Flüssigkunststoffe

PMMA-Produkte: Einblicke in Produktion und Entwicklung

Abdichtung
09.06.2023

Von: Redaktion Dach Wand
PMMA-Produkte live erleben – das kann man bei Triflex an vielen Unternehmensstandorten. Zuletzt am Hauptsitz im deutschen Minden, wo der Flüssigkunststoffspezialist Fachjournalist*innen einlud, die Produktion zu besichtigen und selbst auszuprobieren, worüber sie schreiben.
Im TWZ im deutschen Minden schult Triflex Fachverarbeitungsbetriebe im sicheren Umgang mit den Flüssigkunststoffsystemen.
Im TWZ im deutschen Minden schult Triflex Fachverarbeitungsbetriebe im sicheren Umgang mit den Flüssigkunststoffsystemen.

Bereits seit 1977 werden unter der Marke Triflex Kunstharze hergestellt. Heute ist das Unternehmen, das zur Follmann Chemie Gruppe gehört, der europäisch führende Experte für PMMA-Flüssigkunststoffe. Polymethylmethacrylat – kurz PMMA – ist ein thermoplastischer Kunststoff, der gemeinhin als Plexiglas bekannt ist. In seiner flüssigen Form eignet er sich dagegen für Anwendungen wie die Abdichtung und Beschichtung von Bauwerken und -teilen unterschiedlicher Art.
Während die Produktion der PMMA-Flüssigkunststoffe sowie weitere zentrale Funktionen am Hauptsitz im deutschen Minden gebündelt werden, ist Triflex international mit einer Vielzahl an Schwestergesellschaften sowie Vertriebsbüros erfolgreich vertreten. Seit 2005 ist Triflex auch in Österreich aktiv, zunächst mit einem Vertriebsbüro. 2010 wurde dann die Triflex GesmbH gegründet. Mit fünf Mitarbeiter*innen gestartet zählt das Unternehmen heute 15 Mitarbeiter*innen.

Vom Produktionsstandort im westfälischen Minden (D) liefert Triflex individuelle Lösungen in Sachen Flüssigabdichtungen und Kaltplastiken in die ganze Welt.
Vom Produktionsstandort im westfälischen Minden (D) liefert Triflex individuelle Lösungen in Sachen Flüssigabdichtungen und Kaltplastiken in die ganze Welt.

Der Nachhaltigkeit verschrieben

Als Chemieunternehmen ist sich Triflex ebenso wie die gesamte Gruppe der besonderen Verantwortung gegenüber der Umwelt und den Mitmenschen bewusst. Nachhaltigkeit gehört deshalb zu den obersten Handlungsprinzipien. Das spiegelt sich auch in der Produktion wider: 2019 wurde eine neue Produktionsanlage zur Herstellung bauchemischer Produkte in Minden in Betrieb genommen. Diese wird ausschließlich mit Abwärme aus einer fünf Jahre zuvor errichteten Energiestation, bestehend aus einem Blockheizkraftwerk mit Dampfkessel sowie Kälteanlage, beheizt. Rund die Hälfte des dort verbrauchten Stroms wird aus Eigenstrom gewonnen, der Rest wird mit eingekauftem Ökostrom aus erneuerbaren Energien mit Herkunftsnachweis "Windkraft Norddeutschland" besorgt.
Mit der Installation einer regenerativen thermischen Abluftreinigungsanlage konnten die produktionsbedingten Emissionen von flüchtigen organischen Kohlenstoffverbindungen, wie sie in Lösungsmitteln vorkommen, um über 80 Prozent gesenkt werden. Auch Staubemissionen, Abfallmengen und Verpackungsmaterial wurden stark reduziert.
Das Engagement von Triflex geht über die eigene Fertigung hinaus. So sind die Lieferantenbeziehungen über einen Code of Conduct geregelt, der eine umweltverträgliche Rohstoffbesorgung sowie die Sicherheit und Gesundheit von der an der Produktion beteiligten Menschen sicherstellt. Triflex ist außerdem Mitglied von Chemie3, der Nachhaltigkeitsinitiative der chemischen Industrie, und von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, um nur ein paar zu nennen. Die Follmann Chemie hat ferner die Silber-Auszeichnung von EcoVadis erhalten.

Im multifunktionalen Technologie- und Wissenszentrum (TWZ) in Minden finden Kundenschulungen, Informationsveranstaltungen für Besuchergruppen und Mitarbeiterevents statt.
Im multifunktionalen Technologie- und Wissenszentrum (TWZ) in Minden finden Kundenschulungen, Informationsveranstaltungen für Besuchergruppen und Mitarbeiterevents statt.

