planung mit hohem LOD, also Level of Detail, gefordert. Diese Entwicklungen werden zunehmen.

Zwei Welten

Der Drees & Sommer-Experte vermutet, dass es für die kleinen und mittleren Unternehmen inklusive des Baugewerbes schwieriger wird, sich am Markt zu behaupten. „Ich rechne damit, dass die Fragmentierung, die wir heute noch sehen, abnehmen wird“, meint Schmidt. „Es kann aber auch sein, dass ich mich täusche. Es ist denkbar, dass sich am Markt, noch mehr als gegenwärtig, zwei Pole bilden werden – auf der einen Seite die großen Konzerne, die großvolumige Projekte mit hohem Professionalitätsniveau umsetzen, und auf der anderen Seite die kleinen Baumeisterbetriebe, die das klassische Einfamilienhaus und kleinere Projekte umsetzen“, so Schmid.

Für den Mittelstand werde es daher wichtig sein, bei der Implementierung von neuen Technologien zu differenzieren und mit Augenmaß vorzugehen. „Verwehren sollte man sich Innovation niemals, jedem Trend nachzulaufen bindet aber langfristig zu viele Ressourcen bei überschaubarem Mehrwert.“ Wichtige Anmerkung: „Es hängt auch viel vom Regulator ab und wo der die Grenzen setzt“, meint Schmidt. „Wenn zum Beispiel die umfangreichen Anforderungen aus der EU-Taxonomie-Verordnung auch von den kleinen Betrieben erfüllt werden müssen, bedeutet das einen enormen Aufwand für sie. Das wird ohne Digitalisierung und KI auf Dauer nicht effizient zu bewältigen sein.“

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