Vertragsbedingungen

Paroli bieten - auch ohne Anwalt

Recht
11.05.2021

Die Allgemeinen Vertragsbedingungen sind fixer Bestandteil jedes Bauvertrages. Sind sie unterschrieben, sind sie bindend. Wer versteht sie und erkennt, ob sie sich im Rahmen des gesetzlich Möglichen bewegen? Wem sind die rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen wirklich bewusst?

Harald Greger

Das Aluminium-Fenster-Institut (AFI) hat gemeinsaem mit der Arbeitsgemeinschaft der Hersteller von Metall-Fenstern/Türen/Tore/Fassaden (AMFT) eine Online-Suchmaschine entwickelt, die das Wissen rund um AVBs stärkt und die Branche auf dieses Thema sensibilisieren soll. In der Praxis wähnen sich die Auftraggeberfirmen (nicht nur) in der Baubranche gegenüber den Subunternehmen oft am längeren Ast – und wollen in der Regel immer ihre eigenen AVB durchsetzen. „Unfaire Vertragsbedingungen – wie sie leider allzu häufig in der österreichischen Praxis vorkommen – können aber zahlreiche rechtliche und wirtschaftliche Risken bergen, wie zum Beispiel überzogene Vertragsstrafen oder nicht kalkulierbare Leistungsanforderungen“, warnt der Wiener Anwalt Matthias Öhler. An die Auftragnehmer soll daher via Paroli (bau-)rechtliches Fachwissen vermittelt werden, damit sie AVB besser verstehen würden, sich für das eigene Recht stark machen können. Auf diese Weise könne in der österreichischen Bauwirtschaft ein fairer Wettbewerb ermöglicht werden. Ein Hauptziel von Paroli ist also, für das Verständnis der wirtschaftlichen Relevanz und Wichtigkeit von Vertragsbestimmungen in Bauverträgen zu sensibilisieren. Im Zweifelsfall sollten die AVB von den zuliefernden Baufirmen nicht einfach hingenommen werden (müssen). Das „Online-Tool für faire AVB“ soll sowohl Nicht-Juristen (Kalkulanten, Verkäufern, Technikern, Projektleitern, Controllern usw.) wie auch Rechtskundigen (Geschäftsführern und Mitarbeitern in Rechtsabteilungen) als Werkzeug dienen, Ausführungen in AVB besser zu verstehen, und auch die Tragweite der AVB in Werkverträgen einfacher zu erkennen.

„Das unfaire Überwälzen von Risiken auf die Auftragnehmer muss ein Ende haben. Die Werkvertragsnorm B 2110 darf nicht mehr ausge­hebelt werden.“

Harald Greger, Aluminium-Fenster-Institut

Pilotphase

Anton Resch, Geschäftsführer AMFT

Paroli wurde in Zusammenarbeit mit der Anwaltskanzlei Schramm Öhler Rechtsanwälte entwickelt. Bis Ende Mai können bzw. sollen Mitglieder der AMFT und des AFI das Tool kostenfrei nutzen und ihr Feedback geben. Ab Juni wird sich dieses Tool dann für die gesamte Metallbau-Branche öffnen, wobei AFI- und AMFT-Partner eine Abolizenz um 30 Euro pro Monat erwerben können. Der Lizenzpreis für andere Betriebe wird noch im Mai 2021 festgelegt. Da Paroli auf allgemeines Baurecht aufbaut, ist es für alle am Bau beschäftigten Gewerke anwendbar.

Das Tool soll unsere Metallbaufirmen stärken, damit es zu mehr partnerschaftlichen Verträgen zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern kommt.“

Anton Resch, AMFT

Auf Augenhöhe

Matthias Öhler, Schramm Öhler Rechtsanwälte

Solange nur ein kleiner Teil der Branche weiß, wie man Tücken, versteckte Risiken und sittenwidrige Formulierungen erkennt und wie faire Verträge ausgehandelt werden, wird ein Ungleichgewicht zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern bestehen bleiben. Mit der Entwicklung von Paroli wollen AFI und AMFT dem gemeinsam entgegenwirken und den Firmen das Wissen und die Möglichkeit zur Verfügung stellen, selbst zu beurteilen, ob sie einer Klausel zustimmen oder sie mit dem Vertragspartner neu verhandeln – und zwar auf Augenhöhe. (dd)

www.amft.at

„Unfaire Vertragsbedingungen – wie sie leider allzu häufig in der österreichischen Praxis vorkommen – können zahlreiche rechtliche und wirtschaftliche Risken bergen, wie zum Beispiel überzogene Vertragsstrafen oder nicht kalkulierbare Leistungsanforderungen.“

Matthias Öhler, Schramm ­Öhler Rechtsanwälte

AVB und ÖNorm B 2110

Neben den individuell gestalteten Vereinbarungen eines Vertrages zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer gibt es immer auch allgemeine Bedingungen – die AVB – die als Standard für jeden Vertrag vorgesehen sind. 
Das Online-Tool Paroli baut sowohl auf der ÖNorm B 2110, dem zentralen Regelwerk für Bauverträge als auch auf den Inhalten des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) auf und umfasst die wichtigsten in AVB vorkommenden Themenfelder. Sie wurden systematisch aufbereitet, in Paroli eingearbeitet, mit (höchst-)gerichtlichen Entscheidungen ergänzt. Es ist vorgesehen, das Online-Tool laufend zu erweitern und den Änderungen der Rechtsprechung anzupassen. Wichtig: Paroli kann den Erwerb der ÖNorm B 2110 nicht ersetzen.
www.paroli-avb.at