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Verantwortung zeigt Triflex auch, indem es Fachverarbeitungsbetriebe im sicheren Umgang mit den Flüssigkunststoff-Systemen schult. Mit der Eröffnung des TWZ, kurz für Technologie- und Wissenszentrum, hat die Follmann Chemie Gruppe am deutschen Hauptsitz einen weiteren Meilenstein gesetzt. Modern und multifunktional präsentiert sich der Neubau, in dem seit Frühjahr 2021 theoretische sowie praktische Schulungen und andere Events abgehalten werden. Das Konzept kommt an: Man zählt bisher mehr Veranstaltungen als Betriebstage.
Planer*innen und Anwender*innen aus Österreich müssen sich aber nicht auf den weiten Weg nach Minden machen. In St. Georgen im Attergau hat die österreichische Niederlassung von Triflex erst 2020 ein neues Kompetenzcenter eröffnet.

"Wir sehen Entwicklungsbedarf in der Verarbeitung und bei Spezialanwendungen"

Wir haben Karl Hofer, Geschäftsführer von Triflex Österreich, zu den Eigenschaften von PMMA, den Plänen in der weiteren Entwicklung und zu Verarbeitungstipps befragt.

Karl Hofer, Geschäftsführer von Triflex Österreich
Karl Hofer, Geschäftsführer von Triflex Österreich

Was sind die Hauptinhaltsstoffe von PMMA? Wie kann man sich die Herstellung von Flüssigkunststoff vorstellen?

Karl Hofer: Polymethylmethacrylat ist ein synthetischer thermoplastischer Kunststoff, dessen Hauptbestandteile Methylmethacrylat-Monomere sind (ca. 70 Prozent). Hinzu kommen andere Komponenten wie Stabilisatoren, Farbstoffen und Initiatoren. Diese werden in der Herstellung während der sogenannten Polymerisation des MMA hinzugefügt. Das Polymerisationsverfahren führt dazu, dass die MMA zu langen Ketten verbunden werden. Das ist das, was dem Material schließlich seine Robustheit gibt.

In den letzten zwanzig Jahren hat es in der Entwicklung von Flüssigkunststoffen große Fortschritte gegeben. Was sind die heutigen Anforderungen an das Material und was kann es leisten?

Grundsätzlich müssen PMMA-basierte Abdichtung dauerhaft dicht sein. Damit dem so ist, benötigen sie eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Einflüssen sowie Einflüssen aus Witterung, UV-Strahlung und mechanischer Beanspruchung. Darüber hinaus bestehen heute im Angesicht des Klimawandels erhöhte Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Flüssigkunststoffen – und das über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Das fängt bei der Auswahl der Rohstoffe an und zieht sich bis zur Minimierung von Schadstoffemissionen während des Produktionsprozesses. Eine große Herausforderung ist aktuell noch der Umgang mit dem Material nach dem Ende seiner Nutzungsdauer.

Wie groß ist die Forschung- und Entwicklungsabteilung bei Triflex?

Wir haben an unserem Hauptsitz in Minden ein Innovationscenter gebildet, dass sich der Forschungs- und Entwicklungsarbeit ganzheitlich, also Unternehmensgruppen-übergreifend, annimmt. Dort beschäftigt sind derzeit zehn Mitarbeiter*innen in Forschung & Entwicklung, hinzu kommen sechs Mitarbeiter*innen im Prüflabor sowie 16 Mitarbeitende aus dem Produktmanagement, die gemeinsam unsere Arbeit auf diesem Gebiet vorantreiben.

Können Sie verraten, woran aktuell gearbeitet wird?

Unsere Produktoptimierung betreiben wir kontinuierlich. Auch neue Produkte werden entwickelt, so zuletzt beispielsweise Triflex ProTruck: eine TÜV-geprüfte, PMMA-basierte Beschichtungslösung für Nutzfahrzeugladeflächen. Dank spezieller Einstreuung beugt die Antirutsch-Beschichtung einem Verrutschen der Ladung wirksam vor, auf konventionelle Rutschmatten kann verzichtet werden – was Zeit spart und das Risiko für Fehler minimiert. Mit dieser Produktinnovation haben wir uns ein völlig neues Anwendungsgebiet erschlossen. Darüber hinaus sind wir auch stetig bemüht, unsere Maschinentechnik zu optimieren.

Weiteren Entwicklungsbedarf sehen wir in Zukunft bei Spezialanwendungen, etwa wenn eine Abdichtung auf einem genutzten Flachdach, zum Beispiel einem Gründach, gefragt ist.

Karl Hofer

In welchen Bereichen gibt produkttechnisch noch Verbesserungs- bzw. Entwicklungsbedarf?

Auch wenn wir Qualitätsführer am Markt sind, so ruhen wir uns nicht darauf aus. Wir arbeiten nicht nur stetig an der Verbesserung unserer hochwertigen Produkte, sondern auch daran, ihre Verarbeitung zu erleichtern. In diesem Bereich haben wir das Potenzial erkannt, das eine maschinelle Verarbeitung bietet. Sie ist ergonomischer, präziser, abfallsparender und wesentlich schneller als das konventionelle Auftragen per Kelle bzw. Rolle aus kleinen Gebinden. Dafür haben wir kürzlich Triflex SAM auf den Markt gebracht, eine Maschine zur Sprühapplikation zweikomponentiger PMMA-Grundierungen, Abdichtungen und Versiegelungen. Weiteren Entwicklungsbedarf sehen wir in Zukunft bei Spezialanwendungen, etwa wenn eine Abdichtung auf einem genutzten Flachdach, zum Beispiel einem Gründach, gefragt ist. Auch hier arbeiten wir bereits an neuen Lösungen.

