Nachhaltige Kühlung
Kühl ist Cool
Das Haus schaut nicht nur cool aus, es ist auch kühl – und zwar im Sommer, wenn es darauf ankommt: Außenjalousien vor den Fenstern schützen vor Sonneneinstrahlung. Nachts öffnen sich automatisch die Fenster, sobald die Außentemperatur niedrig genug ist. Das sorgt für eine angenehme Durchlüftung. Zusätzliche Kühlung verschaffen Erdsonden. Die Strombedarf wird zum größten Teil durch eine Photovoltaik-Anlage abgedeckt. Das technische Highlight ist ein Steuerungssystem, das Wetterprognosen zur vorausschauenden Steuerung der einzelnen Kühlsysteme nutzt.
Dieses innovative Gebäude steht in Purkersdorf im Westen Wiens. Es ist ein gutes Beispiel für das Zusammenspiel klugen Design, moderner Technologie und intelligenter Gebäudekühlung. Gunther Graupner, Geschäftsführer der Zukunftsagentur Bau (ZAB) glaubt, dass Lösungen wie dieses in den kommenden Jahren immer mehr an Bedeutung gewinnen werden: „Die Klimaerwärmung führt dazu, dass die Kühlung von Gebäuden immer wichtiger wird.“ Ein US-Forschungsteam hat berechnet, dass Klimaanlagen weltweit im nächsten Jahrzehnt mehr Energie verbrauchen werden als Heizungen. Der genaue Zeitpunkt hängt von der gewählten Raumtemperatur für Komfort und Gesundheit ab – und vor allem davon, in welchem Umfang die Menschheit die teuren, stromfressenden Klimaanlagen einsetzen wird.
Wirksame Alternativen
Die ZAB hat Prognosen wie diese zum Anlass genommen, um in einem Forschungsprojekt zu untersuchen, ob es umweltfreundliche Alternativen zur Klimaanlage gibt und wie wirksam diese Methoden sind. Der Name des Projekts: „Cool*Buildings: Kühlstrategien in Wohngebäuden – ein Technologievergleich“. Durchgeführt wurde die Untersuchung von Forscherinnen und Forschern der Universität für Weiterbildung Krems und der FH Salzburg – und die kamen dabei zu einer Reihe von durchaus überraschenden Ergebnissen, die Grund zur Hoffnung geben. Markus Winkler, Leiter des Zentrums für Bauklimatik und Gebäudetechnik an der Universität für Weiterbildung Krems: „Es gibt sehr wirksame energieeffiziente Alternativen zur Klimaanlage.“
Das Forschungsteam führte sogenannte „thermodynamische Simulationen“ durch, in denen sie die Wirksamkeit besagter Alternativen berechneten. Dabei variierten sie eine Reihe von Rahmenbedingungen: Dazu zählte unter anderem der Anteil der Fensterflächen an der Fassade (12 oder 25 Prozent), die Bauweise (massiv oder Leichtbau), den Ort (Salzburg oder St. Pölten) oder die Annahme für die Durchschnittstemperaturen im Sommer laut Daten des Weltklimarates (Wert für 2019 oder Prognose für 2050).
Die erste positive Überraschung für die Forscher* innen: Mit relativ einfach umzusetzenden „passiven“ Maßnahmen, die praktisch keinen zusätzlichen Energieaufwand verursachen, lassen sich erstaunlich große Effekte erzielen. Die Wissenschaftler untersuchten zunächst die Wirksamkeit von außenliegenden Sonnenschutzvorrichtungen wie Raffstores, Rollläden oder Markisen. Dabei stellten sie fest, dass eine automatische Beschattung um bis zu vier Mal höhere Kühleffekte bringt als eine manuelle.
Als noch wirksamer erwies sich aber eine zweite Maßnahme – die konsequente Lüftung der Wohnung bei geöffneten Fenstern während der Nacht, sobald es außen kühler ist als innen. Die Forscher*innen kamen – und das war die zweite dicke Überraschung – zu folgendem Ergebnis: Die konsequente Lüftung reicht aus, um ein als noch als angenehm empfundenes Temperaturniveau von 26 Grad zu erreichen.
Richtig lüften
Dazu sind allerdings zwei Bedingungen notwendig. „Es ist wichtig, dass man früh genug mit der Lüftung beginnt – am besten bereits im April“, so Uni-Krems- Mann Winkler. „Wenn man erst zu lüften beginnt, wenn es warm ist, ist es bereits zu spät. Es geht darum zu verhindern, dass das Gebäude sich zu sehr aufwärmt.“ Zudem genügt es nicht, wenn die Fenster nur auf einer Seite im Raum geöffnet werden. Eine „Querlüftung“ – also das, was Laien unter „Durchzug“ verstehen – ist deutlich wirksamer. Richtig gemacht, lässt sich laut Ergebnis des Forschungsprojekts mit der Lüftung auf Basis der Klimadaten für 2019 die Wohnungstemperatur fast ohne den Einsatz einer Klimaanlage auf die besagten 26 Grad bringen. Und selbst für die erwarteten Temperaturen im Jahr 2050 ist das den Berechnungen nach möglich.
„Durch den gezielten Einsatz von passiven Maßnahmen kann man den Kühlbedarf um bis zu 70 Prozent reduzieren“, so das Zwischenfazit des gelernten Bauingenieurs Winkler. Zwei weitere Befunde der Simulationen: Wohnungen und Häuser mit massiver Bauweise heizen sich deutlich weniger auf als Gebäude in Leichtbauweise und Gebäude, die nur die vorgeschrieben Mindestfensterfläche von 12 Prozent der Fassadenfläche verfügen, bleiben kühler als jene mit 25 Prozent Fensterfläche.
Aktive und passive Kühlung
Der Forscher*innen geben aber zu, dass sich passive Maßnahmen allein in vielen Fällen nicht ausreichen werden – beispielsweise, wenn es aus Sicherheitsgründen nicht möglich ist, eine Wohnung nachts bei geöffneten Fenstern zu lüften. Sie haben daher auch Methoden zur aktiven Kühlung untersucht, die wesentlich weniger Strom fressen als klassische Klimageräte. Hier bieten sich Flächenkühlsysteme als eine gute Option an. Sie arbeiten effizient und lassen sich gut mit erneuerbaren Energien kombinieren. Sie funktionieren, indem sie kühles Wasser durch Rohre in Böden, Wänden oder Decken leiten. Im Projekt wurde für die Simulationen eine maximale Kühlleistung von 20 Watt pro Quadratmeter Bauteilfläche festgelegt. Damit konnten sehr gute Ergebnisse errechnet werden – vor allem in Kombination mit den passiven Maßnahmen. Zum Vergleich: Eine klassische Klimaanlage kommt leicht auf 150 Watt pro Quadratmeter.
Wir werden als Bauinnung schauen, dass wir die Politik auf Trab halten.
Peter Dertnig, Landesinnungsmeister Bau Salzburg, zeigt sich beeindruckt vom ZAB-Forschungsprojekt: „Die Sommertauglichkeit von Gebäuden gewinnt klar an Relevanz. Wir müssen uns dem Thema Gebäudekühlung stellen“, so Dertnig. „Hier sind die größten Steigerungen an Energieverbrauch zu erwarten.“ Der Innungsmeister fordert die Politik auf, „das Thema rasch anzugehen“. Als eine Möglichkeit sieht er beispielsweise, im Bereich der Wohnbauförderung „die massive Bauweise“ mit Ziegel oder Beton zu unterstützen. Dertnig: „Wir werden als Bauinnung schauen, dass wir die Politik auf Trab halten.“