Thema Verarbeitung: Gibt es praktische Tipps, die in der Verarbeitung von Flüssigkunststoff besonders zu beachten sind?

Eine ordnungsgemäße Vorbereitung des Untergrunds ist wichtig für die Haftung des Flüssigkunststoffs. Bei zwei-komponentigen Systemen wie unseren Abdichtungen und Beschichtungen ist zudem das korrekte Anmischen beider Komponenten, das erst vor Ort auf der Baustelle vorgenommen wird, von großer Wichtigkeit. Dabei ist das von uns angegebene Mengenverhältnis abhängig von der Verarbeitungstemperatur einzuhalten. Nicht zu vernachlässigen ist letztlich die Auftragsstärke: Denn eine zu geringe Schichtdicke kann zu einer unzureichenden Abdichtung führen. Mit unserer neuen Maschine für die Sprühapplikation, Triflex SAM, entfällt das vorherige Anmischen von Flüssigkunststoff sowie Katalysator und die Schichtdicken lassen sich präziser kontrollieren. Zudem ist dieses Verfahren um ein Vielfaches zeitsparender und ergonomischer als die händische Applikation.

Wichtigste Kontrollmaßnahme ist sicherlich die Haftzugprüfung. Für Haftabzugsprüfungen von Flüssigkunststoffen sind bereits Standardisierungen vorhanden.

Karl Hofer

Wie kann man als Verarbeiter*in sicher sein, dass die eigene Arbeit erfolgreich war, sprich: welche Möglichkeiten der Eigenkontrolle gibt es? Ist bezüglich Haftabzugsprüfungen eine Standardisierung geplant?

Eine visuelle Inspektion der Oberfläche kann bereits erste Hinweise auf mögliche Schwachstellen in der Abdichtung oder Beschichtung geben. Dabei sollten alle Bereiche der Oberfläche überprüft werden, um sicherzustellen, dass keine Undichtigkeiten oder Schäden vorhanden sind. Desweiteren unterstützt der Einsatz eines Schichtdickenmessers dabei, die vorgegebene Schichtdicke einzuhalten. Generell ist das Einhalten von Herstellervorgaben von großer Bedeutung, unter anderem auch beim Mischverhältnis der einzelnen Komponenten. In unserer Triflex App sind diese mit nur wenigen Klicks abrufbar.
Wichtigste Kontrollmaßnahme ist aber sicherlich die Haftzugprüfung. Für Haftabzugsprüfungen von Flüssigkunststoffen sind bereits Standardisierungen vorhanden. Die gängigste Prüfnorm ist die DIN EN ISO 4624 "Bestimmung der Haftfestigkeit von Beschichtungen – Pull-off-Prüfverfahren". Diese Norm beschreibt das Prüfverfahren für die Bestimmung der Haftfestigkeit von Beschichtungen auf ebenen Untergründen durch das Abziehen einer Beschichtung mit einem Prüfkörper. Zusätzlich gibt es spezielle Prüfnormen für die Haftabzugsprüfung von Flüssigkunststoffen, wie zum Beispiel die DIN 53289 "Kunststoff-Dichtungsbahnen und Beschichtungen – Bestimmung der Haftung". Diese Norm beschreibt das Verfahren zur Bestimmung der Haftfestigkeit von Flüssigkunststoffen auf verschiedenen Untergründen, einschließlich Beton und Stahl.

Triflex ist sehr engagiert in punkto Nachhaltigkeit. Dazu gehört natürlich der gesamte Wertstoffkreislauf. Wie sieht die ordnungs- und umweltgerechte Entsorgung von alten Flächen mit Flüssigkunststoffen aus?

Mit Triflex-Produkten wird die Bausubstanz vor Nässe und Feuchtigkeit dauerhaft geschützt, nachgewiesen mindestens 25 Jahren (W 3 gemäß ETA). Dadurch verlängern sich auch die Sanierungsintervalle deutlich und tragen damit entscheidend zur Werterhaltung bei. Wird saniert anstatt neu gebaut, werden Ressourcen geschont und der CO2-Ausstoß maßgeblich reduziert. Sollte ein Schutz nicht mehr gegeben sein, muss das Material nur zu Teilen abgetragen werden und kann entsprechend mit geringem Material- und Zeitaufwand wieder aufgefrischt werden. Sollte es doch zu einem Abriss kommen, kann das Material mit den anderen Reststoffen entsorgt werden.

Interview: Birgit Tegtbauer

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